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Modern Monetary Theory

Franz Rieder • Ausweg oder Sackgasse
(nicht lektorierter Rohentwurf)   (Last Update: 01.07.2019)

Die große Ouvertüre zum Abschied des Euros ist gespielt. Vor allem in den USA war man von Anfang an davon überzeugt, dass der Euro der Versuch ist, nur mit Trompeten Beethovens Neunte zu spielen. Aber eben aus diesem Land kommt die Aufforderung, neu über das weltweite Geldsystem nachzudenken. Modern Monetary Theory nennt sich das Ganze und ist ein Versuch, der traditionellen Logik der Wissenschaft der Volkswirtschaft zu entkommen. Ob dies gelingt, ob der Versuch im Ansatz nicht schon zum Scheitern verurteilt ist, weil an den ökonomischen Paradigmen nicht wirklich im fundamentalen Sinne ein anderes Denken angelegt wurde, wird sich zeigen.


Wenn man Keynes ernst nimmt, dann lassen sich der Zeitpunkt und die Höhe von Investitionen nicht seriös vorhersagen. Da diese aber die Ökonomie antreiben und damit auch den Konjunkturzyklus, ist kein mathematisches Modell in der Lage, dies korrekt vorherzusagen. Die Modern Monetary Theory (MMT) bedient sich einer anderen Methodologie als die Post-Keynesianer. Bilanzen und Aggregation von Bilanzen mit simplen Verhaltensannahmen einerseits (MMT) stehen Gleichgewichtsmodelle gegenüber, die methodologisch eine Fortführung der Neoklassik darstellen (Gleichgewichte, statisch und dynamisch).1

Das mag trivial aussehen, prima vista, ist aber von dem zentralen Gedanken getrieben zu erklären - oder besser zu verstehen - woran die seit Marx nicht weichen wollende Antinomie zwischen Kapital und Arbeit krankt. Woran liegt es, dass sich marktwirtschaftliche Krisen entwickeln und woran liegt es, dass die Unterschiede zwischen Arm und Reich in manchen Phasen der Wirtschaftsentwicklung so schnell so großen werden könne, wie wir das zurzeit besonders signifikant erleben?

Die Frage nach den Ursachen von Krisen innerhalb der Marktwirtschaft, die uns ja in diesem Kapitel zentral beschäftigt, bekommt in der MMT eine spezifische Wendung. Sie wurde in dem vielleicht ersten genuinen MMT-Aufsatz in einer referierten Fachzeitschrift unter "Full Employment and Price Stability" im Journal of Post Keynesian Economics (JPKE) veröffentlicht (Mosler 1997)2 .

Darin bezieht Mosler Arbeitslosigkeit einmal auf ein zu geringes Defizit des Staates, das er Summen von Steuern minus Staatsausgaben errechnet sowie auf eine Neudefinition des Werts einer Währung, die durch die Preise des Staates bestimmt wird. Moslers Ansatz ist weitreichend, sieht er doch die heutige Wirtschaftspolitik konträr zu deren impliziten Zielen, durch Zinspolitik Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Wirtschaftspolitik, die darin besteht, durch die Zinspolitik der Zentralbank in Zeiten zu hoher Inflationsraten Arbeitslosigkeit zu bekämpfen führt geradezu in den gegenteiligen Prozess, nämlich Arbeitslosigkeit zu schaffen.

Dieser fatalen Entwicklung könnte der Staat leicht durch ein Handeln als "Employer of Last Resort" jederzeit entgegenwirken und Arbeitslosigkeit erfolgreicher bekämpfen bzw. beseitigen wie dies ja seiner Meinung nach in den verschiedenen, politischen Maßnahmen der neuerdings so genannten "Job Guarantee" Programme aufgelegt wird.
Was für uns aber von fundamentalem Interesse ist, ist weniger die Relevanz von Job-Programmen, die meistens durchaus als erfolgreich gelten dürfen, als die fundamentale Einsicht, dass der Staat als Monopolist über die Währung seine Ausgaben nicht einfach nur "finanziert".

Mosler begreift hingegen den Staat als den Schöpfer der Währung, was zunehmend auch in der akademischen Sichtweise sich durchzusetzen scheint und auch immer weniger von der Hand zu weisen gelingt. Wie wir von Anfang an zeigen konnten, übernimmt die Notenbank jene Praxis der Geldschöpfung und zum Teil auch der Geldwertbestimmung, was sich mit den Ausführungen von Georg Friedrich Knapp in dessen Werk: "Staatliche Theorie des Geldes" von 1905 weitgehend deckt3 .

So formuliert Knapp a.a.O. "Das Geld ist ein Geschöpf der Rechtsordnung. Es ist im Laufe der Geschichte in den verschiedensten Formen aufgetreten. Eine Theorie des Geldes kann daher nur rechtsgeschichtlich sein."
Und damit verbunden entwickelt Knapp die Einsicht, dass es im Wesentlichen die stattlichen Ausgaben sind, die zur Erhebung staatlicher Steuern - und Abgaben - von den privaten Haushalten wie den privaten Körperschaften führen, dass also der private Sektor der Wirtschaft übergreifend über beide Faktoren: Kapital und Arbeit vom stattlichen, in unseren Worten, von der politischen Ökonomie weitgehend bestimmt wird.

Wir erkennen, es geht also um nicht weniger, als um die Staatenfinanzierung bzw. den Weg, den die Staaten bei ihrer Refinanzierung beschreiten müssen. Die neue Diskussion über MMT aber geht viel weiter, bekommt einen gespenstischen Touch. Denn mit der bislang doch noch recht apokryphen Theorie wird diskursiv die Grenze zwischen Geld- und Fiskalpolitik bereits überschritten und damit auch die Frage verschoben, wer letztlich innerhalb der makroökonomischen Arbeitsteilung für die Einkommenspolitik und wer für die Arbeitsmarkt- bzw. Beschäftigungspolitik zuständig und damit auch verantwortlich ist?

Schauen wir auf die Gegenwart (2019), dann ist die Frage, ob die EZB sich nicht längst schon auf den Weg gemacht hat, vom "lender of last resort"4 zum "employer of last resort" zu werden. Als "lender of last resort" soll eine Zentralbank dem Geschäftsbankensystem vor allem bei drohenden Liquiditätsengpässen kurzfristig Liquidität zur Verfügung stellen und somit die Versorgung der Wirtschaft mit Geld durch die Krisenphasen sichern. Diese Aufgabe wird vor allem bei internationalen Währungs- und Devisenkrisen gefordert, und der IWF steht als die zentrale Institution zur Bewältigung dieser Aufgabe bereit.
Bereits in der Vergangenheit wurde dieses Geschäftsmodell kritisiert als eine Art kostenlose, staatliche Einlagensicherung für private Investoren5 . Bereits mehrmals hat die Deutsche Bundesbank die Ansicht vertreten, dass der IWF in diesen Fällen nur in begrenztem Umfang Liquidität bereitstellen sollte, da die private Verantwortung für die Krisenbewältigung bei privaten Körperschaften, was eine Bank ja ist, Vorrang haben sollte. Ein wenig zahnlos und nebulös wies die Deutsche Bundesbank immer wieder darauf hin, dass andernfalls gegen elementare, marktwirtschaftliche Prinzipien verstoßen würde, weil das staatliche Eingreifen Investoren von den Risiken ihrer unternehmerischen Entscheidungen entbinde und Lösungen zwischen Schuldnern und Gläubigern untergrabe.
Wir begegnen an diesem Punkt erneut unseren ausführlichen Überlegungen und Darlegungen der Gläubiger-Schuldner-Relation, die aber weniger als Motor der volkswirtschaftlichen Dynamik betrachtet wird als aus der Perspektive eines auseinander tretenden Antagonismus zwischen Risiko und Verantwortung reflektiert wird.

Die Bedeutungsverschiebung von der Politischen Ökonomie hin zu einer Frage des "Moral Hasard" aber ist höchst riskant, wie man gleich im Rahmen der aktuellen MMT sehen wird. Kindleberger, Bagehot und Hawtrey sahen bereits vor Jahrzehnten diese Bedeutungsverschiebung als eine fundamentale Angelegenheit marktwirtschaftlichen Handelns, als ein grundlegendes Dilemma, das darin besteht, dass mit der institutionellen Einführung eines lender of last resort zugleich auch die private Eigenverantwortlichkeit, vor allem im privaten Bankensektor, für Währungsstabilität sinkt. Der Kreditgeber letzter Instanz sollte durch eine risiko-unbedingte Bereitstellung von Liquidität zu angemessenen Zinsen, also Zinsen unterhalb des Marktzinses aber deutlich oberhalb des Referenzzinsensatzes die Gefahr eines Bank Runs sowie der Unterversorgung der Wirtschaft mit Liquidität verhindern.

Strukturell sind nationale wie internationale Kreditgeber letzter Instanz, also etwa nationale Notenbanken und der IWF ähnlich, da an Krisenszenarios der Liquiditätsversorgung gebunden. So übt die nationale Notenbank etwa die Funktion einer normalen Refinanzierungsstelle der Geschäftsbanken aus, indem sie kurzfristige Darlehn, besichert mit marktgängigen Pfändern, ausgibt. Das sichert ausreichende Liquidität für die reibungslose Abwicklung des normalen Zahlungsverkehrs. Des Weiteren versorgen sie in Krisenzeiten die Märkte mit so viel Liquidität, dass es zu Bank-Run-Situationen möglichst gar nicht erst kommt.

Diese Vorstellungen galten auch international. Wenn nationale Notenbanken die Nachfrage nach Währungsreserven aus ihrem Bestand nicht mehr erfüllen konnten, also vor allem in Zeiten von Zahlungsbilanzproblemen aber auch Folgen von Naturkatastrophen, bestand die Situation und der Bedarf an einem internationalen lender of last resort, der Liquidität in Form von Kreditfazilitäten zur Verfügung stellt. Im Rahmen der internationalen Wirtschaftspolitik gewährten daher der IWF oder auch einzelne Regierungen in bestimmten Fällen Finanzhilfen oder Kredite, um Krisenphasen zu überwinden.
Im Rahmen der europäischen Geldpolitik bietet die EZB im Rahmen ihres Mandats ständig zwei Fazilitäten an. Einmal die Spitzenrefinanzierungsfazilität, im Rahmen dessen Banken Übernachtkredite aufnehmen können und die Einlagefazilität für die kurzfristige (über Nacht bzw. tageweise) Anlage überschüssiger Liquidität der Banken bei der EZB. Die Zinssätze für diese beiden Fazilitäten bilden die Ober- bzw. Untergrenze für den Tagesgeldsatz, dem sog. EONIA6 .

Wir begegnen an dieser Stelle erneut den bisweilen schon fast mysteriösen Target-II-Salden und halten heute nur so viel fest, dass es sich bei diesen Salden um Zinsen für unbesicherte Anlagen aus Spitzenrefinanzierungs- und Einlagefazilität handelt, was, prima vista, einer normalen Bankbilanzierung entspricht. Dass diese Form der Bilanzierung aber eine Besonderheit von und in Krisensituationen darstellt, soll nicht vergessen werden. Krisensituationen im Sinne der europäischen Variante der Kreditvergabe letzter Instanz hat nicht nur das Auseinandertreten von Risiko und Haftung zur Folge, sondern führt, wie wir sehen werden, zu einem selbstverstärkenden Effekt, der aktuell die geldpolitische Diskussion innerhalb der Euro-Zone prägt.

Dabei geht es längst nicht mehr nur um Fragen der phasenweise umfangreichen, einseitigen Devisennachfrage bzw. Devisenspekulation, wie wir sie in der sog. Griechenlandkrise befürchten mussten und im Ansatz beobachten konnten. Devisenspekulationen, zumal wenn terminliche Shortpositionen über Bankdarlehn aufgebaut werden, sind gewissermaßen eine maximale Spreizung des Schuldner-Gläubiger-Verhältnisses, oder anders gesagt, dessen rechtlich Nivellierung. Wir haben früher bereits das Schuldner-Gläubiger-Verhältnis als eine Rechtsposition im marktwirtschaftlichen Prozess derart betrachtet, dass darüber eine Folge oder Ketten an Schuldner-Gläubiger-Verhältnisse sich anschließt, deren Sinn es ist, monetäre Liquidierungen von Eigentum in Anlagen der betrieblichen Refinanzierung zu verwandeln.

Das Bild eines Gläubiger-Schuldner-Verhältnis stellt im vorliegenden Fall diese Refinanzierungskette bzw.- -matrix vor, bei der es um zwei Rechtspersonen oder Körperschaften gehen kann wie auch um rechtlich kaum oder nicht mehr zu durchschauende Strukturen der Verknüpfung von Privatpersonen und Körperschaften aller Art und über die Grenzen volkswirtschaftlicher Rechtsräume hinweg, zudem noch außerordentlich dynamische Formen von Beteiligungen.

Bleiben wir noch ein wenig bei dem Bild des lender of last resort. Sinn (2014) weist in Hinblick auf die Refinanzierung der Euro-Staaten profunde und zurecht darauf hin, dass das Prinzip der rechtlichen Gläubiger-Schuldner-Strukturen spätestens mit dem sog. STEP-Markt ausgehebelt worden ist7 . "Mit der Akzeptanz von Bankanleihen als Pfänder wurde die Idee der Sicherung der Refinanzierungskredite durch Pfänder ad absurdum geführt, weil sie keinen Schutz vor systemischen Bankrisiken bieten und dem Missbrauch Tür und Tor öffnen." (2014, S. 211)

Minutiös zeichnet Sinn im gleichen Kapital den Weg nach, den die Idee der Sicherung resp. der Pfänder in den letzten Jahren genommen hat. Das begann am 15. Oktober 2008 mit Vollzuteilungspolitik und führte über einige Stufen der Reduzierung der Mindestratings für die Kreditvergabe im Eurosystem von Single A über Triple B sowie der Erweiterung von Durationen bzw. Fälligkeiten auf LTROs bis hin zu den ein paar Seiten vorher beschriebenen GLRG-II Anschluss-Programmen der EZB.
Sie markieren in ihrer wahrlich mittlerweile des Öfteren zurecht beklagten semantischen Verschleierungen die Spur einer politischen Ökonomie, die in der Kombination aus verlängerten Laufzeiten, reduzierten Besicherungen der Pfänder auf mittlerweile untergradig verbrieften Ramschniveaus vieler Pfandtitel und der Null- bzw. Niedrigzinspolitik der EZB, die damit den ehemals auch schon eher schlecht als recht funktionierenden Interbankenmarkt sogar noch auf einem signifikant niedrigeren Niveau unterboten hat.

Kurz gesagt, mithilfe der EZB wurden und werden Geschäftsbanken mit marktgerechter Bonität sowie Institute mit weit unterhalb einer marktgerechten Bonität bis hin zu wahren Zombie-Banken auf nicht einmal Ramschniveau mit fiskalischen Mitteln aus der Realwirtschaft und von Privatvermögen der europäischen Staatengemeinschaft refinanziert bzw. rekapitalisiert. Wie tonnenschwere Lasten ziehen eigentlich schon längst pleite-gegangene Privat- und halb-staatliche Institute die Liquiditätsflüsse regelrecht in trockene Gelände oder versiegen die Geldströme wie das Wasser im Okavango-Delta; das ist die eine, die traditionelle Sichtweise.

Zu ihr gehört ganz im erweiterten Sinne eines lender of last resort, dass der einzig wirksame Schutz vor Bankenmissbrauch, also davor, dass Banken das Vertragsverhältnis zwischen Emittent und Käufer von Bankanleihen fundamental zerstören, dass, um notenbankfähig zu sein, "Bankanleihen wenigstens gehandelt werden mussten."(S. 212) Was aber als eine Langfristfolge nach dem Zusammenbruch des globalen Festkurssystems, das wir unter dem Namen "Bretton-Woods-System" besprochen haben, eingetreten ist, ist eine Kreditwirtschaft, die ganz ohne effektive Sicherheiten zunehmend öfter auskommt. Der "Ringtausch", den Sinn beschreibt (S. 212), mag dafür ein illustres Beispiel sein.

Bereits im Jahr 2000 bezeichnete Kanzler Kohl einen solchen außermarktwirtschaftlichen Trick als einen "phantasievollen Weg" bei der Beantwortung der damals im russischen Lager sich ausbreitenden Schuldenfrage vor allem mit der deutschen Wirtschaft. Damals hatte Russland allein aus den Zeiten der Sowjetunion rund 50 Milliarden D-Mark Schulden in Deutschland. Dazu kamen etwa 24 Milliarden Mark, die es nach 1991 auslieh. Zudem fordert die Bundesregierung etwa 15 Milliarden Mark aus Kreditverpflichtungen zwischen der damaligen DDR und der Sowjetunion.
Der Kerngedanke des "phantasievollen Weges" bestand damals schon in einem Ringtausch, bei dem deutsche Firmen einen Teil der Schulden Russlands dadurch begleichen sollten, dass sie dafür Anteile an russischen Unternehmen bekommen. Dieser gewissermaßen als eine Art "Naturaltausch" zu bezeichnende Weg wurde ernsthaft unter Einbezug wichtiger politischer Instanzen und Institutionen diskutiert und diese Diskussion galt als "geheim" und wurde aber nach einigen Monaten hinter verschlossenen Türen wieder verworfen.

Burckhard Bergmann, damaliger Vize-Chef von Ruhrgas, das bereits rund fünf Prozent am russischen Energieriesen Gasprom besaß, formulierte deutlich ablehnend: "Staatliche Schulden sind Sache der Regierungen und nicht Sache von privatwirtschaftlichen Unternehmen.“8 Aber genau so stellt sich heute, auch unter erheblichen "Geheimabsprachen" zwischen Privatbanken und EZB die Sache mit dem Ringtausch in der Öffentlichkeit dar. Ungern hören europäische Regierungen, dass sie über die EZB Formen der Staatenrefinanzierung ausprobieren, die kein Wähler, ob informiert oder nicht, so billigen würde. Der Trick im Ringtausch nämlich ist, dass mit dem Wertverlust des Pfandes letztlich der Bürger als lender of last resort sozialisiert worden ist.

Wir haben andernorts bereits darauf hingewiesen, dass Zinserträge, die im Eurosystem durch Anlagekäufe und Refinanzierungskredite entstehen, dadurch vergemeinschaftet werden, dass sie anteilsgemäß nach der Größe der jeweiligen Volkswirtschaft - Kapitalanteil - und des Landes berechnet werden und als Ertragsanteil an den Zinserträgen den einzelnen nationalen Finanzministerien gutgeschrieben werden. Das bliebe ein ganz normaler Vorfall, wäre da nicht zugleich auch die Regelung, so mit den Abschreibungsverlusten zu verfahren. Abschreibungsverluste bei Refinanzierungen entstehen aber dadurch, dass die hinterlegten Pfänder, die Banken als Sicherheiten für ihre Kredite bei der EZB begeben haben, sich als wertlos herausstellen.
Und dem ist nicht genug. Denn schaut man sich an, was dann da in den bereinigten Kreditbüchern der Banken an Krediten stehen, dann wird man feststellen, dass das Staatspapiere sind.

Die Absenkung der Ratings für hinterlegte Pfänder durch die EZB bis über die Grenze zu toxischen Papieren hinaus hatte ja das Ziel, den nationalen Privat- und Geschäftsbanken den Erwerb von Staatspapieren zu ermöglich. Damit konnten Banken ihre Kreditbücher um kranke Ausreichungen in ihren Kreditbüchern bereinigen, erhielten jede Form von Liquidität, ohne direkte Auflagen, und nahmen gerne Staatspapiere stattdessen in die Bücher. Die Banken waren vorerst einmal gerettet und die Kreditflüsse zwischen Bank und Privatwirtschaft und Bank und Staat gesichert, selbst dann, wenn der internationale Kapitalmarkt längst schon die mangelnde Bonität und Seriosität der Refinanzierungswünsche von Banken und Staaten mit so hohen Zinsen belegt hatte, dass man den Wunsch durchaus hätte ins Reich der Märchen abschreiben müssen.

Diese Situation dauert innerhalb der Euro-Zonen nun schon seit Jahren an. Während im Rahmen der internationalen Währungs- und Wirtschaftspolitik die Zusagen für Finanzhilfen bzw. Kredite nach wie vor sehr restriktiv vergeben werden und sich auf Krisenphasen oder Naturkatastrophen beschränken, hat die Euro-Zone einen phantasievollen Weg außerhalb dieser Restriktionen versucht. Während der IWF z.B. auch bei der Refinanzierung des griechischen Staatshaushaltes stets unter Nachhaltigkeits- bzw. Tragfähigkeitskriterien die Kreditvergabe gewähren wollte, haben die Euro-Regierungen im EZB-Rat diese Kriterien ausgesetzt.

Nun könnte man der Meinung sein, die Euro-Staaten betrieben geldpolitisches Harakiri. Und dieser Verdacht wäre nicht ganz unbegründet. Die Euro-Regierungen haben aber den Transfer der Nachhaltigkeit und Tragfähigkeit von Staats-Refinanzierungskrediten von den privaten und öffentlichen Kapitalmärkten zum Bürger als lender of last resort stets mit dem Hinweis auf eine wirtschaftspolitische Rechtmäßigkeit unterlegt. Die Euro-Staaten argumentieren über den EZB-Rat stets damit, dass die EZB ihr wirtschaftspolitisches Mandat der Geld- und Zinspflege einhält. Dahinter verbirgt sich das von uns so beschriebene japanische Modell, welches den Staat als employer of last resort begreift.

Wir ahnen also, dass die Krux im Übergang von der Realwirtschaft zur Politischen Ökonomie sich in eben dieser Frage verbirgt: welches Ziel hat die Refinanzierungspolitik der Euro-Staaten? Würden Staaten ihren Bürgern die Kreditrisiken einfach nur so aufbürden, ohne Gegenleistung gewissermaßen, wäre das mehr als ein Skandal, es wäre eine Art der machtpolitischen Selbstbedienung am Geldbeutel der Bürger, Wähler oder Nicht-Wähler. Wenn in einem Staaten- und Wirtschaftsverbund wie der Euro-Zone die Refinanzierung der Staatshaushalte in Krisenzeiten der Sicherung von Arbeit in der Realwirtschaft dient, wäre wenig dagegen zu sagen, wäre dies in bestem Sinne Keynes ein politischer Eingriff in die Marktwirtschaft da, wo diese an die Grenzen ihrer volkwirtschaftlichen, vor allem ihrer Wohlfahrtsverpflichtungen gerät.

Aber haben wir es wirklich mit der keynesianisch legitimen Intervention des Staates zur Sicherung von Arbeit in Krisenzeiten zu tun? Offensichtlich ist, dass neuerdings immer mehr Stimmen, auch die von geldpolitischen Experten kein Blatt mehr vor den Mund nehmen, wenn aus dem Verdacht der Staatenfinanzierung längst eine Erkenntnis geworden ist. "Notenbanken finanzieren den Staat" lautet heute die Überschrift über diverse Artikel in der Presse und diese rekurrieren auf Tatsachen, die sich politisch real kaum noch bemüht, sich vor den Augen der Bürger in eine Art semantischer Camouflage anzubiedern.

Mittlerweile gibt es sogar Konferenzen in aller Öffentlichkeit zum Thema Modern Monterary Theory selbst auf europäischem Boden. Die Frage, wie modernes Geld funktioniert, wird darin mittlerweile fast konsensuarisch beantwortet. Zentralbanken schreiben demnach Regierungen quasi auf Zuruf Einlagen bei sich gut, die dann wiederum von den Regierungen ausgegeben werden können. Die einzige Frage, die bei dieser Form der Kapitalwirtschaft bleibt ist, ob diese noch eine indirekte oder schon eine direkte Form der Staatenfinanzierung darstellt? Sagen wir, dies entspricht noch einer indirekten Form der Staatenfinanzierung, dann sehen wir strukturell ähnliche Formen in Japan, Kanda, Europa, China usw. also mittlerweile fast überall auf der Welt.

Und mit dieser Form der Refinanzierung von Staatshaushalten einher geht weltweit der gleiche Diskurs, dass die Refinanzierungskriterien der Staatshaushalte unmittelbar als Ziel die Finanzmarktstabilität haben, die allein darin erreicht wird, dass die Preise für Staatsanleihen in den Keller gehen. Und die Geschichte hat auch ein zweites Kapitel, dass darin besteht, das es letztlich völlig irrelevant ist, ob eine Zentralbank die Staatsanleihen direkt von der Regierung kauft oder die Banken das machen, wie wir soeben sahen, indem sie sich vorher das Geld bei der Zentralbank leihen müssen. Und als drittes Kapitel dieser Form der neuen Kapitalmarkt-Ökonomie, die eine rein politische Ökonomie schon längst ist, machen die Zentralbanken unmissverständlich deutlich, dass sie nötigenfalls am Sekundärmarkt alles aufkaufen, was auch nur irgendwo als ein Geldpapier existiert, dessen Wert einen Cent über dem reinen Papierwert liegt, und dies als Pfand hinterlegen, so dass die Banken kaum bzw. kein Verlustrisiko bei dieser Form der Kapitalmarktwirtschaft haben.

Es mag ja einen gewissen Reiz haben, der weit über den wirtschaftlichen hinausgeht, wenn Zentralbanken gewährt wird, sich als Hüterin und zugleich als Aufseherin über die Finanzpolitik und zugleich über die Beschäftigungspolitik eines Staates zu wähnen und mit QE-Programmen und Refinanzierungsprogrammen von Staatshaushalten sich wie Good-Father im "Kernel" der Politischen Ökonomie agierend wähnend zu gerieren. Das beste und zugleich zweifelhafteste Beispiel dafür mag die Troika in der Griechenlandkrise sein, hat sie sich doch weder demokratisch legitimiert noch fachlich angemessen in griechische Angelegenheiten eingemischt, die für sie so unsichtbar waren wie die Aufbauten großer Schiffe außerhalb der Sichtweite auf dem Ozean.

Wir wissen, bereits weniger als dreißig Seemeilen entfernt von unserem Sichthorizont bleiben Tausende von Schiffstransfers für uns Landratten unsichtbar. Und so musste mit der Zeit auch die Troika einsehen, dass die Kontrolle der Einhaltung der Austeritätspolitik zwar notwendig, aber doch nicht hinreichend für die Sicherung der griechischen Staatsfinanzen war, die seit der offiziellen Feststellung des griechischen Staatskonkurses am 3. Juli 2015 durch den EFSF als ein ungelöstes Problem fortexistierte.



Modern Monetary Theory - Teil II



MMT ist ein Kürzel, das immer mehr Beachtung findet. Sowohl in der akademischen Lehre in den USA und in der Politik der Vereinigten Staaten von Amerika. Hier in den Staaten hat die Debatte bereits den Zustand eines ideologischen Tumults erreicht. In Europa und Deutschland insbesondere fängt die Auseinandersetzung gerade erst an.

Was also ist dran an der modernen Geldwerttheorie? Was macht eine Theorie, die auf einer Theorie, die bereits mehr als hundert Jahre alt ist9 , aufbaut, so anziehend für neue, aktuelle Überlegungen? Gewiss die Unzufriedenheit ob der Unzulänglichkeit der akademisch vorherrschenden Theorien über das Geld und den Gründen sowie Folgen für die Kreditwirtschaft. Manchem klingen die Grundaussagen der MMT simpel, manchem theoretisch nicht wissenschaftlich begründet genug, manchem wagemutig in ihren Schlussfolgerungen; alles dies hat seine Berechtigung.

Dabei ist es durchaus von einem gewissen Reiz, die wissenschaftliche Herangehensweise doch einmal sich anzuschauen und welche Schlussfolgerungen die MMT daraus zieht. Ganz simpel ist das empirische Surrogat der MMT. Sie blickt auf die Transaktionen, die zu Bewegungen in den Bilanzen führen. Dies führt sie zu Aussagen, die jene Schuldtitel betrifft, die in jeder Unternehmensbilanz als Konten von Forderungen und Gegenkonten von Verbindlichkeiten geführt werden.

Schuldtitel entstehen also aus eben dieser Differenz von Forderungen und Verbindlichkeiten. Stehen die Forderungen in einem positiven Saldo, entstehen Erlöse, mithin Gewinne, wie umgekehrt Verluste in einem positiven Saldo von Verbindlichkeit, wozu ja auch Kredite zählen10 . Mit diesem Ansatz folgt die MMT den Grundlagen der staatlichen Theorie des Geldes von Knapp, der hier wie dort als "doppelte Buchführung" beschrieben wird.

Die doppelte Buchführung ist also in der MMT keine betriebswirtschaftliche "Technik", sondern geht als grundlegend theoretische Methode der Abstraktion weit über die rein betriebliche Betrachtung hinaus. Sie fokussiert die Schuldtitel resp. Einlagen oder Depositen bei Geschäftsbanken und vor allem bei Notenbanken, also dem, was gemeinhin als Geld bezeichnet wird.

Wir haben bereits in einem früheren Kapitel von Bankguthaben als umgangssprachlichen Sammelbegriff für Forderungen von Nichtbanken gegenüber Kreditinstituten gehandelt. Es ist Buchgeld auf Bankkonten, das jederzeit in Bargeld umgewandelt oder für Geldanlagen oder den Zahlungsverkehr verwendet werden kann.

Geld ist also Guthaben von Kunden bei Kreditinstituten, die auf namentlich bezeichneten Konten gebucht werden. In der Bilanz werden Einlagen als 'Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten' und als 'Verbindlichkeiten gegenüber Kunden' ausgewiesen. Letztere werden in der Praxis je nach Fristigkeit und Formvorschriften auch als Sicht-, Termin- und Spareinlagen bezeichnet. Nach dem Kreditwesengesetz gilt als Einlagengeschäft die "Annahme fremder Gelder als Einlagen ohne Rücksicht darauf, ob Zinsen vergütet werden".

Und damit sind wir bereits bei einem fundamentalen Unterschied zwischen MMT und traditionellen Geldtheorien, die im Keynesianismus ihren Ursprung haben. Hier herrscht ein krass verkürzter Begriff von Chartalismus, offenbar in Verkennung der staatsrechtlichen Dimension der Geldordnung vor. Bevor wir auf die staatsrechtliche Dimension des Geldes zurückkommen, eine Position, die wir an mehreren Stellen bereits ausgebreitet haben, kurz noch eine Gegenüberstellung der beiden großen theoretischen Ansätze.

Der Metalismus ist gewissermaßen eine Theorie, deren Grundlage die Vorstellung von Geld als einer substanziellen Trägerschaft seines Wertes ist. Geld ist demnach ein empirisches, physikalisches Gut in der Form eines wertvollen Metalls, deren historische Erscheinung zwar nicht von Anfang an, aber doch im Rahmen von modernen Tauschgesellschaften überwiegend Gold und Silber waren. Die Substanz bzw. der Güterwert des Geldes ist in dieser Vorstellung also wertbestimmend.

Im Gegensatz dazu gründet der Wert des Geldes im Chartalismus auf einem, von seiner Substanz bzw. seinem Güterwert unabhängigen, immateriellen Wert, vorgestellt als ein buchhalterisches System mit sozialer Akzeptanz. Ist im Metalismus der Geldwert also substanziell, so ist er im Chartalismus bilanziell.

Die sog. Metalisten müssen aufgrund ihrer Vorstellung vom Geld auch stets daran festhalten, dass Geld als Tauschware existiert und von allen Tauschpartnern akzeptiert wird - dessen soziale Komponente - so müssen sie auch festhalten an der Vorstellung, dass generell alle materiellen und immateriellen Güter, die als Tauschware akzeptiert werden, Geld darstellen.11

In dieser Vorstellung ist Geld also eine Schöpfung von Markt- bzw. Tauschvorgängen und damit auch ein knappes Gut, als es in seiner Substanz ja begrenzt ist und nur als dieses knappe Gut erleichtert es jede Form der Gütertransaktion, insofern Geld als generelles, als universelles Äquivalent aller Güter deren Wertbemessung ist. Man zahlt nicht mehr in einer Art situativer Wertbemessung ein Gut mit einem anderen, sondern alle Güter mit einem Gut, Geld.

Auch die für die Entwicklung der MMT wichtige sog. Österreichische Schule vertritt diese Vorstellung vom Geld. So besitzen nach Menger (1892) Güter verschiedene Grade von "Veräußerbarkeit". Der grundlegende Marktmechanismus von Angebot und Nachfrage nun trägt die Vorstellung, dass ein generell akzeptiertes Tauschgut (Geld) mit einer bestimmten Menge an Gütern und Dienstleistungen assoziiert wird; wir haben ausführlich darüber gehandelt.

Dieses leicht handelbare Gut wird dann nach Friedman (1974) zum Tauschmittel, genauer gesagt zum allgemeinen Äquivalent des Tauschvorganges selbst, wodurch die Akte des Kaufs und des Verkaufs von einander separiert werden können. Mit den Worten von Clower: "Money buys goods and goods buy money; but goods do not buy goods".12

Was hier wie in steinernen Lettern gemeißelt steht, ist aber keine ewige Tatsache, wenn gleich dies so erscheint. Und obschon der Metallismus noch immer das Fundament der neoklassischen Geldtheorie darstellt, definieren Neoklassiker Geld seit dem berühmten Satz von Hicks: "money is what money does"13 nur noch anhand seiner Funktionen als Wertaufbewahrungsmittel, als Zahlungsmittel und als Wertmaßstab. Alle drei Funktionen sollen also dem Geld inhärent sein; wenig logisch. Denn wenn die Natur einer Sache nicht bekannt ist, wie kann man dann ihre Funktionen definieren?

Wegen dieser alogischen Definition von Geld, die zugleich als eine rein funktionelle Definition erscheint, letztlich aber doch substanzialistisch ist, gehen Neoklassiker der unangenehmen Frage aus dem Weg, wieso Geld heute auch noch eine relativ stabile Kaufkraft hat, obwohl man mittlerweile bereits zunehmend und bald höchst wahrscheinlich nur noch digital bezahlt und die Golddeckung längst aufgehoben wurde. Es wird immer offensichtlicher, dass Geld ein rein buchhalterisches Phänomen ist. Und eben hier setzt die MMT erneut an, um dem Geld die letzte, überbliebene Mystifikation eines Wertes "an sich" (Kant) zu nehmen und schließlich als ein reines System an Relationen, ohne Substanz (Hegel) zu begreifen.

Nun verstehen wir besser, was wir als einen verkürzten Begriff von Chartalismus eben bezeichnet haben, der in einer Verkennung der staatsrechtlichen Dimension der Geldordnung mündet. Geld ist nicht Geld und auch nicht die Summe seinen Funktionen. Geld ist eine Ordnung. Diese Ordnung organisiert also in den jeweiligen Ordnungsräumen - Staaten - die Währung sowie die gesetzlichen Zahlungsmittel in dieser Währung und die Seigniorage als Hoheitsrechte und Gewährleistungspflichten von Verfassungsrang.

So sehr auch der Keynesianismus bzw. Post-Keynesianismus dies auch zu vermeiden sucht, so sehr die akademischen Lehren dieser Provenienz auch den Anspruch haben, Geld aus der mystisches Klammer des Substanzialismus zu befreien, machen sie sich doch keine Vorstellung von der grundlegenden, staatlichen Geldhoheit und deshalb auch keinen Begriff von der gegenwärtigen, reichweiten Transformation der Geldordnung von einer Ordnung des Privatrechts, wie sie in der neoklassischen privatrechtlichen Geldtheorie zum Ausdruck kommt, hin zu einer entkontrollierten, mittlerweile selbst nationale Ordnungsräume transzendierenden globalen Geldordnung, die weitgehend von den internationalen Finanzmärkten und den Notenbanken bestimmt wird.

Selbst die staatliche Währungshoheit, wie sie als die nationale Recheneinheit noch repräsentiert ist, wird zunehmend rudimentär. Denn die Geldhoheit - Zahlungsmittelhoheit - und die Seigniorage werden tagtäglich mehr und mehr faktisch den Banken, genauer gesagt den neuen Spielern, den sog. FinTechs und Kryptowährungen, überlassen und dabei rekurriert deutlich anschwellend der staatliche Finanzdiskurs im Vermeinen, dass doch die Zentralbanken die ganze Breite und Tiefe der Geldwirtschaft durch Reservepositionen und Zinspolitik unter Kontrolle habe.

Sieht man genauer hin, haben wir es mittlerweile mit einem offensichtlich fraktionalen Reservesystem zu tun, dessen Probleme und Fehlfunktionen im Geldsystem immer offenkundiger werden, was von der post-keynesianischen Geldtheorie teilweise offen bestritten, zumindest vernachlässigt oder missverstanden wird.14

Geld als staatlich geordnetes System wird allein schon dadurch deutlich, dass das Giralgeld in seinem Bestand gefährdet ist. Die inhärente Bestandsgefährdung des Giralgeldes liegt weder als positives Konto bei der Bank und befindet sich in einer rechtlichen Grauzone auch nicht mehr im Privateigentum der Bankkunden. Vielmehr steht das Giralgeld als implizite mithaftendes Teileigentum in der Bankbilanz, die es, gleichsam vom Bankkunden als unfreiwillig und nicht explizite eingeräumte Teilverfügung und so als Verbindlichkeit ausweist.

Wir durften in den letzten Jahren mehrmals miterleben, wie jede Schieflage einer Privatbank dieselbe in den täglich anfallenden und terminlich fälligen Geldforderungen gegen die Bank in Gefahr bringt. Da nun der Staat den Banken das Recht der Geldschöpfung und der eigenständigen Anlage-Allokation eingeräumt hat, ist jede Bank auf eine besondere Weise privilegiert in ihrer staatlich gestützten Sonderstellung gegenüber ihren Kunden, die sie bis über die Grenzen des Erträglichen und auch des wirtschaftlich Vernünftigen ausgereizt hat. Kein Unternehmen der Realwirtschaft hätte sich das erlauben können, was Banken in den letzten beiden Jahrzehnten auf Kosten ihrer Kunden sich herausgenommen haben.

Aber nicht nur die inhärente Bestandsgefährdung des Bankengiralgeldes ist eines der Probleme und Fehlfunktionen im Banken- bzw. staatlich gestützten Geldsystem. In dieser eigentumsrechtlichen Transformation des Geldsystem steckt auch eine systemische Tendenz zur Inflation, die dann selbst wiederum zu systemischen Friktionen und Krisen verläuft. Indem Banken maßgeblich daran beteiligt sind, dass Kreditblasen wie etwa im Immobiliensektor sowie Schuldenblasen wie etwa im Staatssektor durch massivste Ausweitung der Bankbilanzen finanziert bzw. refinanzierbar bleiben, erklärt sich nicht nur der Fehler, dass die alleinige Annahme, Inflation würde nur durch Zinssätze erzeugt bzw. beherrscht. Es muss auch gesehen werden, dass diese inflationäre Geschäftspolitik der Banken zu einer Ablösung des Kredit- und Finanzierungsmarktes von der Realwirtschaft geführt hat.

BIP-überschießende bzw. BIP-disproportionale Bankbilanzen befördern auf unmittelbare Art und Weise auch und bereits in der Bankengiralgeldschöpfung eine Verteilungswirkung, die eine stetig wachsende Ungleichheit zwischen den Aggregaten Arbeits- und Finanzeinkommen ergibt. Von größerer Bedeutung aber ist ein Effekt, den die klassische und die neoklassische Theorie gleichermaßen vernachlässigt haben und der das Einfallstor für die MMT geworden ist.

Die MMT wird nicht zufällig als "post-chartalistisch" in Anlehnung an deren Rekurs auf Knapp bezeichnet. Knapp argumentierte gegen den "intrinsischen" Wert oder wie wir gesagt haben, den Substanzwert des Geldes. Er ging davon aus, dass der Staat per "Charta" bestimmt, in welcher Einheit Steuern eingezogen werden. Der Wert des Geldes wird nach Knapp daher dadurch bestimmt, dass der Staat seine Bürger und Körperschaften zur Steuerabgabe in der von ihm festgelegten Währung zwingt. Und die Bürger wie die Körperschaften bieten ihrerseits ihre Arbeitskraft, ihre Dienstleistungen, Waren und Güter und auch Schuldtitel dem Staat, um an dessen "Geld", an dessen Währung zu kommen.

An dieser Stelle hatte Knapp und hat die MMT ein logisches Problem zu lösen, das Problem des Anfangs. Wie können Bürger und Körperschaften Steuern zahlen, wenn der Staat noch kein Geld in Umlauf gebracht hat? Das Problem des Anfangs ist hierbei also ein Problem der Zeitfolge und die Theorie muss deshalb annehmen, dass in unseren modernen Geldsystemen der Staat zuerst Geld ausgeben muss, um es dann qua Steuern wieder zurückzunehmen, was buchhalterisch einer Tilgung von Steuerverbindlichkeiten der Bürger und Körperschaften gegenüber ihren Staaten entspricht.

Als ein erstes Zwischenfazit können wir festhalten: In der MMT ist das privatrechtliche Haftungsprinzip in eine Vollhaftung aller Bürger und Körperschaften gegenüber dem Staat übergegangen. Staatliches Handeln im Sinne unserer Politischen Ökonomie ist stets eine Beanspruchung der jeweils allgemein vorhandenen Ressourcen. Staatliches Handeln greift über Steuern in die wirtschaftlichen Ressourcen und Handlungsprozesse des Privatsektor ein, idealerweise dort, wo es zu einer Überbeanspruchung von Ressourcen und dadurch wiederum zu inflationären Effekten gekommen ist. Steuern und Abgaben entziehen dann dem privaten Sektor Kaufkraft und weitere Ausgaben für Konsum und Kapitalgüter werden gebremst.

Sind einmal die Ausgaben sektoral gesenkt, ist die (Über-)Nachfrage hier gestoppt, fallen auch die Inflationsraten entsprechend und der Staat kann durch gezielte sektorale Besteuerung Inflation bzw. "Blasenbildungen" bekämpfen. Blasenbildungen oder ein zu hoher Anstieg von Vermögenspreisen etwa auf dem Immobiliensektor, sind Ergebnis von wirtschaftlichen Prozessen, die zu Lasten des Gemeinwohls bzw. der gesellschaftlichen Wohlfahrt gehen; in vielen, in den meisten Fällen. Leider hat bislang die MMT versäumt, eine Theorie für das Gemeinwohl zu formulieren und ersetzt diese Lücke durch eine rein funktionale Argumentation.

Wie dem auch sei, wir kommen darauf zurück, aus dem bisherigen ergibt sich, dass Steuereinnahmen weder unmittelbar noch in direkter, logischer Folge zur Finanzierung von Staatsausgaben dienen müssen. Sie können dazu verwendet werden, müssen aber nicht. Es ist die jeweilige, gewählte Regierung, die Steuern zur Finanzierung von Staatsausgaben einsetzt, gleichwohl Steuern nur eine Quelle von Einnahmen des Staates sind. Braucht eine Regierung Geld, gibt sie in der Regel Staatsanleihen aus15 .

Die BRD beleiht also Staatspapiere über das BMF bzw. die Bundesfinanzagentur, die von im Kern europäischen, US-amerikanischen und japanischen Bankinstituten gekauft werden. Beim Kauf fließt Geld von diesen Instituten auf das Zentralkonto des Bundes, ist damit auch Zentralbankguthaben und kein Giralgeld. Der mühsame Streit um des Kaisers Bart, ob also die Zentralbanken direkt oder indirekt Regierungen finanzieren, darf damit als beendet erklärt werden. In der Euro-Zone ist es also, wie wir vielfach schon beschrieben haben, die EZB, die den Banken Zentralbankgeld leiht, die es dann wiederum der bzw. den jeweiligen Regierungen der Euro-Zone ausreichen und im Gegenzug zu diesen Ausreichung Staatsanleihen bekommt.

Diese Form der Staatenfinanzierung existiert beileibe nicht nur in der Euro-Zone, sondern ist weltweit üblich. Die MMT fokussiert die Wertbestimmung von Geld aus dem Primat staatlicher Geld- bzw. Geldwertschöpfung, die aus Steuern heraus sich bildet. Wie wir schon früher gezeigt haben, entsteht Geld aus Gläubiger-Schuldner-Verhältnissen. Staatliches Geld besteht daher zuerst als eine Form der Einlage bei einer Zentralbank und wäre der Staat eine Bilanz wie ein Unternehmen erstellen, dann stünden dort auf der Habenseite alle jene Schuldverhältnisse, die ein Staat eingegangen ist, die abgeschrieben sind und weitergenutzt werden oder erneuert werden müssten, angefangen von Grundschulen über Universitäten, Straßen und Brücken usw. usw.

Staatliches Geld ist also sichtbar als eine Art Aufrechnungsgutschriften für Steuerschulden. Und eben diese Steuerschulden geben dem Geld insgesamt einen Wert. Im Prinzip sind Steuerschulden die Summen, die ein Staat festlegt für die Bezahlung seiner materiellen und immateriellen Anlagen, Projekte und Investitionen sowie für die staatlichen Verwaltungs- und Exekutivinstitutionen, die letztlich alle aus Krediten hervorgegangen sind.

Geldschöpfung insgesamt ist somit auch in der Regel private und staatliche Kreditschöpfung, also ein Prozess aus einem Gläubiger-Schuldner-Verhältnis heraus, der in der Marktwirtschaft Preise und Zinsen entstehen lässt und in der Politischen Ökonomie eben Steuern.

Dabei ist eine Besonderheit zu bedenken, dass etwa in föderalen Gesellschaftssystemen wie etwa der BRD nicht die gleichen fiskalischen Regeln auf Bundes- wie Länder- und kommunaler Ebene bestehen.

Für den "Bund" aber gilt aus dem bisher Gesagten, dass Steuern logisch nicht zur Finanzierung von Staatsausgaben hinreichend sind, sondern notwendig und dies vor allem auf der Länder- und Gemeindeebene sind, wo z.B. die Gewerbesteuer mit den unterschiedlichen Hebesätzen und die Gewerbekapitalsteuer, die eine ertragsunabhängige Besteuerung der Substanz des Gewerbebetriebs ist zu den wichtigsten und originärsten Einnahmequellen der deutschen Gemeinden sind.

Da der Staat zur Finanzierung seiner laufenden Kosten, der Bestandshaltung und der Erneuerung im Wesentlichen auf Staatsanleihen zurückgreift, erklärt sich der Leitsatz der MMT, dass Steuern nicht hinreichend für die Staatsfinanzierung sind. Steuern und die Emission von Staatsanleihen sind also die beiden deutlich sichtbaren Einnahmequellen einer Regierung, um die Zukunft eines Staates zu gestalten.

Steuern und Anleihen sind somit per se nichts Böses. Sie sind im Kern Kredite, die die Regierung sind beschafft hat, um den Bürgern und Körperschaften eines Steuergebietes sowie den Investoren, für die BRD hauptsächlich europäische, US-amerikanische und japanische Bankinstitute, eine Rendite auszuzahlen in Form von Verzinsungen und direkten wie indirekte Investitionen in ein Steuer- bzw. Staatsgebiet, materieller wie immaterieller Art.

Durch Emissionen von Staatsanleihen gehen Regierungen gewissermaßen in einer Art repräsentativer Legitimität Gläubiger-Schuldner-Verhältnisse ein, die sowohl auf privatrechtlich wie auf öffentlich-rechtlicher Ebene ein Versprechen implizieren, die Schulden zu tilgen und für die Tilgungslaufzeit einen Risikoabschlag, den Zins zu zahlen. Die Gläubiger des Bundes, also die Eigentümer (auf Zeit) resp. Besitzer von Staatsanleihen überweisen beim Kauf Geld auf das Bundeszentralkonto, in einer fremden Währung oder in Euro. Diese Zentralbankgeldguthaben können die Gläubiger natürlich auch weiterverkaufen. So wandern also die Zentralbankgelder in Form von Anleihen durch die Finanzmärkte, die gerne von Pensionsfonds und Banken aber auch von Privatinvestoren gekauft und möglicherweise wieder weiterverkauft werden.

Ein großer Irrtum in diesem staatlichen Geschäftsmodell dabei ist, dass Regierungen ihren Gläubigern, den Bürgern und Unternehmen weiß-machen wollen, dass die Risiken in den subsidiären Geschäftskreisläufen entstehen; dem ist nicht so. Denn in dem Moment, in dem eine Zentralbank, etwa die EZB, Geschäftsbanken oder auch den nationalen Notenbanken Geld leiht, hat dieser subsidiäre Kreditkeislauf begonnen und damit sind auch von dessen Anfang an gesehen die Regierungen bereits mit Geld versorgt. So versteht sich, dass eine Regierung keine Steuern in jedem Fall benötigt, um an Geld zu kommen. Eine Regierung kann prinzipiell immer an Geld kommen dadurch, dass indem sie neue Staatsanleihen an staatlich wie an private Gläubiger verkauft. Dieser Markt, an dem Staatsanleihen erstmalig verkauft werden, wird folgerichtig auch Primärmarkt genannt und abgegrenzt vom Sekundärmarkt oder wie wir sagen von einem subsidiären Markt, der so funktioniert wie Tochtergesellschaften in der Wirtschaft.

Wir benutzen deshalb lieber den Ausdruck Subsidiärmarkt, um die enge Verbindung von Regierungspolitik und Ökonomie herauszuheben. Die Politische Ökonomie ist also eine ökonomische Praxis, die auf dem Subisidiärmarkt (Sekundärmarkt) beginnt. Dies betonen wir auch deshalb so deutlich, weil die Politische Ökonomie damit auch bestimmt ist als ein Haftungsprinzip, das alle Bürger und privaten Körperschaften in einen - bislang zwar noch nicht rechtlich adäquat ausformulierten - Rechtsraum einschließt. Dieser Rechtsraum, in dem alle Gläubiger, also Steuerzahler, Unternehmen und Investoren zusammengefasst sind, ist ein Haftungsraum für alle Entscheidungen der Politischen Ökonomie eines Staates.

Nicht selten geschieht auf dem Subsidiärmarkt etwas, was man aus den Aktienmärkten nur allzu gut kennt, nämlich das sog. Window-Dressing16 . Für Regierungen übernimmt das in der Regel die Notenbank, die damit einen ganz wichtigen Beitrag im Finanzdiskurs eines Staates übernimmt. Damit will man die Haftungsrisiken herunterspielen, um vor allem die Subsidiärmärkte zu beruhigen. Dazu gehört als eine zentrale Maßnahme, dass die Notenbank zur Kurspflege Staatsanleihen kauft, um zu heftige Preisschwankungen auszugleichen, die durch Nachfrageschwankungen nach diesen Staatspapieren entstehen.

Eine Besonderheit - von vielen - in der Eurozone ist, dass im Rahmen moderner Finanzgeschäfte nationale Notenbanken und vor allem Geschäftsbanken sich Staatsanleihen durch Wertpapierleihen u.ä. ins Portfolio holen, um diese als Pfänder wie auch andere Papiere ihren folgenden Kreditausreichungen hinterlegen. Der Vorteil für die Banken dabei ist, dass sie an deren Stelle keine Eigenkapitalhinterlegung ausweisen müssen und es somit auch kaum eine wertmäßige Beschränkung der Ausgaben für Kredite in der Eurozone gibt.

Erst das Defizit findet in der Folge als Steuerungsgröße Eingang in das Zahlenwerk, das wir als Stabilitäts- und Wachstumspakt in Europa kennen.

Die von uns bereits angesprochenen Staatskrisen, allesamt Finanzierungs- bzw. Refinanzierungskrisen etwa in Irland und Griechenland weisen auf ein Problem hin, welches im Zusammenhang damit steht, dass Europa, anders als andere Volkswirtschaften keine rein nationale Veranstaltung ist, sondern ein transnationales Experiment, das Probleme, die bereits in nationalen Finanzierungsräumen existieren, extrem ausreizt.

Im Jahr 2015 musste der EZB-Rat eigentlich entgegen besseren Wissens die Vergabe von ELA-Krediten17 zur Abwendung einer Depositenflucht, die die Rettung Griechenlands an den Rand der Machbarkeit brachte, tolerieren. ELA-Hilfen werden von den jeweiligen nationalen Notenbanken bereitgestellt, allerdings auf deren eigenes Risiko hin. Das soll, vorausgesetzt die Solvenz der Bankinstitute ist gegeben, bei Geschäftsbanken zur Überbrückung kurzfristiger Liquiditätsprobleme dienen.

Die EZB hatte die Geldhäuser Griechenlands im Frühjahr 2015 von der regulären Geldversorgung abgeschnitten, weshalb sie viele Monate zur Liquiditätsversorgung fast ausschließlich auf ELA-Notkredite ihrer Athener Notenbank angewiesen waren; andernfalls wäre der griechische Staat schon früher in Konkurs gegangen, als dies geschah und, was im Ergebnis dazu geführt hätte, dass die Inhaber alter Schuldtitel erheblich viel weniger Vermögen hätten ins Ausland transferieren können, wozu vor allem französische, aber auch deutsche und andere europäische Institute zählten.

Man sieht bereits hier, wie innerhalb der europäischen Vernetzung der Institute wie in einem Dominoeffekt eins das nächste in den Abgrund zu ziehen in der Lage ist. Dahin versteht man ebenso, was mit dem "Weiterrollen" von Staatsschulden gemeint ist und den tieferen Sinn des Satzes:

"Wenn Banken ohne Marktzugang Schuldtitel ihres Staates kaufen, der ebenfalls vom Markt abgeschnitten ist, wenn sie dabei auf ELA zurückgreifen, dann wirft das erste Bedenken hinsichtlich einer monetären Staatsfinanzierung auf."18

Der Zugang zu den Finanzmärkten ist also von ganz entscheidender Bedeutung für die Finanzierung eines Staates und der Umweg, den ein "insolventer" Staat über seine Notenbank und in der Folge seinen Geschäftsbanken sucht, nicht immer ein Ausweg. Hinzu kommt, dass wie im Falle Griechenlands die Regierung für eine doch recht lange Zeit von mehreren Monaten fast ausschließlich auf ELA-Kredite seiner Notenbank angewiesen war, also eigentlich schon insolvent war, da das Land von den Finanzmärkten abgetrennt keine Refinanzierung des Haushaltes mehr hinbekam. Dies hieß damals aber zugleich auch, dass die griechische Notenbank den Spitzenfinanzierungszins von einem Prozent für Notkredite an die griechischen Geschäftsbanken nicht erheben konnte und der circulosus vitiosus von Kreditbedarf und Bankenkrise sich unendlich fortzusetzen drohte.

Allein die Tatsache, dass Griechenland Hilfen durch die EZB zu deren günstigsten Bedingungen bekam, führte dazu, dass das Volumen der ELA-Kredite leicht zurückging, Griechenland deshalb aber längst nicht aus der Krise heraus ist. Die ELA-Hilfen hatten während der Finanzkrise auch die Länder Zypern und Italien in Anspruch genommen und bei der Rettung des Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate (HRE) griff man auf die Extra-Liquidität der ELA-Kredite auch in Deutschland zurück.

Zypern ist aus den Schlagzeilen heraus, aber längst nicht gerettet. Italien dominiert die Schlagzeilen und rutscht immer tiefer in eine Staatskrise und die HRE ist im Prinzip kurz und bündig und in aller Verschwiegenheit verhökert worden auf Kosten der Bürger Deutschland. Mitte Mai 2018, also etwa Zehn Jahre nach der Rettung der Hypo Real Estate hat sich der deutsche Staat, fast komplett aus dem Nachfolge-Institut pbb Deutsche Pfandbriefbank zurückgezogen. Die HRE platzierte damals im Mai von vielen fast unbemerkt binnen weniger Stunden gut 22 Millionen pbb-Aktien bei großen Profi-Investoren wie z.B. dem Finanzinvestor Cerberus - what a name.

Mit dem Verkauf erlöste der in der Finanzkrise verstaatlichte ehemalige Immobilienfinanzierer nach eigenen Angaben rund 287 Millionen Euro. Die HRE hielt seit dem Börsengang der pbb vor knapp vier Jahren noch 20 Prozent an dem Institut, in das der gesunde Teil ihres Geschäfts abgespalten worden war, nun sind es noch 3,5 Prozent. Und dabei ist die Rettung und Verschleuderung eines deutschen Privatunternehmens ein Lehrbeispiel für die fatale Verwicklung der Politischen Ökonomie mit der Wirtschaft. Der Fall lehrt, wie mit immensen Steuermilliarden umgegangen wird.

Die Hypo Real Estate Holding GmbH (HRE) war eine seit 2009 verstaatlichte deutsche Bankenholding mit Sitz in München, die 123,98 Milliarden Euro Garantien zuzüglich 7,7 Milliarden Euro direkte Hilfe durch Kapitalmaßnahmen aus dem Finanzmarktstabilisierungsfonds (SoFFin) beansprucht hat. Die Gesellschaft war vormals die Hypo Real Estate Holding AG, die durch formwechselnde Umwandlung nach §§ 190 ff., 238 ff. UmwG mit Eintragung am 13. Dezember 2016 ins Handelsregister AG München in eine GmbH umgewandelt wurde, vor allem, um die zum HRE-Konzern gehörende Deutsche Pfandbriefbank und Depfa Bank, die in den Bereichen von gewerblichen Immobilienfinanzierungen sowie Staats- und Infrastrukturfinanzierungen tätig sind, aus der Schusslinie sprich Haftung für die Pleite der HRE zu bringen.

Aufgeteilt quasi in eine Bad Bank und eine Good Bank gehört die Hypo Real Estate Holding fortan dem Finanzmarktstabiliserungsfonds (FMS), einem Sondervermögen des Bundes, der zur Stabilisierung der deutschen Banken in der Finanzkrise 2008 gegründet worden war und heute von der Finanzagentur verwaltet wird.

Die ganze Umfirmierungs- und Rettungstrickserei hat die Deutsche Pfandbriefbank und die Depfa Bank wenig bis nichts, den deutschen Steuerzahler aber seit dem Börsengang der GmbH etwa 120 Mrd. Euro gekostet und Finanzinvestoren wie Cerberus an die Oberfläche des deutschen Bankensektors gespült, wo sie nun zu billigen Kosten und auf dem Rücken von Steuerzahlern zu Big-Playern geworden sind.

Angefangen mit einem maßlosen Chef, der es ermöglichte, dass eine Tochterfirma außer Rand und Band geriet, einer ignoranten Finanzaufsicht und folgenden rechtlichen Tricksereien wurde die Immobilienbank Hypo Real Estate bislang der teuerste Rettungsfall der deutschen Wirtschaftsgeschichte, wobei das Wort "Rettung" in diesem Zusammenhang ein Diminutiv größten Ausmaßes darstellt.



... als Pause: eine Stalker-Hymne ...

The Police ... Every Breath You Take
(Quelle Youtube)





Modern Monetary Theory - Teil III



Nach dem theoretischen Ansatz der MMT ist staatliche Verschuldung algebraisch formuliert privates Vermögen. Wenn Geld ein Ordnungselement ist, muss es auch mit allen anderen Ordnungselementen in einer Beziehung stehen, die als eine Lehre von den Gleichungen bzw. als eine Theorie der Verknüpfungen mathematischer Strukturen ausgelesen werden kann. In dieser Struktur übernimmt der Staat gewissermaßen den Einkauf von Gütern und Dienstleistungen sowie von allen Arbeitsleistungen seiner Bürger und gibt diese in Geldwerten als Einlagen bei seiner Zentralbank aus.

Der Staat steht somit in einer doppelten Funktion im Ordnungssystem des Geldes, insofern er Leistungen einkauft und deren Geldwert nach seinem Ermessen in Umfang und Zeit ausgibt. Hätte der Staat nur die Steuereinnahmen und müsste damit allein haushalten, sähe es trübe aus wie bei der schwäbischen Hausfrau, die von ihrem Ehemann jeden Tag ein Taschengeld bekommt, davon aber den gesamten Haushalt bestreiten müsste. In einem Staat funktioniert das nicht. Da bekommen alle Leistungsträger ihr Geld auf ihrem Bankkonto gutgeschrieben und der Staat gleicht diese Guthaben bei seiner Zentralbank dadurch aus, dass er die entsprechende Summe dort als eine elektronische Forderung der Zentralbank gegen sich kontiert.

Die Privat- und die Geschäftskonten werden also wie in jeder doppelten Buchführung nun als Verbindlichkeiten geführt. Das klingt schwierig, ist aber relativ leicht zu durchschauen; jedenfalls bis hierhin. Ersetzt man Leistungsträger (Personen und Körperschaften) durch Konten, dann hat eine Geschäftsbank ein Konto bei einer Zentralbank wie ein Bürger ein Konto bei seiner Geschäftsbank hat. Die Bürger haben also Forderungen gegenüber ihren Instituten wie diese gegenüber ihrer Zentralbank, während diese wiederum ihre Einlagen als Verbindlichkeiten gegenüber einer Regierung kontiert bzw. kontieren müsste auf eine Art, die die Verbindlichkeiten auch in dem Maß als 'vertragsgemäß' in einem Gläubiger-Schuldner-Verhältnis ausdrückt, dessen Einhalt auch gewährleistet ist; aber dies tut es fast nie.

Indem aber eine Regierung eine Verbindlichkeit gegenüber ihrer Notenbank eingeht, also dort ein Guthabenkonto für die Geschäftsbanken unterhält, damit diese die Leistungen der Leistungsträger bezahlen kann, hat sich die elektronische Bankbilanz gewissermaßen verlängert, oder, wie gerne zitiert wird, wurde Geld aus dem Nichts geschöpft. Während der Staat also seine Verschuldung erhöht, kommt es zu einer solcher Verlängerung der Kontenseite bei der Zentralbank und zugleich hat die Regierung jetzt weniger Forderungen als vorher gegenüber dem Institut, die also in dem Maße gesunken sind, wie die Verbindlichkeiten angewachsen sind und damit der Privatsektor zugleich auch über ein höheres Nettofinanzvermögen verfügt.

Das Ganze funktioniert also wie ein System der kommunizierenden Röhren, die von unterschiedlicher 'Dicke' sind und so den Eindruck erwecken, da in den unterschiedlichen Röhrer unterschiedlich hohe Wasserstände bestehen, die auch bei Zugabe von Wasser unterschiedlich hoch ansteigen, als würde auch unterschiedlich viel Wasser in die Röhren zufließen; das ist eine Sinnestäuschung. In diesem Zusammenhang muss man also den Satz verstehen: "Staatliche Verschuldung ist privates Vermögen"19 , insofern die Leistungsträger einer Volkswirtschaft (die Verkäufer) jetzt über mehr Geld auf dem Girokonto verfügen als vorher, zugleich aber keinem anderen Leistungsträger in der Volkswirtschaft die Menge an Giralgeld reduziert worden ist.

Es ist dies im Ansatz der MMT eine starke, direkte Verbindung von öffentlichen Schulden und privaten Nettofinanzvermögen, als jeder Euro, mit dem sich der Staat bzw. eine Regierung verschuldet, genau einen Euro an privaten Nettofinanzvermögen erzeugt. Wäre der Staat nicht so stark verschuldet, wären "wir" nicht so vermögend (Ehnts ebenda).

Ein kurzer Gedanke muss hier hier eingestreut werden. Ohne auf die vielfältigen Bestimmungsschwierigkeiten an dieser Stelle genau eingehen zu wollen, muss aber der Unterschied zwischen einer Zahlungsbilanz und einer Leistungsbilanz kurz skizziert werden. Ist die Zahlungsbilanz einer Volkswirtschaft eine zusammengefasste Größe über alle zwischen dem In- und Ausland erfolgten Transaktionen, so ist die Leistungsbilanz eine, in der Zahlungsbilanz enthaltene Teilbilanz, in der die Exporte von Waren und Dienstleistungen den Importen gegenübergestellt werden. Meistens wird in ökonomischen Zusammenhängen von der Leistungsbilanz im Sinne des BIPs gesprochen bzw. geschrieben und damit die wirtschaftliche Leistung einer Volkswirtschaft in einem bestimmten Zeitraum adressiert, also eher als eine "Stromgröße" verstanden.

Die MMT versteht in ihrer Grundkonzeption der doppelten Buchführung unter Staatsdefiziten oder -Guthaben keine "Stromgrößen". Für sie ist es wichtiger der Frage nachzugehen: wer verdient was und wer zahlt wieviel an wen? Das hat den Vorteil, dass die hohe Zahl an 'Unschärferelationen' im quantitativen Zahlenwerk der Ökonomik so weit wie es geht reduziert werden können und damit weniger auf die Ungleichheiten als Entitäten als auf deren Herkunft Wert gelegt werden kann.

So ist auch der Unterschied in der Vermögensverteilung der privaten Haushalte besser, da weniger ideologisch zu erfassen, wenn man erkennt, dass an einer steigenden Verschuldung eines Staates nicht alle Leistungsträger gleichermaßen partizipieren, gleichwohl die Verschuldung für alle gilt.

Neben den nicht-ökonomischen, was die Erfassung in quantitativen Größen angeht, die somit schwer zu erfassen sind, gibt es quantifizierbare Größen allenthalben. Eine davon ist z. B. die Steuerquote20 . Für das Jahr 2019 rechnet das deutsche Finanzministerium damit, dass der Schuldenstand des deutschen Staates im laufenden Jahr erstmals seit langer Zeit wieder unter die Maastricht-Grenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sinken wird. Bei der Bewertung der Steuerquote macht sich die gute Lage am Arbeitsmarkt genauso bemerkbar wie die deutlich gesunkene Zinslast im Staatshaushalt. "Die Zinsausgaben der öffentlichen Hand in Deutschland verringerten sich im Jahr 2018 auf nur noch 0,9 Prozent der Wirtschaftsleistung und damit auf den tiefsten Stand seit 50 Jahren", heißt es in einem Bericht des Ministeriums. Dieser zeigt, dass ein durchaus signifikanter Anteil der staatlichen Steuereinnahmen zulasten der Steuerzahler ging. Denn die Steuerquote - also der Anteil der Steuern am Bruttoinlandsprodukt - so der o.e. Bericht, ist im vergangenen Jahr "auf ein Hoch von 23,7 Prozent gestiegen", und das Ministerium rechnet im laufenden Jahr 2019 mit einer weiteren Zunahme auf 23,75 Prozent.

Nehmen wir die Position der MMT hier ein, dann hat die Bundesregierung die Leistungen der deutschen Leistungsträger bereits im letzten Jahr günstig eingekauft und will dieses Preisdumping auch fortsetzen.

Man erkennt daran recht deutlich, dass die Steuerquote ein wichtiger, quantitativer Gradmesser für die Analyse der Herkunft und der Größe (in Prozent) der Abschöpfung wirtschaftlicher Leistung ist. Steuern anzugeben in absoluten Zahlen ist also wenig sinnvoll wie Steuereinnahmen als Rekordeinnahmen oder - was selten vorkommt - als Steuerreform mit sinkenden Volumina zu vermelden wenig aussagekräftig sind. Dass ein Staat mehr einnimmt, wenn die Wirtschaft wächst, ist keine Überraschung und auch weder notwendig noch hinreichend. Wenn aber die Steuerquote steigt, macht das deutlich: Der Fiskus beansprucht von der gesamten Wirtschaftsleistung mehr für sich. Deshalb ist die Quote ein guter Indikator für die Belastung der Bürger und Unternehmen und gibt genau an, wer wen wie hoch belastet bzw. wer wieviel wem bezahlt.

Würde eine Regierung grundsätzlich steuergerecht Politik machen, müsste in wirtschaftlich guten Zeiten eigentlich die Steuerquote sinken. Im Jahr 2016 lag die Steuerquote in der BRD laut dem damaligen Stabilitätsprogramm bei 23,3 Prozent. Dann kletterte sie 2017 auf 23,5 Prozent, 2018 schließlich auf 23,7 und nun im laufenden Jahr voraussichtlich auf 23,75 Prozent. Was nach kleinen Abweichungen klingt, macht durchaus einen erklecklichen Unterschied in den Portemonnaies der Leistungsträger. Würde die Steuerquote wie politisch versprochen im Jahr 2019 nur von 23,75 auf 23,3 Prozent gesenkt, entspräche das einer Entlastung für den Steuerzahler von rund 15 Milliarden Euro.

Die Steuerquote kann also durchaus mit herangezogen werden zur Bewertung der fi­nanz­wirt­schaft­li­chen Ent­wick­lung eines Landes, weniger zur wirtschaftlichen Entwicklung selbst. Sie impliziert keinen Automatismus, sie impliziert als eine Kennziffer der Politischen Ökonomie das Verhältnis, dass eine Regierung zu ihren Leistungsträgern unterhält.

So ist es kein Zufall, dass die USA (19,8), Japan (18,6, 2015), die Schweiz (21,0) eine deutlich geringere Steuerquote ausweisen und mit Japan eins der höchst verschuldeten Länder weltweit darunter sich befindet.

Vergleicht man im Referenzjahr 2016 die Quoten der Schweiz und der USA mit denen Deutschlands, dann hätten die deutschen Leistungsträger mit der Steuerquote Schweiz etwa 100 Mrd. Euro, mit der der USA etwa 350 Mrd. Euro gespart. Vergleicht man Steuerquoten in einer Volkswirtschaft über mehrere Jahre oder mit denen anderer Volkswirtschaften, dann sagt das nicht, wie oben bereits vermerkt, etwas aus über die Frage, ob Steuerersparnisse auch gleich oder gerecht verteilt wurden; im Gegenteil. Gerade die Schweiz ist weltweit führend in der ungleichen Verteilung der Vermögen und die USA folgen da mit wenig Abstand.

Was wir unter der Steuerquote hervorheben möchten, ist die Beziehung zwischen öffentlichen Schulden und privaten Sparguten bzw. Nettofinanzvermögen. Wir bleiben im Bild der kommunizierenden Röhren und betonen an dieser Stelle noch einmal, dass jeder Euro an deutscher Staatsverschuldung im elektronischen Saldo genau einem Euro an privaten Nettofinanzvermögen entspricht. Geht man einen Schritt weiter im Gedanken, dann muss man einräumen, dass es wenig Sinn macht, gleichzeitig sparen zu wollen und Gewinne im Außenhandel erzielen zu wollen. Dass Deutschland das Land der Sparer und einer der Exportweltmeister ist, mag nun verwundern, widerspricht der eben notierten Einsicht nicht.

Geht man mit der Einteilung von privater Produktion und öffentlichen Schulden weiter an diese Salden heran, dann könnte der private Sektor der Produktion keine Außenhandelsüberschuss produzieren, würden die Leistungsträger einer Volkswirtschaft konsequent sparen; das ist leicht einzusehen und das haben wir ausführlich besprochen, inwiefern privates Investment, also die Liquidierung privater Vermögen zur Erwirtschaftung jeder Art von Gewinn notwendig ist.

Würde nun der Staat als Sektor der öffentlichen Produktion (nicht Verwaltung) die Stelle des "Sparers" einnehmen, insofern er einen nachhaltig ausgeglichenen Haushalt anstrebt, würden also Staat und Leistungsträger zugleich sparen, dann, und nur dann würde man im Saldo Vermögensabbau und Deflation feststellen müssen. Das bezieht sich auf eine isoliert betrachtete Volkswirtschaft und gilt aus Sicht der MMT um so mehr, wenn es um Wirtschaftsräume von unterschiedlichen Volkswirtschaften wie etwa der Euro-Zone geht.

Volkswirtschaftlich betrachtet sind die saldenmechanischen Zusammenhänge zwingend, da Liquidierung von Eigentum einen Faktor der Verschuldung in der privaten Produktion freisetzt, Produktion, ohne diesen Faktor, der auch das Gläubiger-Schuldner-Verhältnis grundlegt, ein Nullsummenspiel ohne Gewinn (und Verlust) wäre. Das gleiche gilt strukturell auch für eine Regierung und den Staatshaushalt.

Die asymmetrische Struktur dieses Verhältnisses ist es, das Wachstum und Rezession, Armut und Reichtum in Gang hält. Und zwar auf beiden Seiten, der privaten wie der öffentlichen Produktion. Der Staat verausgabt private Produktion, auch die, die noch gar nicht fertig produziert worden ist und schafft eben durch diese staatlichen Ausgaben elektronische Einlagen für die Verwertung im Wirtschaftskreislauf. Hauptsächlich dort, aber auch im Sektor des Privatkonsums durch Steuererleichterungen und staatlich finanzierte Programme des Sozialausgleichs wie etwa die "Mütterrente", das "gute Kitagesetzt" (niedliche Bezeichnung) etc. akkumulieren sich Teile der Staatsausgaben somit eben da, wo in der Regel Einnahmen über Ausgaben liegen.

Per Saldo summieren sich also auch die Staatsausgaben in einem asymmetrischen Verhältnis bei den Unternehmensergebnissen (Profiten) und den privaten Nettoersparnissen, deren Schnittmenge man durchaus auch als Vermögensaufbau bezeichnen kann, da Unternehmen, Management, Angestellte wie Rentner, Arbeitslose wie in Ausbildung sich befindende Bürger davon profitieren, was wir deshalb auch als Wohlstand einer Nation in Abgrenzung zur Wohlfahrt einer Nation analysiert haben.

Vermögen sind also eine Schnittmenge gebildet aus privater und öffentlicher Produktion und keineswegs allein Sache privaten wirtschaftlichen Erfolgs. Vermögen so wie sie in Industriegesellschaften nun mal sind als der Saldo einer Verteilung von Einkommen privater und rechtlicher Körperschaften (Erwerbstätige und Unternehmen) sowie von Ersparnissen, wozu auch Einkommen aus nicht-erwerbstätiger Beschäftigung zählen, haben also nur indirekt und potenziell mit der Geldschöpfung zu tun. Meist ist ein wenig unternehmerisches Geschick wie privates Wissen über Anlageallokationen von wesentlicher Bedeutung dazu.

Wir sehen, lange bevor es Zentralbanken und staatliches Geld gab, waren die asymmetrischen Strukturen zwischen Einkommen und Vermögen sichtbar. Moderne Geldschöpfung und Verteilungsgerechtigkeit stehen in keinem Zusammenhang. Deshalb ist auch wenig hilfreich, wie bereits dargelegt, sich einer historisierenden Perspektive des Geldes zu bemühen. Stets aber gab es Löhne und Steuern und stets war damit auch ein Zusammenhang angesprochen, den wir Politische Ökonomie nennen.

"It is thus impossible to separate the theory of money from the theory of the state"21 hebt den Schleier vom Gesicht der Neoklassik, die nur allzu gerne Geld als einen neutralen Faktor und nicht als einen wesentlichen Träger der Politischen Ökonomie veranschlagen möchte. Diese apolitische, "neutrale" Sichtweise verkennt nicht nur, dass eine Theorie des Geldes nicht von einer Theorie des Staates, Ökonomie nicht von Politik zu trennen ist. Und wie sehr beide verwoben sind, zeigt die Euro-Zone. Darin wird auch sichtbar, dass allein der Hinweis darauf, dass asymmetrische Strukturen länderübergreifend weder logisch noch finanzmechanisch zu verschleiern sind, dass Zahlungsbilanzüberschüsse, also Mehreinnahmen im Export gegenüber einem anderen Land zumindest auf mittlere Sicht qua Wechselkursanpassung "weg-arbitriert" werden können. Wer dies glaub, befindet sich auf einen fatalen Holzweg und verklärt einen vergangenen Zustand, als Italien etwas schneller 'arbitrierte' als Wechselstrom seine Spannung änderte.

Wechselkursanpassungen behalten stets das immanente Risiko und transportieren es weiter in die Zukunft. Außenhandel ist keine risikofreie Angelegenheit wie auch die Gründung und Finanzierung eines Unternehmens. Ohne Risiko geht es nicht und deshalb sind auch Außenforderungen, also Guthaben gegenüber einer anderen Volkswirtschaft keine risikofreie Angelegenheit. Sie stehen in den Büchern, in den Bilanzen als disponible Guthaben, aber wer glaub, er hätte dieses Geld bereits in der Tasche ist ein Träumer.

Das ist der intellektuelle Vorteil der MMT, die von buchhalterischen Kriterien wie Forderungen und Verbindlichkeiten und nicht von buchhalterischen Größen, also von Konteneinträgen als faktische Geldvermögen ausgeht.

Vordergründig erscheint es, als könnte man die Asymmetrie zwischen den Volkswirtschaften durch Wechselkursanpassungen weg-arbitrieren, also ausgleichen. Solche bilanz-disproportionalen Unterschiede wie etwa die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft, das Vertrauen der Märkte, das branchenübergreifend besteht, also so etwas wie ein "Goodwill" eines Unternehmens u.a. können nicht ausgeglichen werden, indem man Geldwerte länderübergreifend annähert. Nur eine stark verkürzte Sichtweise war zufrieden damit, wenn in Europa und fast überall auf der Welt die Wechselkurse sich immer und wieder neu anpassten, sich aber in der Produktion, im Wettbewerb und bei allen anderen bilanz-disproportionalen Faktoren nicht geändert hat.

Dieser Unterschied wird deutlich sichtbar, wo Wechselkursanpassungen nicht möglich sind und ein zwar einheitlicher Währungsraum besteht, nicht aber eine in sich geschlossenen Volkswirtschaft mit einer gemeinsamen Politik, gemeinsamen Steuern und zentral gesteuerten Staatsausgaben wie in der Eurozone. Dort, so sehen wir tagtäglich, bestehen trotzt erheblicher, politischer Anstrengungen der Anpassung Ungleichgewichte, die so erheblich sind, dass lediglich von einem politischen Management dieser Ungleichgewichte die Rede sein kann; eine Lösung der Probleme aber in weiter Ferne liegt und durch die Rede von einer vermeintlichen Lösung durch Einführung von unterschiedlichen Währungen mit den Möglichkeiten der folgenden Wechselkursanpassungen nicht nur das Experiment der Europäischen Union beendet wäre, sondern auch mehr als erhebliche Zweifel übrig bleiben, ob denn dies Unterfangen überhaupt einen Sinn machte und theoretisch begründet wäre.

Was immer wieder in die Diskussion gerät und dort die größten Widerstände auslöst ist die Frage nach europäischen Staatsanleihen. Die Erfahrung der Euro-Zone lehrt, dass anscheinend eine Währung allein und eine Zentralbank für alle Euro-Staaten nicht ausreicht. Eigentlich geht die Diskussion schon seit der Einführung des Euros bis heute in einem krassen Pro und Kontra um diesen Punkt. So sind einige der Experten der überzeugten Auffassung, dass die Euro-Zone zügig sich aufmachen sollte, ein europäisches Finanzministeriums aufzubauen, das dann auch in der Lage sein sollte, europäische Staatsanleihen aufzulegen mit dem Ziel, so für ausreichende Beschäftigung zu sorgen; aber das war von Anfang an höchst umstritten.

Im europäischen Experiment wären ein Finanzministerium sowie ein neuer Markt an europäischen Anleihen nicht nur aufwendig und theoretisch unsicher in seinen Auswirkungen. Wenn es schief ginge, wie hoch wäre der Schaden und wer trüge die Verantwortung? Leichter ist es da mit der vergleichenden Analyse, ob denn überhaupt eine Beziehung besteht zwischen dem Arbeitsmarkt und den geldpolitischen Entscheidungen einer Notenbank?

Ausgangspunkt dazu ist die Erfahrung, dass nationale Regierungen in Zeiten abnehmender Kaufkraft oder abnehmender Nachfrage, die in Richtung einer Krise verlaufen, diesen, ganz im Sinne von Keynes durch Erhöhung der Staatsausgaben stabilisierend entgegenwirken können und schlussendlich dadurch Massenarbeitslosigkeit beherrschbar bzw. vermeidbar ist. Geldpolitische Markteinwirkungen frühzeitig angefahren haben zudem den Vorteil, dass damit präventive Wirkung erzeugt werde, da die Effekte auf den Arbeitsmärkten in relativer Verzögerung auftreten und auch einigermaßen gezielt beschlossen werden können, also steuerbar sind. Abwrackprämien haben das für die deutsche Automobilwirtschaft bestätigt.

Aber ist das wirklich so einfach? Eine Erhöhung der Staatsausgaben ist strukturell betrachtet ähnlich einer Abwertung der Währung. Macht eine Regierung die Produkte ihrer Leistungsträger billiger, wertet sie ab. Dieses Instrument der Krisenbekämpfung ist nur eins, das den Mitgliedern der Euro-Zone nicht zur Verfügung steht. Deshalb steht auch von Beginn der Euroeinführung an die leidenschaftliche Auseinandersetzung im Raum um die Frage, wie denn jene Staaten der Euro-Zone sich aus einer Krise befreien können sollen, wenn sie über keine, für sie selbst und von ihnen selbst einsetzbaren wirtschaftspolitischen wie auch geldpolitischen Instrumente verfügen?

Das politische Gießkannenprinzip einer durch die EZB allein verfügten Geldpolitik für die gesamte Euro-Zone könne gar nicht zeitlich, dem Volumen nach und sektorspezifisch wirken. Im Prinzip führte dieser Streit dazu, dass Länder zwar der EU, nicht aber dem Euro beitraten. So Großbritannien, Schweden und Dänemark. Schauen wir auf diese drei Länder, dann sehen wir, dass sie, die die Eurokrise innerhalb der EU aber außerhalb der Eurozone verbracht haben nur im Durchschnittsvergleich bessere Arbeitslosenquoten aufweisen. So lagen die Anfang 2017 bei 4,7% (GB) bzw. 6,8% (SE) und 5,7 (Den) gegenüber 9,1% in der Eurozone ist es schon methodischer Unfug, einzelnen Länder mit einem Durchschnittswert von 19 anderen Ländern zu vergleichen, so liegen auch alle Bewertungen und Schlussfolgerungen daraus auf dem gleichen intellektuellen Niveau.

Betrachtet man allein nur die drei Länder mit einzelnen anderen Ländern der Eurozone und dies zum gleichen Zeitpunkt wie auch über einen Zeitraum von 18 Jahren, dann wird man sehen (wir haben darüber ausführlich gehandelt), dass diese scheinbar logische Demarkation zwischen Euro- und Nicht-Eurozone nicht hinreicht. Eine ganze Reihe von Ländern standen mit ihren Arbeitslosenquoten besser da, als die drei Nicht-Euro-Länder22 . Wenn also der Euro nicht prinzipiell einen Unterschied in der Arbeitslosenquote bedingt, wenn zudem die geldpolitischen Maßnahmen der EZB wie die geldpolitischen Maßnahmen der drei und aller anderen EU-Staaten strukturell zu ähnlichen Ergebnissen führten, nämlich dass einige Länder davon besonders, einige davon weniger profitiert haben, was macht dann den Unterschied aus, der ja sichtbar ist?

Da ist zuerst einmal die Einsicht, dass Notenbankpolitik, so sie überhaupt ursächlich ist für Arbeitsmarkteffekte und so sie auf unterschiedliche Volkswirtschaften einwirkt, auch innerhalb einer Wirtschaftsgemeinschaft, unterschiedliche Ergebnisse zeitigt. Es kommt eben auch hier zu den o.e. asymmetrischen Effekten, die sich nicht einfach weg-arbitrieren lassen. Nehmen wir also diese Effekte, dann schneidet die Eurozone gegenüber den drei EU-Mitgliedern, ohne den Euro gar nicht so schlecht ab.

Was Kritiker und Experten im Verein mit Populisten aus Politik und Medien gerne übersehen, ist, dass in Deutschland schon mit Prof. Lucke und Herrn Henkel, in Frankreich mit M. Le Pen, in Holland und anderswo unter Zuhilfenahme der Euro-Diskussion eigentlich einen anti-europäische Idee verfolgt wurde, deren nationalistische Ausprägung erfolgreich im Brexit und mit der Präsidentschaft von Donald T. sich realisierte, weitere populistische Parteien bis heute erstarken hilft.

Zu diesen politischen Auswirkungen und den akademischen Unbedachtheiten gesellte sich noch ein finanzwirtschaftlicher Effekt, nämlich die offensive Spekulation gegen die Euro-Krisenländer, zuletzt gegen Griechenland, die die als PIIGS (Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien) und neuerdings sogar als GIPSIZ (Griechenland, Irland, Portugal, Spanien, Italien und Zyperns) gebrandmarkten Wirtschaften obendrein noch für schuldig erklärten ob der geldpolitischen und arbeitsmarktpolitischen Krisen dieser Länder; wie nahe Politik und Geld sich mittlerweile gekommen sind, mag auch dieser Zusammenhang bestätigen.

Die so gebrandmarkten 'Pigs und Gipsiz' legten den Grundstein für das Erstarken des Nationalismus, des Protektionismus und Unilateralismus gegen die vernetzten und kooperativen Formen der globalen Wirtschaft, schädigen nicht nur diese, sondern vor allem die Schwellenländer und Emerging Markets und nicht zuletzt sich selbst; ganz vorneweg GB und die USA. Aber was bleibt in der Sache?

Nicht viel. Die krude Behauptung, der Euro teilt die Staaten in hoch verschuldete und nicht verschuldete, kann nicht gehalten werden. Die schwedische Regierung kam, ohne in eine Finanzkrise zu rutschen, durch die schwierigen Zeiten nach der internationalen Finanzkrise. Schwedens Staatsverschuldung war 2008 mit 36,76 Prozent vom BIP nicht sonderlich hoch, stieg 2014 auf ihren Höchststand von 45,54 Prozent, um bis 2018 wieder auf 38,03 Prozent vom BIP zu fallen. Das bei diesen Proportionen auf den internationalen Finanzmärkten kein Zweifel an der schwedischen Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft aufkam, wundert nicht. Und kann damit auch nicht als Argument gegen den Euro bzw. die Eurozone herangezogen werden; welch ein logischer Unsinn!





Ob nun Schweden in eigener oder in fremder Währung verschuldet ist, spielt auf den Finanzmärkten so überhaupt keine Rolle. Anders sieht es für GB aus. Hier stieg die Staatsverschuldung zwischen 2008 und 2018 von 49,92 auf 86,34 Prozent, blieb auch nach dem Brexit-Votum auf diesem Niveau und nahm sogar nominell kontinuierlich zu. Der Unterschied zu Schweden ist signifikant. Und auch für GB gilt, die Nicht-Zugehörigkeit zur Eurozone hat sich für GB über die letzten zehn Jahre nicht ausgezahlt; im Gegenteil. GB liegt sowohl über dem EU wie auch über dem Eurozonen-Durchschnitt und dabei sind die Länder Italien und Griechenland dort enthalten, was den Durchschnitt erheblich beeinflusst. Eine negative Beziehung zwischen Euro und Vertrauen der Finanzmärkte zu konstruieren, scheint doch ein wenig abwegig, zumindest so einfach nicht.



GB ist ein Lehrbeispiel dafür, dass die Volkswirtschaften in Europa, was Zweifel an der Zahlungsfähigkeit und Zahlungsbereitschaft auf den internationalen Finanzmärkten angeht, besser darin beraten sind, einem größeren Wirtschaftsraum anzugehören. Und die Eurozone hat durchaus vergleichbare Schwierigkeiten bei der Staatenfinanzierung wie europäische Staaten, die nicht der Eurozone angehören. Eine Erklärung für positive wie negative Unterschiede muss also in einem erweiterten Zusammenhang zu suchen sein; einfache Erklärungen helfen dabei nicht.

Wir haben gesehen, dass Japan wie übrigens auch GB, gleichwohl wir von einer recht unterschiedlichen Größenordnung der Staatsverschuldung sprechen, insofern strukturell vergleichbar sind, also beide, die japanische Regierung wie die Großbritanniens in London in eigener Währung verschuldet sind, was sich für die Refinanzierbarkeit von Staatsschulden enorm günstig auswirkt. Vergleichen wir die Politik der EZB mit der von nationalen Notenbanken, dann erkenn wir, dass beide strukturell fast identisch handeln. Nach traditioneller Lehrmeinung, was den Keynesianismus wie den Monetarismus betrifft, handeln nationale Notenbanken dann richtig, wenn sie im Krisenfalle bereit sind, Staatsanleihen ihrer Regierungen in unbegrenztem Maße aufzukaufen. Das tat Draghi ab seinem: "what ever it takes!"

Dieser Kauf von Staatsanleihen durch Notenbanken läuft natürlich bargeldlos indem Notenbanken den Verkäufern auf elektronische Art Einlagen auf ihren Konten bei sich gutschreiben. Das meint Geld schaffen aus dem Nichts, insofern es per Mouseclick bereits in einem Schritt vorher erzeugt wurde als eine Kontengutschrift einer Finanzagentur, die im Auftrag ihrer Regierung Staatsanleihen emittiert hat und sich dazu der Dienste einer Geschäftsbank bedient hat. Welchen Weg in den einzelnen Ländern auch die Emission von Staatsanleihen auch nehmen, stets wird eine Gutschrift einer Kontenverbindlichkeit gegenüberstehen; neues Konto, neues Geld. Und solange eine Finanzagentur oder ein ähnliches Institut im Regierungsauftrag, ob national oder europäisch, Konten eröffnen kann, solang sollte ihr Geld niemals ausgehen können, da sie es ja qua Mouseclick erzeugt.

Diese mysteriöse Konten- und Geldvermehrung wird und wurde von allen Seiten auf das härteste bekämpft und dabei wird aber zunächst einmal übersehen, dass auch mit den Finanzagenturen und in der Folge der Anleihen aufkaufenden Notenbankenkonten Gläubiger-Schuldner-Verhältnisse erzeugt werden, also nichts anderes als neue, rechtlich bindende Wirtschaftsvorgänge, die wie in der Realwirtschaft alle Marktteilnehmer wissen lassen, dass Verbindlichkeiten ausgeglichen werden. Hier, dass alle Marktteilnehmer, die Staatsanleihen kaufen, diese auch an die Notenbanken wieder zurück verkaufen können.

In diesem Rechtsverhältnis ist selbstverständlich der gesamte Marktmechanismus der westlichen Marktwirtschaften enthalten, also auch das Ausfallrisiko in einem begrenzten Maße sowie, ganz wichtig für Finanzmärkte, die Liquidität der Anleihen, also das Marktvertrauen. Staatsanleihen von Staaten ohne Marktvertrauen werden kaum gehandelt, sind also nicht marktgängig bzw. liquide. Wer solche Anleihen kauft, erhält in der Regel einen höheren Zins für das Risiko, das er mit dem Kauf auch rechtlich eingeht.

Was viele Marktteilnehmer bis zur Griechenlandkrise anscheinend glaubten war, eine westliche Volkswirtschaft kann nicht "Pleite gehen", also einen Teil ihrer Verbindlichkeiten nicht ausgleichen; geirrt. Der Irrtum lag daran, dass durch die Mitgliedschaft in EU und Eurozone die Zinsen für Griechenland Durchschnittszinsen waren und also auf einem Niveau, welches den Marktteilnehmern nicht plakativ signalisierte: Vorsicht Risiko!

Wo kein Ausfallrisiko existiert, gehen selbst in Zeiten schwerer Krisen die Zinsen von Staatsanleihen mittlerweile kaum, und wenn, nur kurzfristig in plakative Höhen, in der Mehrzahl der Fälle aber nicht; im Gegenteil. In Krisenzeiten, wenn Staaten ihre "Titel" emittieren, gehen die Zinsen sogar eher runter. Dann fallen auch die Renditen im Markt und die Kurse steigen in einem mittleren Zeithorizont, also je länger die Laufzeiten der Anleihen sind, sie sich also bereits auf dem Markt befinden.

Dieser Marktmechanismus gilt aber nicht nur auf staatlicher Ebene. Das wollen die vehementesten Kritiker der Eurozone den Märkten weismachen, dass nationale Währungssysteme gegenüber dem Euro-System, welches ja ein übernationales ist, deutlich überlegen sind. Aus dieser Annahme heraus argumentierten sie gegen den Euro und gegen die Eurozone mit dem Hauptargument, dass allein nationale Volkswirtschaften einen optimalen Währungsraum und damit Währungsstabilität bieten könnten. Und wie wir bereits vorher ausgeführt hatten, war es nicht verwunderlich, dass diese Kritik gerade aus den Lehrstühlen der US-Ökonomik lautstark vertreten wurde. Und auch nicht ganz zufällig erschien die Kritik auf der akademischen Bühne, als der Euro sich als Konkurrenzwährung zum US-Dollar entwickelte.

So standen und stehen bis heute zwei Lehrmeinungen gegenüber, die eine, die das Euro-System als hoffnungslos unterlegen sieht gegenüber nationalen Währungsräumen, die andere, die an die Effizienz der Märkte glaubt und daran, dass im Euro-System bei asymmetrischen Problemen, diese Länder auch in einer asymmetrischen Art und Weise betroffen sein werden und nicht die gesamte Wirtschaftszone.
Ehnts (2017), der die schöne Zusammenfassung der MMT formuliert hat, irrt sich in diesem Punkt doch gewaltig: "Die Basis dafür war die Theorie optimaler Währungsräume, auf deren Grundlage allerdings die US-Amerikaner den Euro ablehnten und die Europäer den Euro befürworteten. Im Nachhinein ist klar: die US-Ökonomen lagen richtig."
Woran er dieses Urteilt knüpft, wird nicht ersichtlich. Und eigentlich hätte er es doch besser wissen können aus dem theoretischen Ansatz der MMT, den er doch so gut kennt.

Darin wird auch die Frage nach dem, was die Zinskosten auf den Kapitalmärkten bestimmt, gestellt und die Antwort fällt eindeutig aus: "Gelingt es aber, winkt die Belohnung in Form einer dauerhaft besseren Einschätzung des Landes auf dem Kapitalmarkt, also besserer Bonität, niedrigerer Zinskosten und im Gefolge stärkeres Wirtschaftswachstum, jedenfalls langfristig. Je härter dabei der Test, desto größer der Gewinn an Glaubwürdigkeit. Es ist gewissermaßen ein Aufstieg in eine höhere Liga des Finanzmarktvertrauens." (Paqué 2015:)23

Weder Euro noch der Referenzzinssatz, weder BIP noch Steuerquote, nicht einmal die Staatsverschuldung nominell noch in Prozent vom BIP allein aber bedingen das Finanzmarktvertrauen, da Zinsen im Wirtschaftsprozess Kosten sind, Kosten auf einer Seite, nämlich der des Schuldners, auf der aber, weil dort Zinskosten anfallen, auch Kontogutschriften verzeichnet werden und diese Gutschriften in Höhe der Kreditsumme sind strukturell gleich wie "deficite spendings", also Staatsausgaben, die ihren Weg über die Geschäftsbanken in die Realwirtschaft finden. Und dass die MMT gerade an diesem Punkt das japanische Beispiel ins Spiel bringt, wo die Staatsschulden etwa 238 Prozent vom BIP, die Zinsen für Staatsanleihen beinahe bei Null liegen und die Arbeitslosenquote bei lediglich 2,8%, also noch deutlich unter der Deutschlands und der USA, macht das Beispiel so plakativ.

Alle diese Werte wären nicht so, wäre das Vertrauen der Finanz- bzw. Kapitalmärkte in Japans Wirtschaft und Politik nicht so hoch. So hoch bedeutet, dass die Märkte keinen Anlass für ein Ausfallrisiko ihrer Investitionen sehen. Kapitalgeber haben eines gemeinsam, sie investieren für vorläufige Wirtschaftstätigkeiten, also im Voraus und damit auch in einer Zeit, die selbst in wirtschaftlich schlechten Zeiten auf eine Erholung oder Verbesserung setzt. Dieses vorlaufende Vertrauen kann man logisch und kategorial nicht bestimmen. Es bildet sich aus einer Vielzahl von einzelnen Elementen und Kapitalmarktdiskursen, bei dem nicht nur harte Wirtschaftsdaten eine entscheidende Rolle spielen.

Wir haben bereits die Wettbewerbsfähigkeit und die Bereitschaft und Fähigkeit zur technisch-technologischen Innovation erwähnt. Natürlich sind das Bildungssystem eines Landes von eminenter Bedeutung, die vorhandenen Infrastruktur wie natürlich auch das politische System und nicht zuletzt die kulturelle Entwicklung des Landes; wir kommen auf alles das zu einem späteren Zeitpunkt noch ausführlicher zu sprechen. Wir halten hier nur kurz fest, dass es Länder in Afrika gibt, die eine Staatsverschuldung vom BIP deutlich unter vierzig Prozent ausweisen, eine stabile wirtschaftliche Entwicklung und andere positive Kriterien, die aber doch kaum Zugang zu den Finanz- und Kapitalmärkten finden; zu Unrecht.

Wir haben an verschiedenen Stellen bereits ausgeführt, dass Zinsen auf unternehmerische Investitionstätigkeiten durchaus positiven wie negativen Einfluss ausüben können, je nachdem, ob sie steigen oder sinken. Zinskosten allein machen natürlich noch kein gutes Investitionsklima. Die Kritik der MMT an Paqué richtet sich entsprechend auch an die heute heftigst umstrittene These, ob niedrige nominale Zinskosten tatsächlich positiv auf das Wirtschaftswachstum und im Gefolge dessen auf die Arbeitsmärkten einwirken. Folgt man den Argumentationen pro und contra der These, wird man gewahr, dass es stets dabei um die Unabhängigkeit der Notenbanken geht. Genau gesagt geht der Streit um die Zinsen parallel mit dem Streit um die Beziehung zwischen Politik und Geld (Notenbank), also der Frage, wie nah diese Beziehung überhaupt sein sollte, sein darf.

Dass der derzeitige Präsident der USA lauthals und kontinuierlich niedrige Zinsen fordert und keine Scheu dabei entwickelt, sich öffentlich in die Belange der Fed bis hin zu Personalfragen einzumischen, ist nicht der Auslöser, aber eine Folge dieses akademischen Streits. Also ist es kein Zufall, dass am Sitz der weltweit einflussreichsten Notenbank und der weltweit einflussreichsten, akademischen Ökonomen sich die Frage nach den Zinsen als eine hoch politische Frage herausstellt.



In diesem Streit exponieren sich die Vertreter der MMT und der französische Ökonom Thomas Piketty wie vornweg die amerikanischen Notenbanken und Ökonomen Olivier Blanchard und Lary Summers. Ursache des Streits ist wie so oft, dass die Empirie sich fortentwickelt von bewährten Modellen der Ökonomie. Bewährt mein in diesem Zusammenhang einen Zeitraum von knapp dreißig Jahren, denn solange lediglich behaupten die wichtigsten Notenbanken der Weltwährungssysteme ihre Unabhängigkeit; längst aber nicht alle. In der Sache darf man die Geldpolitik der letzten dreißig Jahre auch als in die Krise geraten betrachten. Die Koordinaten der Geldpolitik, die Wirkungen der Referenzzinsen auf Wachstum und Arbeit haben sich sichtbar verschoben. Und dies nicht in den Schwellenländern, sondern geradezu im Herzstück der modernen Geldpolitik, in den entwickelten Volkswirtschaften.

Wir haben ausführlich beschrieben, wie schwer sich die Notenbanken, vor allem die Fed damit tut, überhaupt noch eine wirksame Geldpolitik zu formulieren in einer Welt, die zugleich aus niedrigem Wachstum, niedrigen Zinsen und niedriger Inflation besteht. Dieser, aus ökonomischer Sicht alogische Dreiklang ist zudem keine vorübergehende kurze, atypische Phase, sondern ein durchaus dauerhafter Zustand und kann somit nicht als sonderbares Ereignis, das vielleicht sogar als Ausnahme noch die Regel bestätigt in die akademischen Lehrbücher abgeheftet werden. Um eins vorweg zu nehmen, der akademische Diskurs scheint langsam zu der Einsicht zu kommen, dass er einer Theorie der Politischen Ökonomie nicht mehr ausweichen kann.

Während die MMT also in diesem Streit die Grenzen zwischen Finanz- und Geldpolitik ganz einreißen will, also eine Politische Ökonomie fordert, bei der nicht nur die Unabhängigkeit der Notenbanken zu Fall gebracht werden, fordern die o.g. Notenbanker und Ökonomen eine Art der Kooperation zwischen beiden Bereichen, Politik und Geld bzw. Finanz- und Geldpolitik. Eins scheint schon geopfert, die Trennung beider Bereiche und wie stets wird die Dialektik als neues Denken berufen, nun als eine Form der Kooperation zwischen Banken und Politik, die nicht ganz zu Unrecht von der MMT als Augenwischerei bereits tituliert wurde.

US-Ökonom Larry Summers, der prominenteste Vertreter dieser These von einer engeren Kooperation zwischen Geld- und Finanzpolitik kommt nicht umhin einzuräumen, dass der Staat allein deshalb mit seinen Ausgaben künftig eine größere Rolle spielen muss, weil es den Notenbanken bei niedrigen Zinsen im Verein mit niedriger Inflation und niedrigem Wachstum nicht mehr gelingt, viel, wenn überhaupt noch etwas auszurichten. Damit eröffnet er in der Kooperation zwischen Geld und Politik aber keinen Lösungsweg, sondern verkennt, dass er damit die bereits bestehende Verschränkung von Politik und Geld als praktisch wirkungslosen Versuch bestätigt.

Dem folgen Blanchard mit seiner Auffassung, dass Notenbanken, speziell in den USA und in Deutschland, also in Ländern mit einer aktiven Finanzpolitik oder einer aktiven Exportpolitik in einer Zeit niedriger Zinsen eine höhere Verschuldung riskieren sollten, deutlich höher als bisher (in Deutschland z.Zt. ca. 60% /BIP, USA ca. 90%). Und klang dies bis hierher schon wie MMT, dann bestätigt dies auch seine Auffassung, dass die steigenden Nettoverschuldungen der Staaten in dem Maße erfolgen sollen, wie der Überschuss privater Ersparnis aufzufangen in der Lage ist.
Nun da alle theoretischen Hemmnisse zur MMT gefallen sind, fragt man sich, wo ist denn nun noch der Unterschied zu der Auffassung, die Grenzen zwischen Geldpolitik und Finanzpolitik gänzlich freizugeben und dem japanischen Beispiel so weit zu folgen, die Staatsschulden mindestens bis zur Höhe der privaten Ersparnisse ansteigen zu lassen?

Piketty kehrt das Ganze einfach um und behauptet, das enorme Wachstum in Europa und den USA, das nach dem Zweiten Weltkrieg die entwickelten Industriegesellschaften beglückte, sei so wie so lediglich als eine Ausnahme in der Theorie zu betrachten, also als ein logischer Einzelfall und demonstriert damit, wie weit die Ökonomik noch von einer Theorie der Politischen Ökonomie entfernt ist.

Europa und die USA gründeten ihre Wachstumsraten nicht auf einen historischen Zufall; wer das glaubt, glaubt auch an den Klapperstorch. Ernst wird es, schaut man hinter die Kulissen dieser theoretischen Auffassungen. Sie glauben zunehmend mehr und lauthals, dass der o.e. Dreiklang von niedrigen Zinsen, Wachstum und Inflation sowie daraus folgender, drohender Massenarbeitslosigkeit heute aus dem Zusammentreffen einer überalterten Bevölkerung mit zu hohen Ersparnissen und zu geringen Investitionen des öffentlichen und des privaten Sektors bestehen, wobei die Sparsumme und die Alterspyramide die Investitionszurückhaltung bedingt. Fatale Erinnerungen werden dabei wach, geht es doch fast schon wieder Menschen, die zu lange leben und auch noch privates Geld der Ökonomie vorenthalten an den Kragen. Zynisch könnte man meinen, man nehme den Alten ihre Ersparnisse und gebe sie der Wirtschaft, dann erledigt sich auch mittelfristig die verkehrte Alterspyramide; verkehrt, weil ökonomisch ausgeschiedene Menschen auf dem Rücken ökonomisch aktiver existieren - Ökonomie als Lebensborn. Das ist bei weitem nicht das japanische Modell.

Natürlich nimmt man den Alten die Ersparnisse nicht einfach weg; dafür gibt es heute scheinbar sozial-verträglichere Methoden. Entwickelte Volkswirtschaften könnten doch, die Verschränkung von Geld und Politik vorausgesetzt, die Staatsschulden generell erhöhen und damit auch besonderen Druck auf jene Regierungen aufbauen, die sich in wirtschaftlich guten Zeiten mit sogar Minuszinsen bei Bundesanleihen, wie etwa Deutschland, den Investitionswünschen reserviert gegenüber zeigen. Druck, der spätestens dann sich dramatisch erhöht, wenn diese entwickelten Länder selbst in eine Krise geraten. Dann zieht auch nicht mehr das Argument einer Zinsfalle, also einer zur Gegenwirkung verschränkten Geld- und Finanzpolitik, die sich dann wie in Europa in steigenden Salden der Target-Konten niederschlägt - wir kommen darauf zurück.



Modern Monetary Theory - Teil IV



Die MMT fällt an vielen Stellen ihrer Theoriebildung in den alten Duktus derer, von denen sie sich doch nur zu gerne klar absetzen möchte. Wie die Ökonomik bislang geht auch die MMT den kategorial-logischen Dreiklang ein: Zinsen, Wachstum und Arbeitsmärkte bedingen einander. Das wäre theoretisch schön, stimmt das, denn bedeuteten hohe Zinsen zugleich auch ein hohes bzw. positives Wachstum mit sinkender Arbeitslosigkeit.

Wenn man aber keine adäquate Vorstellung von global vernetzter Produktion hat, kann man sich einen Bruch dieser logischen Verknüpfung auch nur als rein zufällig vorstellen. Es entspricht eben nicht den Tatsachen, dass in stark exportgetriebenen Volkswirtschaften niedrige Zinsen "eher ein Anzeichen für wirtschaftliche Stagnation oder gar Deflation" (Ehnts 2017, S. 94) sind; allein Deutschland mag hierfür die Bestätigung sein. Aber nicht nur der Export allein kommt hierbei zum Tragen. Die Mitgliedschaft in der EU und in der Eurozone tragen ein Übriges bei.

Die Idee des europäischen Experiments aber ist verkannt, legt man den Duktus theoretischer Aussagen aus der Zeit der frühen bis mittleren Phase der industriellen Produktion über die Tatsachen der späten Phase wie der beginnenden, postindustriellen Produktion, in der sich die westlichen Volkswirtschaften heute befinden und die wir durch die Begriffe: Globalisierung und Digitalisierung umschreiben.

Da die MMT diesbezüglich eine gewisse theoretische Unschärfe mit sich herumschleppt, wechseln im Absatztakt interessante, teils wegweisende Aussagen sich mit kruden und überholten Behauptungen ab. So gehört es nicht zur Idee des Euro, "Krisenländer durch höhere Zinsen zu bestrafen" (Ehnts a.a.O). Wäre dies der Fall, wären die europäischen Krisenstaaten allesamt bereits wirtschaftlich mausetot; das Gegenteil aber ist der Fall. Die Krisenstaaten erfreuen sich bester Gesundheit, sind aber alle, vor allem Griechenland durch die EZB alimentiert und durch haushaltpolitische Auflagen über den Maastricht-Vertrag hinaus von der Gemeinschaft kontrolliert; ob dies ordnungspolitisch immer effizient und sinnvoll ist, bleibt zunächst einmal als Frage dahingestellt. Die Idee des Euro aber kommt aus keiner Logik von Strafkolonien.

Richtig ist, dass Notenbanken zunehmend sich schwer damit tun, durch die Kontrolle des Referenzzinssatzes gesteuert Einfluss auf die Inflation zu nehmen. Dass aber Notenbanken in Zeiten schwacher Nachfrage den Zins erhöhen und nicht gewahr werden, dass sie damit die privaten Investitionen abwürgen, entspricht keiner empirischen Wahrnehmung, weder in den USA noch in Europa (Ehnts a.a.O). Hier wie dort sind Notenbanken intermediär eingebunden in die Staatenfinanzierung, insofern sie einmal direkt emittierte Anleihen einer Regierung von Geschäftsbanken aufkaufen und in Europa die Besonderheit besteht, dass die EZB zugleich auch für den innereuropäischen Zahlungsverkehr zuständig ist. Das war zwar ursprünglich im Eurosystem nicht vorgesehen, hat sich aber aus Gründen entwickelt, die wir weiter unten besprechen werden.

Ursprünglich war die EZB lediglich für den Zahlungsverkehr zuständig und wie auch in den USA oder den EU-Ländern außerhalb der Eurozone, sollte auch für die Eurozone die bewährte Struktur der Trennung zwischen öffentlichen Krediten und privater Kontrolle erhalten bleiben. Dann wäre auch lediglich eine Institution nötig gewesen, die als eine Clearingstelle die Verrechnung von Finanzströmen zwischen den Euro-Staaten übernimmt, zumal das Eurosystem keine zwischenstaatliche Kreditgewährung vorsieht. Das hätte durchaus mit einem geringen Aufwand quasi über Nacht geschehen können, solange die No-Bailout-Klausel greift. Das tut sich aber nicht, denn die Wege der indirekten Staatenfinanzierung haben wir bereits beschrieben. Aber kommen wir zurück auf die Aussagen der MMT in diesem Zusammenhang.

Hier wird behauptet, dass die EZB keine Staaten finanziert und dies ist auch solange richtig, wie man die Zahlungsströme zwischen den Staaten nicht als Wege der indirekten Kreditvergabe zwischen den Eurostaaten erkennt. Deshalb ist es auch nicht richtig davon zu sprechen, dass die EZB notleidende Banken durch stützende Kredite rettet; so funktioniert das europäische Bankensystem nicht. Spanische, französische, griechische, irische Banken, um nur einige zu nennen, wurden nicht durch EZB-Kredite gerettet, als sie in Schieflage geraten waren. Wie wir eingehend beschrieben haben, wurde den nationalen Notenbanken die Möglichkeit eingeräumt, über die Vergabe von ELA-Krediten selbst entscheiden zu können, was dazu geführt hat - neben anderen innovativen, geldpolitischen Maßnahmen - dass deren Bankensektor bzw. einzelne Institute, der kurz vor der Insolvenz stand, sich dieses Instrumentes zu bedienen und sich über die Notfallkredite zeitweilig zu refinanzieren und sich damit die Zeit zu "kaufen", die notwendig war, um Insolenzen regelrecht zu verschleppen, wichtige Gläubiger auszuzahlen oder die Flucht zu ermöglichen, bevor es zum Zusammenbruch resp. zum Schuldenschnitt kam.

Es kann also keine Rede davon sein, dass die EZB Kredite an notleidende Banken vergab und dabei die Regierungen außen vor geblieben sind. Die Regierungen im EZB-Rat haben die ELA-Kredite eingeräumt, dabei aber die nationalen Notenbanken und nicht die Zentralbank des Eurosystems in die Haftung genommen. Die vielfach auch als Notkredite oder Nothilfe bezeichneten ELA-Kredite wurden also im Euroraum und anders als bei sämtlichen anderen geldpolitischen Geschäften nicht durch die Europäische Zentralbank, sondern ausschließlich durch die jeweiligen nationalen Zentralbanken (NZB) vergeben.

ELA-Kredite sollen im Prinzip nur solche Geschäftsbanken erhalten, die zwar illiquide, grundsätzlich aber noch solvent sind. Über die jeweiligen Konditionen, d.s. Umfang, hinterlegte Sicherheiten, Risikoabschläge und Zins entschied daher auch die nationale Notenbank und folgerichtig haftet auch nur diese für die mit der ELA-Gewährung verbundenen Risiken. Es gibt somit auch, anders als sonst üblich, keine Risikoteilung entsprechend des Kapitalschlüssels der EZB. Entsteht also ein Verlust aus der Gewährung von ELA-Krediten, vermindert sich das Eigenkapital der entsprechenden nationalen Zentralbank folglich in voller Höhe des Verlustes und das jeweilige Mitgliedsland müsste dann auch für eine Rekapitalisierung seiner Notenbank Sorge tragen, wodurch der Staatshaushalt des jeweiligen Eurolandes belastet werden würde.

Ebenso ist die Behauptung falsch, notleidende Staaten blieben sich selbst überlassen, während im Eurosystem über die EZB Geschäftsbanken durch Zentralbankgeld gerettet würden. Clemens Fuest und Hans-Werner Sinn verweisen dagegen darauf, dass es gerade die ELA-Krediten waren, die aufgelegt wurden zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen solventer Geschäftsbank, sich aber letztlich als Vehikel entpuppte, wie notleidenden Staaten sich über fast insolventen Geschäftsbanken indirekt Geld verschafften. Der Grundsatz im Eurosystem sah diese indirekten Staatenfinanzierung natürlich nicht vor.

"Als die Staatspapiere, die die griechischen Banken hielten, fällig wurden, und den Banken insofern neue Liquidität zugeflossen wäre, wurde den Banken gestattet, die Tilgungsbeträge nicht für die Rückzahlung der Ela-Kredite zu verwenden, sondern für den Erwerb neu emittierter Staatspapiere. Insofern wurde der griechische Staat sehr wohl durch die Ela-Kredite finanziert. Tatsächlich hat die EZB die am 3.7.2015 von der EFSF formell festgestellte Insolvenz des griechischen Staates seit Jahresbeginn verschleppt. Ohne die Ela-Notfallhilfen wäre der griechische Staat schon viel früher pleitegegangen, und die Verhandlungen wären schon vor Monaten zu einem Ende gekommen. Das Volumen der Ela-Kredite, die seit Jahresbeginn für den Kauf von Staatspapieren verwendet wurden, dürfte über zehn Milliarden Euro und damit weit über den 7,5 Milliarden Euro an fiskalischen Hilfskrediten gelegen haben, um deren Auszahlung es bei den Verhandlungen mit der Troika ging."24

Notleidende Staaten werden also nicht "sich selbst überlassen", im Gegenteil. Das Problem in der Eurozone ist eben genau dieser höchst umstrittene Weg der indirekten Staatenfinanzierung, der nicht vorgesehen war, aber mittlerweile Realität geworden ist. Und mit der Rolle der Notenbanken einher geht auch eine geldpolitisch umstrittene Praxis, die die Zinsen niedrig hält, obwohl weder eine Rezession droht, sondern im Gegenteil Wachstum und Wertschöpfung auf allerhöchstem Niveau sich befinden. Wir stehen damit konträr zur MMT, bewusst.

Schauen wir im April 2019 auf die Vereinigten Staaten von Amerika, dann müssen wir feststellen, dass die Aktienindizes allesamt Höchständen bzw. Allzeithochs entgegenstreben. Gleichwohl erhebliche Risiken und Belastungen vorhanden sind wie das geringe Wachstum der EU, der Brexit und der internationale Handelskonflikt mit China, angetrieben von den USA, hat die US-Notenbank entgegen ihren eigenen Auffassungen, den Zins niedrig gehalten und will diesen auf dem Niveau von 2,25 bis 2,5% bis ins kommende Jahr auch so belassen. Das Wachstum sowie der Arbeitsmarkt befinden sich in bester Verfassung.

Viele Investoren und das Gros der Trader an Wall Street rechnen sogar mit Zinssenkungen. Hier spricht man vom sog. Powell-Put und meint damit eine grundsätzliche Veränderung der Notenbankpolitik der Fed, die den Investoren und Tradern das Vertrauen verschafft, im Zweifelsfall auf die Unterstützung der Fed sich verlassen zu können. Dieses Vertrauen beziffert sich im Referenzzinssatz und wenn dieser auf niedrigem Niveau verharrt, selbst und gerade in wirtschaftlich guten Zeiten, hat das einige Auswirkungen auf die US-Unternehmen insgesamt und die Tech-Unternehmen im Besonderen. Diesen Sachverhalt, der mit den internationalen Börsen zu tun hat, klammert die MMT wie die traditionelle Ökonomik aus den bereits mehrfach besprochenen Gründen aus, weil diese Märkte nicht logisch-linear funktionieren.

Auf diese Märkte hat die Zinspolitik der Fed den Effekt, dass gerade solche Unternehmen wie die Tech-Unternehmen resp. IT-Unternehmen besonders stark profitieren. Diese Unternehmen ermitteln ihren Marktwert fast ausschließlich auf der Grundlage der Erwartung zukünftiger Gewinne bzw. Erlöse. Bei der Berechnung der Unternehmenswerte rechnen Investoren diese zukünftigen Erlöse in aktuelle Werte um und sind zum Umrechnungszeitpunkt die Zinsen niedrig, müssen die Investoren auch nur niedrige Abschläge in dieser Umrechnung vornehmen. Niedrige Zinsen auf mittlere Sicht wirken zugleich auch beruhigend gegen die oft hoch volatilen Kursverläufe. Die kommen eben hauptsächlich daher, dass Unternehmen mit hohen Markterwartungen an den Börsen häufig heftig auf angekündigte Zinserhöhungen reagieren; das erschließt sich aus dem eben Gesagten.

Ein weiterer Effekt niedriger Zinsen ist, dass der Schuldendienst vor allem der US-Unternehmen einen deutlichen Einfluss auf die Kursentwicklung der Unternehmen an den Börsen hat. Diese Schuldendienste der US-Unternehmen haben in der Vergangenheit deutlich zugenommen - wir haben an verschiedenen Stellen darüber gesprochen - und sind auf ein Rekordhoch von 45 Prozent des amerikanischen BIP gestiegen. In den Schuldendiensten eingebettet ist also auch ein deutliches Börsenrisiko, welches an den Zinsen sich entzünden kann.

Last but not least versammeln sich hohe Börsenbewertungen, niedrige Zinsen, starke, positive Erwartungen wie besonders bei den Tech-Unternehmen zu einem hoch explosiven Gemenge, in dessen Kern Zinsen, aber auch externe Krisen wie die eben vermerkten den Auslöser geben können. Die Tendenz zur Übertreibung von Unternehmenswerten geht nämlich stets einher mit einer schwächeren Bewertung weniger guter Aussichten; das nennt man bereits Blasenbildung. Die Vorstellung weiterer positiver wirtschaftlicher Entwicklungen sind in langanhaltenden Phasen wie der aktuellen, die bereits seit zehn Jahren anhält, stärker, als die einer schwächeren Entwicklung. Das war auch ein Faktor bei der Auslösung der Kursabstürze in der Folge der letzten Finanzkrise 2007/08 und kann sich durchaus wiederholen.

Was die MMT zurecht ins Zentrum ihrer Überlegungen - sie versteht sich eher als einen beschreibende, denn als eine vorschreibende Wissenschaft - stellt, ist der Binnenkonsum und das Gemeinwohl. Zurecht deshalb, weil die traditionelle Ökonomik den Binnenkonsum und dessen Auswirkungen auf das Gemeinwohl deshalb weniger klar erkennen kann, weil ihr der Blick durch Kennzahlen wie Primärdefizit und Staatsverschuldung zum BIP verstellt ist. Ob man nun das Primärdefizit resp. den Primärsaldo nach den Vorschlägen des Statistischen Bundesamtes für Deutschland oder im Kontext der EU-Staatsfinanzen berechnet, bleibt mal unberücksichtigt, als es uns darum geht, den Zins- resp. Primärausgaben einen kurzen Blick zu verschaffen.

Primärdefizit wie Staatsschuldenquote beinhalten einen Faktor, nämlich den Zinssatz der Refinanzierung bzw. die Fazilitäten, der maßgeblich ist für die Möglichkeiten eines Staates, Kredite aufzunehmen und Geld anzulegen. Betrachtet man diesen Faktor allein zur Seite der Kreditaufnahme hin, erblickt man diesen quasi mit einem Auge. Dann fällt es leichter, sich einen Idealzustand vorzustellen, in dem weder föderale Strukturen eines Staates wie etwa Deutschland mit dem Länderfinanzausgleich oder Europa mit Geber- und Nehmerstaaten existieren. Dann erklingt auch eine Ode an die Politische Ökonomie, wenn das Hohe Lied der weder starken noch schwachen Inflation gesungen wird, die bei 2 Prozent liegen soll, erreicht wird.

Was aber ist ein Inflationsziel von moderaten 2% anderes als ein anderes Wort für Austeritätspolitik, die ja auch im Faktor von 3% Neuverschuldung vom BIP vertraglich festgeschrieben ist? Die Austeritätspolitik der Troika in Griechenland zu prügeln und sie als Idealzustand einer von jeder Außenwelt absenten Volkspolitik durch die Hintertür wieder einzuführen, klingt nicht gar so intelligent.

Da aber nun mal die Welt uns umgibt, nur leider nicht als ein passiven System von Naturgesetzen, sondern von höchst aktiven Menschen auf höchst aktiven Märkten, mit denen wir in Beziehung, im Austausch und meisten konfliktreich stehen, macht solch eine Auffassung von einer heilen Welt, in der allein der Binnenkonsum das Gemeinwohl beeinflusst, zu einem Reich der Träume.

Wir haben ausführlich über Steueroasen gehandelt. Steueroasen gibt es in den USA, Panama, Großbritannien, Luxemburg, Holland, Zypern, Malta usw. Sie sind also nationale Errungenschaften und denationale Hoheitsgebiete mit eigenen Regeln, eigener Aufsicht, durch keinen demokratischen Prozess legitimierte Hoheitsartefakte mit erheblichen Auswirkungen auf Staaten und die Weltwirtschaft. Die Formel der MMT: Demokratie und eigene Währung = staatliche Souveränität (Ehnts 2017) scheint doch angesichts dieser Tatsache ein wenig zu kurz gegriffen. GB, USA usw. sind alles Demokratien mit eigener Währung, deren staatliche Souveränität aber, gewollt oder ungewollt, an den Briefkästen der Kronkolonien und anderer Steueroasen endet.

Nehmen wir die neuesten Leaks aus Panama, dann zählen wir 49 Millionen Datensätze, leider meist in unstrukturierter Form vorliegend, was den Arbeitsaufwand der Analyse vervielfacht. Allein der Schade, der in diesen Leaks vermutet wird, beträgt auf dem untersten Niveau für Deutschland etwa 50 Mrd. Euro. Rechnet man zu den Steuerbetrügereien der Panama Leaks noch die durch die grenzüberschreitenden, innereuropäischen Steuervermeidungsstrategien hinzu, beläuft sich der Gesamtschade auf jährlich etwa 100 Mrd. Euro, gering geschätzt. Man sieht, wir haben es hier mit einem nicht unerheblichen Wirtschaftsfaktor zu tun.

Und wir wagen einmal die These, dass bei beiden, Steuerbetrug und Steuervermeidung, zwar der steuerliche Aspekt wichtig ist und vielleicht auch im Vordergrund stehen mag bei dem ein oder anderen Betrüger, aber man weiß, dass auch weitere Gesichtspunkte im Zusammenhang mit der Identitätsverschleierung zu bedenken sind. Steueroasen erlauben ja die Verschleierung der wahren Identität der Konteninhaber in den Oasen. Neben den steuerlichen Vorteilen zählen die Verschleierung der Identität aber auch deshalb zu den wichtigen, meist hauptsächlichen Gründen, weil damit dem Fiskus nicht nur die Kontrolle der Konten unmöglich ist, sondern für einen Staat und seine exekutiven Organe überhaupt keine Übertragung und Exekutierung von Verantwortung im juristischen und Haftung im wirtschaftlichen Sinne möglich ist.

Wenn die MMT wie auch die um sich greifenden Überlegungen der Sozialisierung der Haftungsschäden seit der letzten Finanzkrise also nicht mehr nur potenziell, sondern längst schon real sind, allen voran die Haftung der Bürger für die anwachsenden Staatsschulden in den westlichen Industrieländern, dann wird die Motivation zur Identitätsverschleierung nachvollziehbar. Und die Diskussion über die Ausweitung der Bürgerhaftung für marode Banken und insolventen Staaten, gar noch in Höhe der Sparvermögen, begünstigt die Kapitalflucht an jene Orte, wo die Konten allenfalls noch die Namen von Vermögensverwaltern, Anwälten und Finanzinstituten tragen.

Nicht verschwiegen werden soll, dass die Eröffnung eines Kontos in einer Steueroase kaum eine Stunde in Anspruch nimmt und die damit verbundenen Dienstleistungen allesamt legal sind, inklusive des Hinweises, mit den neuen Konten keinen Steuerbetrug zu begehen. Damit ist dann der Legalität Genüge getan und dem Fiskus wie dem Staat sind ein steuerzahlender Bürger abhanden gekommen. Was an schizophrener Gedankenwelt vorhanden sein muss, um die Erföffnung eines Kontos zur Steuerhinterziehung nebst allen Dienstleistungen darum von staatlicher Seite in die Legalität zu stellen, ist schwer vorstellbar; wahrscheinlich gibt es in den Regierungen aber auch persönliche Gründe, die Türen zur Hinterwelt, zum "Dark Net" der modernen Gewaltenteilung sperrangelweit offen stehen zu lassen.

Wir wagen also nicht ganz unbegründet die These, dass mit der Diskussion um die Ausweitung von Staatsschulden aus Refinanzierungskrediten sowie der Haftung der Bürger in Höhe der Sparsumme (oder einen prozentualen Anteil davon) die Flucht weg von Sichteinlagen, hin zu identitätsverschleiernden Konten in Steueroasen ordentlich Vorschub geleistet wird. Dass Steueroasen über den Steuereffekt hinaus noch eine ganze Palette an Vorteilen bieten, mag hier nur angedeutet bleiben. Aber zwei Folgeeffekte müssen erwähnt werden.

Der eine ist, dass dem Staat nicht nur Steuern entgehen, sondern jede Möglichkeit einer realistischen Entwicklung des Gemeinwohls, was ohne Kenntnis der Vermögen und deren Zuordnung zu Bürgern eines Gemeinwesens nicht oder nur schwer zu erreichen ist. Wir beachten in Verbindung mit Steueroasen einen exponentiellen Prozess der Spreizung zwischen armen und reichen Bürgern, sowie eine ebensolche, exponentielle Belastung des Gemeinwesens, da für die Sozialträger ja nicht nur erhebliche Einnahmen fehlen, sondern die bestehende Einnahmen wiederum ungleich verteilt werden, was die asymmetrische Verteilungsstruktur im Faktor Arbeit und natürlich auch im Faktor Kapital noch verstärkt.

Wenn der Staat nicht weiß, wer von seinen Bürgern heute und morgen wieviel verdient und wie sein Vermögen strukturiert ist, etwa wieviel davon liquides, wieviel davon nicht liquides Vermögen ist usw. dann belastet das das Gemeinwesen wie auch den Haushalt und die Haushaltsplanung zumindest. Im Endeffekte entstehen also erhebliche Fehlallokationen im Gemeinwesen und vor allem darin bei den gesellschaftlichen Folgekosten der Alters- und Gesundheitssysteme. So notieren wir, dass nicht nur die Alterspyramide ein Belastungsfaktor für das Gemeinwesen darstellt, sondern Steuerflucht und Steuervermeidung in einem wirtschaftlichen Ausmaß, welches die Effekte der Alterspyramide in erheblichem Ausmaß überkompensieren könnte.

Immer gehen geldpolitische Staatskrisen einher mit Kapitalflucht und einem Bank Run, die sehr viel Liquidität einem Bankensystem entziehen können und dies binnen weniger Tage die Banken an die Grenze ihrer Geschäftsfähigkeit führen kann, wenn keine lokale Notenbank im Eurosystem neu geschaffenes Geld den Banken zur Verfügung stellt. Wir erinnern noch einmal an die Zeit im Juli 2015, als Griechenland durch Beschluss des EZB-Rates (28.o6.2015) nicht mehr über die ELA-Kredite aus dem zweiten Rettungspaket verfügen konnte. Darauf musste die griechische Regierung temporär die Banken schließen, den Kapitalverkehr und die Barauszahlungen an den Kassenschalter begrenzen, weil Gelder und Kapitalien in erheblichen Summen das Land verließen. In dieser Situation hätte nicht einmal eine Zinssenkung auf Null einer autonomen griechischen Geldpolitik auch nur annähernd den Nettogeldabfluss kompensieren können. Kein Programm wäre damals auf dem Arbeitsmarkt in der Lage gewesen, die bereits hohe und exponentiell steigende Arbeitslosigkeit vor allem bei der jüngeren Bevölkerung Griechenlands zu stoppen oder gar umzukehren. Auch wäre eine Abwertung der griechischen Drahme keine Sicherung des Gemeinwesens, des Renten- und Gesundheitssystems gewesen; ganz im Gegenteil. Ohne die europäischen Geldzuflüsse wäre der Einbruch des Sozialsystems noch viel krasser ausgefallen, als ohnehin schon durch die Austeritätspolitik.

Die Standardvorstellung, dass moderate Inflationsraten, die eine autonome Regierung festlegen kann, der beste Weg zur Steigerung der Binnennachfrage und damit zur Verhinderung von Arbeitslosigkeit sowie der Entwicklung eines gesunden Gemeinwesens ist, darf also als widerlegt angesehen werden. Ebenso gilt, und da argumentiert die MMT zurecht gegen eine Front aus Ökonomen, Medien und Politikern, dass das staatliche Geldsystem keine reelle Beziehung zu einer schwäbischen Hausfrau aufweist, die zuerst Geld einnehmen muss, bevor sie es ausgeben kann. Im staatlichen Geldsystem ist in der Tat die Frage wichtig, ob ein Staat in der eigenen oder, wie in den meisten Fällen, in einer Fremdwährung verschuldet ist. So kann man von diesem grundlegenden Unterschied sich auch besser dem Verständnis annähern, was den Unterschied ausmacht bzw. ausmachte zwischen den Schulden von Japan, der Türkei, Argentinien, Brasilien und Griechenland; mehr als eine Annäherung aber gibt dieser Unterschied leider nicht her.

Länder mit einer Hyperinflation sind in Fremdwährungen verschuldet, die das Risiko auf den Finanzmärkten in immer höheren Kreditzuschlägen, also Zinssätzen berücksichtigen. Das Gegenbeispiel Japan haben wir diskutiert. Der US-Dollar als weltweite Währung für den Einkauf von vielen wichtigen Rohstoffen spielt dabei eine gewichtige Rolle. Aber das erklärt allein auch noch nicht die ganze Sache. Im Eurosystem erkennen wir eine Besonderheit, die es sonst nicht gibt und die einiges über das Geldsystem aussagen kann, das uns in Zukunft erwartet, selbst dann, wenn das Experiment Euro scheitert. Dann wird es ein anderes geben, dessen Geburt wir zurzeit als Digitalgeld gerade erleben.

Aber zurück zum Eurosystem. Das besteht ja bekanntlich aus einer Struktur von einer Notenbank, die gewissermaßen die Meta-Notenbank aller nationalen Notenbanken ist, deren Unterbau wiederum die nationalen Geschäftsbanken sind, die aber in hohem Ausmaß transnational tätig sind wie die Unternehmen in den Euroländern sowohl im Euro-Binnenmarkt, im EU-Binnenmarkt mit Fremdwährungen wie etwa dem britischen Pfund und natürlich darüber hinaus weltweit mit dem Dollar als wichtigster internationaler Währung. Dazu kommt als mittlerweile bereits wichtiger Faktor das Digitalgeld hinzu, was wir aber eine kleine Weile noch vernachlässigen möchten.

In dieser Struktur unterscheiden wir Binnengeld und Außengeld sowie Handels- und Zahlungsbilanzen, wobei Handel- wie Zahlungsbilanzen grenzüberscheitende Transaktionen bezeichnen und zu bilanzieren, also zu messen versuchen. Damit stehen im Kern der grenzüberschreitenden Transaktionen Salden, die Kreditflüsse zwischen nationalen Notenbanken abbilden und die aus einer Vielzahl an gegenseitigen Zahlungsaufträgen resultieren. Wenn wir von einem grenzüberschreiten Geldfluss sprechen, dann ist damit mehr verbunden als bei den Transaktionen, die eine schwäbische Hausfrau tätigt, die aber eins mit der grenzüberschreitenden Zahlungsaufträgen gemeinsam hat, dass nämlich ihre Geldbasis, also ihr Portemonnaie "kleiner" wird, wenn sie Geld ausgibt oder überweist wie auf der Gegenseite die Geldbasis sich erweitert bzw. vergrößert. Der erste kleine Unterschied ist, bei der Hausfrau fließt Geld, wenn sie Geld ausgibt, und wenn sie Geld überweist, entsteht in aller Regel nicht nur eine Veränderung auf dem Konto, sondern auch ein Geldfluss in klingender Münze, weil die Hausfrau auf der Gegenseite (oder der Hausmann), die Sichteinlage liquidiert, im grenzüberschreiten Geldfluss fließt in aller Regel kein Geld.

Im Eurosystem sehen wir eine Besonderheit schon darin, dass es hier über dem Interbankenmarkt einen, sagen wir mal aus heuristischen Gründen, Inter-Notenbankenmarkt gibt. Geldflüsse aus Zahlungsaufträgen im Inter-Notenbankenmarkt bilanzieren sich in den bereits vorgestellten Target-Salden; leider mit einigen bilanziellen Lücken unvollständig und wenig transparent selbst für Geld- und Finanzmarktexperten.

Wie dem auch sei, im Inter-Notenbankenmarkt muss generell die Möglichkeit gegeben sein, dass aus elektronischen Geldflüssen auch klinge Münzen werden können, dass als ein Konto hier auch liquidiert werden kann. Und da diese Besonderheit besteht, dass man ein elektronisches Konto, bilanziert in Forderungen und Verbindlichkeiten, erst dann liquidieren, also gewissermaßen zu klingender Münze machen kann, wenn vorher neues Geld geschaffen wird, ergibt sich die Notwendigkeit, dieses zu den ausgeglichenen, elektronischen Geldständen zusätzliche Geld zu quantifizieren und zu qualifizieren. Das geschieht, indem man von einer Sondergeldschöpfung spricht. Diese Sondergelder, die den Target-Salden hinzugerechnet werden, entstehen in der Eurozone hauptsächlich durch die internationalen Rettungspakete wie auch den ELA-Krediten, deren weitere Besonderheit es ist, nicht für die Liquiditätsversorgung im Inland zu dienen, sondern für die Aufrechterhaltung eines gewissen Lebensstandard in einem Euroland, also zum Erwerb von dafür nötigen Gütern im Ausland.

So war es im Falle Griechenlands und Zyperns. Kann ein Land diese Sonderkredite nicht zurückzahlen oder selbst bedienen, hat das für die Geberländer der Eurozone den Nachteil ausgebliebener Zinseinnahmen, deren Gegenwert diesem Anteil an den Target-Schulden entspricht. Damit wird auch eins deutlich, Sondergeldschöpfungen sind Sonderkredite, ohne wesentlichen Unterschied zu anderen Krediten. Oft gehen die Bestimmungen von Binnengeld und Außengeld sowie Handels- und Zahlungsbilanzen krass durcheinander und auch uns fällt es schwer, uns jeweils wieder neu durch den Wust an Bestimmungen in den einzelnen Theorien und bei den verschiedenen Autoren zu arbeiten und dann noch sinnvolle Vergleiche anzustellen, wenn das, was man vergleichen will, so unterschiedlich definiert ist.

Idealiter sind die Bestände der Konten der Binnengelder und der Außengelder sowie Handels- und Zahlungsbilanzen gleich; diesen Zustand kennt aber niemand. Alle Zahlungsströme wären abgerechnet, alle Kredite bedient, Zinsen und Tilgung im Zeitrahmen, Export und Import ausgeglichen und damit auch keine Positionen von Zentralbankgeld im Inter-Notenbankenmarkt offen. Krisenstaaten aber zeichnen sich ja gerade dadurch aus, dass so ziemlich alle Konten eine Unterdeckung ausweisen und Kredite nicht bedient werden, jedenfalls nicht über den Maßen der Eigenversorgung der Länder mit Notfallkrediten hinaus.

So sind die Target-Salden im Ungleichgewicht, da die Neuschöpfung von Sondergeld, insofern es sich hierbei wie gesagt um Kredite und wie im Falle Griechenlands von Krediten aus mehreren Stufen von Nothilfen aus verschiedenen Programmen handelt, diese Sondergeldkonten gleichsam akkumuliert. Vor allem die zusätzliche Vergabe von Refinanzierungskrediten bringt einiges in Unordnung. Denn wie im Falle Griechenlands ist die Form der Finanzierung eine Inanspruchnahme eines Notenbankkredits durch den Kreditgeber, der hier ja die EZB, also wiederum einen Notenbank ist. Der Kreditnehmer, die griechische Notenbank, verkauft nun ihrerseits zur Refinanzierung des Kredits, Wertpapiere an die EZB und oder nimmt zusätzlich die ständigen Fazilitäten in Anspruch. Doch damit nicht genug, zur Refinanzierung werden auch Guthaben anderer Kunden des nachgeordneten Kreditinstituts, also eine Geschäftsbank zum Beispiel, in Anspruch genommen. Das System aus Krediten und Refinanzierungen kann sich schnell zu einem wahrhaft kaskadierenden System an Geldströmen ausweiten, worin kaum jemand noch einen Kredit von einer Umschuldung unterscheiden kann; so gehen ja mitunter auch Unternehmen bei ihren Schachtelbeteiligungen und Tochterfirmen sowie Ausgründungen nebst Holdings vor, nicht selten um Erlöse vor dem Fiskus zu verschleiern usw.

Wo ist in diesem Gewirr die griechische Regierung? Die sitzt als Nutznießer des ganzen Vorganges quasi an der Spitze der Nahrungskette. Sie ist es, die mit einmal über Konten verfügt, über die sie selbst in Zeiten höchster Not noch den ein oder anderen Leopard Panzer in Deutschland kaufen kann. Alles, was über die nötige Liquidität für die Aufrechterhaltung eines Binnenkonsums, von Staatsausgaben für Staatsbedienstete und das Renten- wie Gesundheitssystem und den Kauf von Wertpapieren, also Vermögenstitel hinausgeht, sollte also nicht in den Target Salden enthalten sein. Die Absicherung der Refinanzierungskosten so gering wie möglich zu halten, war eigentlich auch nicht Sinn der Sache, wurde aber durch die Absenkung der Pfänder gebilligt.

Trotz alledem sind solche Vorgänge gang und gäbe und außer der Intransparenz ist daran auch wenig verwerflich. Wer Teil eine Währungs- und Wirtschaftsgemeinschaft ist, ist dies auch mit Risiken, die mit den Möglichkeiten allein schon deshalb anwachsen, weil ein Nutzen auf einer Seite über einen längeren Zeitraum unweigerlich zu Risiken bis hin zu Krisen in anderen Teilen der Gemeinschaft führen muss; jedenfalls ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch. Man kann, wie der Brite sagte, den Kuchen nicht gleichzeitig essen und behalten und deshalb haben sogar nationale Wirtschaftsgemeinschaften auf föderaler Basis stets das Ziel eines Lastenausgleichs zwischen den Beteiligten Wirtschaftsräumen. So war Nordrhein-Westfalen Jahrzehnte lang ein Geberland und Bayern ein Empfänger und man wundert sich nicht schlecht darüber, wie kurz das Gedächtnis der bajuvarischen Finanzminister und Ministerpräsidenten sein kann, kehren sich die Verhältnisse um.

In der Eurozone ist die Sachlage nur noch ein wenig komplizierter. Hier kommt es zu einem speziellen Zinseffekt aufgrund der Struktur aus autonom beteiligten Staaten. Griechenland partizipiert z.B. durch die EZB-Politik des leichten Geldes an einem Marktzins, den es sonst so nie bekommen hätte. Ohne die Geldzuflüsse aus den EZB-Programmen, hätte Griechenland seine Kredite zu Marktkonditionen refinanzieren müssen, die sofort zu drastischen Liquiditätsengpässen geführt hätten. Aber nicht nur diese Negativwirkung auf die Marktzinsen sind von Interesse, auch eine Positivwirkung sollte beachtet werden, nämlich die, dass es nur so den Bürgern Griechenlands wie vormals Zyperns erlaubt wurde, übrigens gilt dies für alle Bürger der Eurozone, deren Staatsverschuldung eine marktunübliche Größe erreicht, weiterhin Wertpapiere auf den internationalen Anleihe- und Aktienmärkten zu erwerben und Güter im Ausland und in Fremdwährung zu kaufen, ohne von Wechselkursen oder Zinsen daran gehindert zu werden.

Halten wir fest, für die Finanzmärkte gehen solche Märkte tendenziell eher verloren, da die Investoren in der Eurozone keine marktüblichen Zinsen für faktisch risikoreichere private Kredite mehr einpreisen können. Dieser Verlust an Nettorenditen macht es natürlich riskanter, dort zu investieren, was zu einem Rückzug der Märkte führt. Andererseits steigen natürlich dementsprechend auch jene Salden, die den durch Sonderliquidität angetriebenen Marktzugang dokumentieren, was unter Target-Salden erfasst wird.25 Dies führt zu dem schwierigen und auch schwer nachvollziehbaren Sachverhalt, dass - wie Sinn dies bestimmt - Binnen- und Außengeld schwer zu unterscheiden ist. Binnengeld, also Geld, das innerhalb einer Volkswirtschaft zirkuliert, ist in einer "Meta-Volkswirtschaft", wenn man einmal rein bilanztechnisch argumentiert, Geld, welches innerhalb der Eurozone, einer Gemeinschaft autonomer Volkswirtschaften zirkuliert. Aber nicht nur durch Warenim- und Exporte, sondern eben auch getrieben durch Notfall-, Hilfs- und Sonderkredite, die sowohl für den Binnenkonsum des Kreditnehmers, für zum Teil auch Fremdwährungsgeschäfte sowie für die Rettung von transantional operierenden europäischen Finanzinstituten verwendet wird; ein Teil geht sogar in die Rettung von ausländischen Finanzinstituten.

Es bleibt also, salopp gesagt, bei allen Geldflüssen innerhalb der Eurozone ein gerütteltes Maß in der Familie und weil niemand so genau weiß, wieviel das ist, weiß man auch nicht, was den Familienkreis verlässt und sich neue "Partner" außerhalb sucht, wie dies ja im täglichen Leben durchaus auch so üblich ist. Diese Geldflüsse sind demnach bilanziell Außengeld, insofern es sich im Volumen von dem Geld unterscheidet, welches im Inland zirkuliert und durch Transaktionen in andere Länder der Eurozone sowie in Fremdwährungsländer abfließt. Bei insolventen oder nahezu insolventen Staaten der Eurozone haben wir also eigentlich drei Salden an Konten, die es aber leider bislang noch nicht gibt in den europäischen Euro-Haushalten. Wir hätte also einmal die griechischen Salden, die Eurozonen-Salden und die Fremdwährungssalden.

Dabei wäre zu bedenken, dass die Geschäftsbanken der einzelnen Eurozonen-Staaten keine Intermediäre im Kreditgeschäft der traditionellen Sichtweise sind. Diese neoklassische Sicht mit ihrer Theorie der "loanable funds"26 , die auch heute noch von so wichtigen, politischen Entscheidungsträgern wie dem ehemaligen deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble und einem der wichtigsten akademischen Meinungsbildner und Nobelpreisträger Paul Krugman vertreten werden, folgen der Vorstellung, dass eine Bank Einlagen von Sparerinnen und Sparern weiterverleiht. Kredite werden daher als Sachdarlehen dargestellt, dem wir an mehreren Stellen bereits widersprochen haben und auch die damit verbundenen Vorstellungen als nicht zutreffend begründet haben.

Die Geschäftsbanken in der Eurozone sind also im Kreditgeschäft der Staatsfinanzierung keine Intermediäre, sondern die nationalen Notenbanken. Sie sind es, die die Neuschöpfungen von Geld durch die Regierungen, denn nur Regierungen können "Sondergeld" neu schöpfen durch Ausgabe von Staatsanleihen, in die Märkte bringen, also zirkulieren lassen. Über die nationalen Notenbanken erreichte neues Geld die Märkte, wobei ein Teil dieses Geldes von der griechischen Notenbank über griechische Geschäftsbanken in ausländischem Eigentum wiederum zurückfloss, besonders nach Frankreich, Großbritannien und Deutschland, die auf diesem Markt besonders engagiert waren. Dann floss eine große Menge Kapital durch Kapitalflucht aus Griechenland ab, ein großer Teil davon wiederum in Drittländer, also in Märkte außerhalb der Eurozone und der EU, weil viele Investoren ihre Vermögen gleich ganz weit weg vom Euro nur in Sicherheit wähnten.

Immer dann, wenn ein Staat in eine Liquiditätskrise gerät, wird also Liquidität geschaffen. Und normalerweise übernehmen die Märkte mit steigenden Marktzinsen die Begrenzung dieser zusätzlichen Liquidität durch steigende Zinsen, die mit dem Risiko, welches mit zusätzlicher Liquidität verbunden ist und sich in steigender Inflation ausdrückt, ebenso ansteigen. Steigende Zinsen sind daher direkt mit steigender Inflation und neuem Geld verbunden; so nicht in der Eurozone.

Wie wir gerade beschrieben haben, beobachten wir zwei Geldströme, einmal floss fortwährend Liquidität aus den Euro-Krisenländern in der Hochphase der Krise ab und zugleich floss neu geschaffenes Geld in Form von Refinanzierungskrediten durch die Beschlüsse des EZB-Rates in die Krisenländer. Und selbst die Dämme der Kapitalverkehrskontrollen und der Begrenzung von Barabhebungen konnten die Geldflüsse nicht in der Krisenvolkswirtschaft halten wie ein Stausee seine Zuflüsse und Abflüsse in einem ausgewogenen Verhältnis hält. Es floss weiter Geld über die Staumauern in alle möglichen Märkte außerhalb Griechenlands. Durch das Absenken der Pfänderqualitäten kam es so begünstigt zu einer Geldschwemme in der gesamten Eurozone und darüber hinaus auch in den gesamten EU-Ländern, die sich über die Zugänge freuten. Und sogar Nicht-EU-Länder freuten sich über zusätzlich Euros und andere europäische Währungen und wie es so ist, blieben die Euros nicht Euros, sondern wurden in die jeweiligen Landeswährungen 'getauscht', genauer gesagt, wieder weiter investiert bzw. über die Devisenmärkte und die jeweiligen Handelspartnerländer für Investitionen und den Kauf von Gütern und Dienstleistungen weltweit, also auch innerhalb der Eurozone verwendet.

So floss einiges an Geld wieder zurück in die Eurozone nach einem Umweg über die Weltwirtschaftskreisläufe, sowohl über die Vermögens- und Beteiligungsmärkte, über die Investitionsmärkte mit ihren Hebelfaktoren im und über das Kreditgeschäft bis schließlich auf den Gütermärkten, auf den mit dem Geld der sog. Geberländer die Produkte der Geberländer gekauft wurden. Man erkennt unschwer, dass die Rede von Geber- und Nehmerländern spätestens jetzt ein Hirngespinst ist. Geber- und Nehmerländer entstehen allein dadurch, dass auf einer Seite der Bilanz mehr Geld zirkuliert, als auf einer anderen Seite und dabei zollt es lediglich der Tradition ordentlichen Buchführung Tribut, dass dieser Eindruck in Unkenntnis der tatsächlichen Bedeutung buchhalterischer Semantik entstehen kann. Niemand hat also Geld verschenkt, niemand sich Geld schenken lassen und das dann verprasst. Ein Wirtschaftskreislauf wurde erweitert und beschleunigt, sonst nichts. Dies aber ist durchaus diskussionswürdig.

Schaut man auf die Effekte, nur die, die besonders auffallen, dann versteht man auch die Aufmerksamkeit, die den Auswirkungen der EZB_Politik in der Eurozone und weit darüber hinaus in die Weltwirtschaft gewidmet wird. Ein Effekt der fortlaufend zunehmenden und in den Märkten anlandenden Liquidität war, dass die Zinsen z.B. in Deutschland seit langem auf historischen Tiefständen sich einpendelten mit erheblichen Einbußen privater Sparvermögen mit Folgen für die Alterssicherung und einem Effekt, den niemand bislang sehen wollte, nämlich steigenden Mieten, die, wie wir gezeigt haben, maßgeblich bedingt bzw. begünstigt wurden, weil Bürger bereit waren, höhere Mieten zu zahlen, da die traditionellen Anlageformen, Sparbuch und Lebensversicherung keine Renditen mehr versprachen. Dazu passend darf man den sofort einsetzenden Bauboom in Deutschland dieser Logik hinzuzählen wie auch den die gesamte Volkswirtschaft erfassenden Konjunkturaufschwung, der mit der zusätzlichen Liquidität die wachsende Nachfrage der global vernetzten deutschen Industrie zeitnah und flexibel befriedigen konnte.

Während die Fed bereits begonnen hatte, die zusätzliche Liquidität der amerikanischen Wirtschaft aus den QE-Programmen und durch Donalds generöser Steuerreform moderat wieder einzusammeln, kamen die Effekte aus den Euro-Programmen, die die USA erreichten durchaus gelegen. Sie kompensierten zwar nicht alle Effekte der US-Geldstraffung, aber doch ein gerütteltes Maß davon. Man darf also sagen, die Schuldenstaaten der Eurozone haben auch die US-Wirtschaft befördert; will sagen, wer mit linear-kausalen Denkmustern in Wirtschafts- und Finanzzusammenhängen verfährt, wird nicht weiterkommen als zu den Sackgassenschildern, die seine Kollegen vorher überall aufgestellt haben.

Die Kontenstände der Target-Salden präzise berechnen zu wollen, dürfte also schwierig sein. Verzichten darauf darf man allein aus heuristischen Gründen nicht, haben wir doch nicht mehr und bessere Mittel, grenzüberschreitende Geldströme innerhalb einer globalen Wirtschaft und einer zunehmend international sich auswirkenden Geld- sowie Währungspolitik zu erfassen. Das wird aller Voraussicht auch noch lange so bleiben, da die regierende Politik eine gewisse Intransparenz auch gerne aufrechterhält. Das ist nicht demokratisch rechtens, aber welche geldpolitischen sowie staatspolitischen Maßnahmen im Kredit und Finanzierungsbereich würde denn eine Regierung der westlichen Demokratien bei ihren Bürgern durchbekommen, wüssten die immer genau, was mit den Maßnahmen verbunden ist und welche Auswirkungen diese auf sie haben, falls die Regierungen denn überhaupt selbst dies wissen können?

Was wir als leidlich gesichert wissen können, ist, dass während einer Boomphase im privaten Sektor wie etwa bei einem Bauboom bzw. einer Immobilienblase dieser Sektor eine Menge an Liquidität aufsaugt und die Zentralbanken als schärfste Waffe gegen diesen Boom die Kontrolle über den Leitzins und somit über die Zinsen bei den Geschäftsbanken einsetzen können. So verleiht die EZB wöchentlich aus ihren Reserven Geld an Banken und steuert über den Leitzins so die Kreditzinsen für die Immobilienerwerber. In einem bidirektionalen Geschäft funktioniert die Kontrolle der überbordenden Ressourcen durch Zinsmanipulationen der Notenbank im volkswirtschaftlichen Modell einigermaßen gut, also berechenbar. Aber selbst hier ist man mit der Planbarkeit, also der kausal-linearen Fortschreibung schnell am Ende.

Denn während der private Sektor in einer Phase des Immobilienboom z.B. relativ schnell relative viele Ressourcen an sich zieht, erweitern sich auch die Risiko-Implikationen. Die hängen einmal damit zusammen, dass die Geschäftsbanken jeden ausgewiesenen Kredit bei der Notenbank als Sicherheit hinterlegen können, in der Hoffnung, dass dieser zurückgezahlt wird. Der Faktor Hoffnung aber, der hauptsächlich über die Eigenkapitalanforderungen aus Basel II und Basel IV z.B. sowie den Mindestreserven besteht, ist bei näherer Betrachtung aber zugleich auch an der Entstehung exponentieller Risken beteiligt, mithin also ohne Bremswirkung.

Wenn also Kredite als Sicherheiten akzeptiert werden und so bei der Ausleihe von Notenbankgeldern, von Reserven, das Ausleihgeschäft befördern, wenn es also dieselben Kredite sind, die die Mindestreserveanforderungen zugleich heben und erfüllen, kann eine Bremswirkung von dieser Seite her kaum erwartet werden. Das gehört zur Marktwirtschaft, dass einmal als "hoffnungsvoll", also als in der Zukunft profitabel erachtete Geschäfte nicht gebremst, sondern gefördert werden und dies ist eine strukturelle und keine persönliche oder vernünftige Angelegenheit.

Auf strukturell analoge Art sind auch die Eigenkapitalanforderungen der Geschäftsbanken nicht wirklich risikoavers. Eigenkapitalanforderungen werden auf Grundlage der vorhandenen Forderungen einer Bank gegenüber ihren Kunden oder anders gesagt als bestehendes Eigenkapital mit Hebelfaktor berechnet und sind daher sowohl vergangenheitsbezogen wie linear in die Zukunft fortschreibbar.

So kann eine Bank durch die Ausgabe von Krediten an einen Kunden rein rechnerisch den Kauf von Aktien durch die Bank finanziert, sowohl den Kauf von eigenen Aktien wie auch den fremder Vermögenswerte, die dann sofort als Eigenkapital der Bank gelten.

Die Frage also, wie der Bauboom und die inhärente Ausweitung der Geldmenge, hier des Eigenkapitals eines Finanzinstitutes, effektiv kontrolliert werden kann, war lange Zeit dem Modell überantwortet, welches von der Kontrollwirkung der Zinskaskaden ausging. Über den Referenzzinssatz wurden demnach die Zinsen aller nachgeordneten Beteiligten an den Geschäften kontrolliert und die Kontrolle galt als im Alltag erprobt und relativ ausfallsicher. Es galt, hohe Zinsen kontrollieren und begrenzen die Kreditnachfrage.

War der Mechanismus von Angebot und Nachfrage theoretisch längst schon ein hoch defizitärer Modellansatz, so schien zumindest die Realität ihn soweit zu bestätigen, soweit die Ausfallwahrscheinlichkeit durch eine, den Zins überhaupt nicht tangierende Praxis in der Kreditvergabe begrenzt wurde, in der Deutschland gleichsam Benchmark war. Der Eigenanteil am Gesamtkredit von hier mindestens bzw. üblicherweise 20 Prozent, der aber in vielen Fällen der Privatkreditvergabe auch auf 30 Prozent und darüber steigen konnte, schien den Sicherheitsbedürfnisse der Banken Genüge zu tun, alles war bestens, scheinbar. Das galt, solange die Finanzmathematiker ausschließlich bei Banken angestellt für diese rechneten. Mit dem Aufkommen von unabhängigen Finanzberatern wurde dieses Geschäftsmodell, das hauptsächlich aus der Unwissenheit der Kunden seinen großen Erfolg gezogen hat, massiv relativiert.

Die Finanzberater rechneten nun für die Kunden und kamen zu ganz anderen Ergebnissen. Ein kleiner Diskurs soll dies verdeutlichen und auf Folgen vorbereiten, die wir im Anschluss besprechen werden. Das Beispiel: Ein Bürger in Deutschland möchte ein Haus im Wert von 250.000 Euro kaufen - die Kaufnebenkosten zahlt er auch selbst und können in diesem Beispiel also vernachlässigt werden - und er hat siebzigtausend Euro an Barmitteln. Als Kreditnehmer steht er nun vor der Entscheidung, den gesamten Betrag als Eigenanteil zu verwenden oder 20.000 Euro als Puffer auf seinem Bankkonto stehen zu lassen. Im ersten Fall (A) müsste er 180.000 Euro als Kredit aufnehmen, im zweiten (B) wären es 200.000 Euro. Für die Monatsrate werden in Fall B 110 Euro mehr fällig.27

Wie das Beispiel zeigt, sind zwar die Zinssätze durchaus von entscheidender Bedeutung, geht man nur von den nominellen Zinssätzen aus und vergleicht ein doch recht simples Szenario (Fall A und B) miteinander, bei dem aber die Bank auf jeden Fall recht günstig wegkommt. Geht man in die verschiedenen Finanzierungskonzepte, denen ein normaler Kreditnehmer aber damals kaum je gewahr wurde, sieht die Sache schon anders und wesentlich differenzierter aus. Wir sehen, die Frage in diesem kleinen Beispiel ist keine Frage von Angebot und Nachfrage, sondern viel mehr eine der unterschiedlichen, möglichen Qualitäten in der Dienstleistung am Kunden, die der reine Kreditausreichung gewissermaßen übergeordnet ist.

Dieser Dienstleistungshorizont über der reinen Kreditausreichung durch eine Notenbank ist, wir haben das schon behandelt, die sog. Einlagenfazilität. Darin spiel der Zins auch eine bedeutende Rolle, insofern damit ja die Guthaben der Geschäftsbanken bei den Notenbanken bzw. in Europa der EZB verzinst werden. In unserem Referenzjahr 2017 wurden die Einlagen, resp. Reserven über Nacht in Höhe von 1/350 des Einlagezinses belastet, der damals bei -0,4% lag. Das bedeutet, dass Banken von jedem Euro an Reserven bei der EZB über Nacht 0,00004 €, also vier Zehntausendstel eines Cents, verlieren bzw. dieser Betrag der EZB bzw. der Bundesbank gutgeschrieben wird. Bei den Summen, um die es hier geht, also bei Millionen- bis Milliardensummen sollte man das Ergebnis nicht zu geringschätzen. Jedenfalls sind die Belastungen für die Banken so hoch, dass sie durchaus einen erheblichen Anreiz verspüren, ihre Einlagen bei der Zentralbank auf ein Minimum zu reduzieren. Sie können die Einlagen beispielsweise auf dem Interbankenmarkt an andere Banken oder Finanzmarktteilnehmer verleihen oder damit Aktien, Immobilien oder auch Staatsanleihen kaufen. Eine Rolle spielt das bei der Berechnung der jeweiligen Geldbasis der EZB bzw. der Notenbanken der Eurozone. Und die ist wichtig, will man nicht wieder in die Falle von Angebot und Nachfrage, gesteuert durch Zinsen, treten, wenn es um Notenbankpolitik bzw. um die Politische Ökonomie geht.



Modern Monetary Theory - Teil V



Die Geldbasis stellt nach einer bestimmten geldtheoretischen Lehrmeinung, dem Monetarismus, das von der Zentralbank bereitgestellte Geldangebot dar. Sie ist darin die wichtigste, grundlegende Bestimmungsgröße in der Geldangebotstheorie und strategische Größe in der Geldpolitik. In der Geldpolitik bildet sie das grundlegende Konzept der Steuerung des Geldangebots der Banken. Es setzt bei einer unterstellten Verknüpfung zwischen der Geldmenge einerseits und dem Bestand an Zentralbankgeld bei Banken und Nichtbanken andererseits an. Bei hinreichend stabilem Bezug zur Geldmenge ist sie der instrumentelle Hebel für die Geldmengensteuerung.

Dabei sind Geldbasis und Geldmenge über einen Geldangebotsmultiplikator verknüpft, dessen Größe von Verhaltensweisen der Banken und Nichtbanken im monetären Bereich bestimmt wird. In einem solchen Konzept figuriert demnach die Geldmenge als Zwischenziel, die Geldbasis als Indikator der Geldpolitik. Dabei treten als Geldmenge die verschiedenen Varianten auf: Geldmenge Ml, Geldmenge M2 und Geldmenge M3 auf der Basis MO, der Geldbasis.

Die Geldbasis wird verändert durch Änderung der Nettodevisenposition, des Wertpapierbestands, der Nettoposition der öffentlichen Hand (Kredite/ Einlagen) bei der Zentralbank und des Refinanzierungsvolumens der Banken. Ökonomischen, geldpolitischen Informationsgehalt erhält die Bestimmungsgleichung für die Geldmenge, wenn die verwendeten Größen als Verhaltensparameter interpretiert und für sie Reaktionsfunktionen oder Verhaltensfunktionen oder Erklärungs- bzw. Verhaltenshypothesen angegeben werden können. Soviel zu den allgemeinen Bestimmungen und dem Verständnishorizont, der die Geldpolitik im Rahmen einer Politischen Ökonomie zu begreifen versucht.

Wir haben auf die Falle von Angebot und Nachfrage hingewiesen, eine Falle, die dann zuschnappt, wenn man die asymmetrischen Verhältnisse nicht berücksichtigt, die jeder Kreditvergabe inhärent sind. Jedes Kreditgeschäft ist ein Verleihgeschäft mit einem Gläubiger und einen Schuldner im juristischen Sinne, wie wir wissen. Wir haben soeben an einem simplen Beispiel einer Kreditvergabe für einen Hausbau das asymmetrischen Verhältnis zwischen Kreditnehmer und Hausbank erläutert, das allein schon in der ungleichen Verteilung von Wissen bzw. der Kenntnis von alternativen Finanzierungskonzepten zu erheblichen Unterschieden führt, ob die Kreditausreichung unter dem Horizont einer Finanzdienstleistung, einschließlich Beratung, stattfindet oder nicht. Dieser Horizont betrifft in diesem Beispiel den Faktor Wissen bzw. Information, der aber nur eine Form einer asymmetrischen Relation zwischen Angebot und Nachfrage semantisch verschleiert.

Innerhalb dieser Form semantischer Verschleierung machen sich es dann wahre Netzwerke von theoretischen Zusammenhängen gemütlich, die eine scheinbare Logik dieser Zusammenhänge nachträglich zu 'versachlichen', zu objektivieren versuchen. Einen dieser scheinbar objektiven Zusammenhänge kennen wir aus der sog. sektoralen Makroökonomie, die sich mit sektoralen Salden bzw. sektoralen Finanzierungssalden zur makroökonomischen Analyse von Volkswirtschaften beschäftigt und unter einer sog. "sektoralen Grundgleichung" eine Beziehung konstruiert zwischen der Verschuldung des privaten Sektors und des öffentlichen Sektors28 . Das klingt bedeutend, was der britische Ökonom Wynne Godley da erfand und hat Eingang auch in die moderne Ökonomik gefunden und meint nichts anders im Grundsatz, dass ein Zahlungsverkehr zwei Seiten hat und darin jeder Ausgabe eine Einnahme (keine Geschenke) gegenübersteht.

Nur ist bereits in dieser Gleichung eine Un-Gleichung enthalten, nämlich die, die man "Schulden" nennt und à la longue Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsausfall. Gilt die Gleichung bei Ersparnissen, also bei positiven Guthaben bzw. Sichteinlagen bei Banken noch einigermaßen, so ist dieses Verhältnis gleich von ganz anderer Qualität im Risikofall, der in der Regel sogleich als ein wahres Klumpenrisiko sich entpuppt. Britische Ökonomen sitzen recht gemütlich und trocken in ihren Instituten und können da leicht mit mathematischer Genauigkeit Guthaben und Schulden in Gleichungen packen.

Unternehmer schlafen nicht einmal bei Guthaben auf ihren Geschäftskonten tief und selig. Das mag bei Akademikern und Politikern anders sein. Ein Unternehmer - wie übrigens auch ein Erwerbstätiger - wissen um den Unterschied der beiden Kontenklassen und der lässt, so die Schuldenkonten bzw. die Verbindlichkeiten im Anlagevermögen und im Cashflow überhandnehmen, niemanden reden von Gleichungen. Nähern sich die Schulden der Grenze zur Überschuldung, dann kann das schnell Jobs kosten; Verlust der Zahlungsfähigkeit im Übergang vom Unternehmen in die privaten Haushalte wird schnell zu einer Katastrophe für Familien mit und ohne Kinder.

Mit den asymmetrischen Implikationen mathematischer Gleichungen tun sich Monetarismus und MMT natürlich schwer, kennt die Mathematik solche Implikationen nicht. In der Welt der Menschen aber sind sie nicht nur an der Tagesordnung, sie sind bestimmend für alles, was ist; Gleichungen gibt es nicht. Außer in unserer intellektuellen Vorstellung, wo man komplementär Guthaben, Sparvermögen und Schulden, also negative Guthaben, Minuskonten, mit einander vergleicht.

Ein Unternehmer schaut, anders als ein CEO eines Konzerns oder ein Professor der Ökonomie eher selten auf seine Bilanzen. Der Unternehmer interessiert sich allein für die Cashflows, also darum, ob er seine ständig in Volumen und Zeit wechselnden monetären Verpflichtungen nachkommen kann. Sonst interessieren ihn, ob sich seine Investitionen so entwickeln, wie er geplant bzw. erhofft hat. Das kann mitunter Jahre dauern und ein ständiger Blick in das fein verästelte Zahlenwerk seiner Steuerberater und Unternehmensberater sagt heute wenig darüber aus, wie das neue Werk in zwei Jahren dastehen wird, wie die Märkte, der Wettbewerb, die Preise, die Zinsen, die Personaldecke und die Rohstoffe nebst allen anderen Ressourcen sich entwickeln werden; kein Mensch glaubt daran, dass hier ein mathematisch nachvollziehbares Modell seines Unternehmens und seiner Entscheidungen existiert, in das man blicken und dann Schlüsse daraus ziehen kann; so einfach ist es einfach nicht.

Wie in der Presse tauchen auch in der MMT Leerformeln en masse auf. Natürlich stimmt es, dass staatliche Defizite inflationär wirken, wie auch das Gegenteil richtig ist. Denn niemand kann beweisen, dass die Relation zwischen Staatsdefiziten und Preissteigerungen linear-kausal ist, also gilt alles auch anders herum, oder es ist schlicht irrelevant.

Natürlich kann man die Welt einteilen in einen privaten und einen öffentlichen Sektor und dem Rest der Welt. Dann kann man herrlich der Logik folgen und wird glücklich. Und ebenso ist dann folglich auch richtig, dass Staatsaugaben durch Steuern finanziert bzw. refinanziert werden müssen, dass private Schulden also mit staatlichen Schulden anwachsen bzw. im umgekehrten Fall abnehmen. Man wird Ausnahmen zu Hauf finden, bis man verzweifelt ob der Antinomien gleich die ganze theoretische Grundlage solcher Platituden über den Haufen schmeißt und neu anfängt mit der Vorstellung eines neuen, komplementären Begriffspaares und daraus dann munter wiederum Ableitungen kreiert bis die Birne raucht und wieder durchknallt.

Vollends abstrus wird die Rechnung, wenn die MMT von der Weltwirtschaft spricht. Da dann der Rest der Welt ja nicht mehr existiert, bleiben die privaten und öffentliche Schulden. Die öffentlichen sind dann die Summe aus Steuereinnahmen minus Staatsausgaben, die privaten bilden sich dann als die Summe aller privaten Nettoeinnahmen inklusive Renten und Vermögenswertsteigerungen minus Konsumausgaben - Steuern sind schon eingerechnet. Nun gilt so auch der umgekehrte Fall im Sinne finanzieller Ersparnisse des privaten und des öffentlichen Sektors. Und wie zur Nacht alle Kühe grau sind, bedeutet diese gigantische Abstraktion schlussendlich dann auch, dass die Nettovermögen bzw.- -schulden sich mit den entsprechenden, öffentlichen Konten verändern, also steigen und fallen.

Grobe Vereinfachungen haben in den meisten Fällen den Nachteil, dass darin all jene Komponenten wegfallen, die für eine gezielte Veränderung der Sachlage wichtig und notwendig sind. Man kann also wenig damit anfangen und auch das Verständnis leidet arg am Groben. Eine der am meisten strapazierten Aussagen aus der Vorstellungswelt der MMT ist, dass nationale Haushalte mit ausgeglichenen Konten notwendigerweise Haushalte mit unausgeglichenen Konten in einem anderen Land der Welt bedingen. Diese unsinnige und sachlich unrichtige Schelte von Volkswirtschaften mit Exportüberschüssen vermengen unbemerkt ständig eine Binnen- mit einer Außensicht im Vergleich zweier Volkswirtschaften, der zudem noch völlig konstruiert ist. So wird behauptet, die deutsche Volkswirtschaft hätte direkt einwirkend etwas mit allen Volkswirtschaften zu tun, die keinen Leistungsbilanzüberschuss ausweisen; abenteuerlich!

So entziehe z.B. die Eurozone, also die Volkswirtschaften mit einer einheitlichen Währung, dem Euro, durch ihre Haushalte der "schwarzen Null" einen "Teil der Weltnachfrage" und "sorgt so für einen höheren preislichen Wettbewerb, der sich deflationär auswirken wird. Die nächste Rezession wird die Inflationsraten sicherlich erneut in den negativen Bereich stoßen, sofern nicht mit massiver staatlicher Ausgabenpolitik gegengesteuert wird."(Ehnts, 2017, S. 98)

Weder weisen die Haushalte der Eurozone alle eine schwarze Null aus, noch sorgt die Eurozone generell für einen preislichen Wettbewerb. Die schwarze Null ist gar keine Null, sondern eine im Maastricht-Vertrag festgeschriebene Grenze der jährlichen Neuverschuldung bis zu 3% des jeweiligen BIPs der Staaten der Eurozone und wird auch von kaum einem Land der Eurozone erreicht; im Gegenteil. Allenfalls tendenziell würde dieses Argument auf die deutsche Volkswirtschaft zutreffen, die aber, konträr zu der Behauptung des unfairen Preiswettbewerbs gerade im Jahr 2018 deutliche 'Preisabschläge' zu verzeichnen hatte aufgrund der Devisendifferenzen. Der starke Euro hatte also sichtbar negative Auswirkungen auf alle Länder der Eurozone und ganz besonders starke auf die deutsche Volkswirtschaft. Bei den Dax-Konzernen sank der Vorsteuergewinn durch den starken Euro um mehr als drei Prozent woraus man erkenn kann, dass die Konstruktion von Leistungsbilanzüberschüssen, die in Deutschland Rekordhöhe hatten, und Preiswettbewerb so nicht stimmen kann.

Die Inflationsraten in den Schwellenländern z.B. haben ganz andere Gründe, die vor allem wenig mit Exportüberschüssen im Westen oder in Deutschland zu tun haben. Gerade die Schwellenländer handeln nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten, wenn sie versuchen, die Kosten für ihre Kredite - und jetzt sprechen wir im weltwirtschaftlichen Sinne über die wirklichen Größenordnungen an Geldströmen - so gering wie möglich halten. Waren diese Länder eben noch in US-Dollar verschuldet, so sind sie es heute, da der Euro schwächelt, in dieser Währung verschuldet. Warum man in der MMT keine angemessene Theorie oder Würdigung von Devisenspekulationen findet, man deren Geheimnis bleiben. Hier, wenn es um Staatsverschuldung geht, kommt man aber um die sog. Carry Trades29 nicht umhin, oder zu einem bloß marginalen Verständnis des. Sachverhalts



Es grenzt schon nahezu an einer Verweigerung der Aufnahmen von Informationen, wenn ein Phänomen wie der sog. Yen Carry Trade, der nahezu zwanzig Jahre lang als ein versteckter Motor der Weltwirtschaft galt, theoretisch nicht zur Kenntnis genommen wird, jedenfalls nicht adäquat. Diese Yen Carry Trades summierten sich im Laufe der Jahre zu einer Geldmenge im Billionenbereich und hatte zwei Antriebsfaktoren, einmal die extrem lockere Geldpolitik der japanischen Zentralbank und deren fortgesetzte Interventionen am Devisenmarkt. Zwei Voraussetzung für erfolgreiche Carry Trades auf den Forex-Märkten mussten gegeben sein, zwei Kriterien, die sich bedingen. Einmal eine niedrig notierte und stetig weiter fallende Währung und ein relativ starker, stabiler US-Dollar. Dann liefen die Yen Carry Trades lange Zeit sehr erfolgreich und die japanische Wirtschaft profitierte davon wie die Finanzzentren in den Industrieländern.

Unternehmen wie Honda, Toyota, Mitsubishi, Niko, Fuji, Komatsu, Toshiba und Toyota waren in der Lage, ihre Produkte auf dem Exportmarkt zu wettbewerbsfähigen Preisen anzubieten und zugleich profitierten die Finanzzentren in den Industrieländern von den satten Geldströmen aus Japan. Das lief so gut, dass der japanische Yen zum wichtigsten Kanal für die Geldbeschaffung avancierte, ganz unbeschadet von der japanischen Staatsverschuldung. Ja, man kann sogar sagen, die japanische Staatsverschuldung war ein, nicht der einzige Faktor, der Niedrigzinspolitik der japanischen Notenbank. Aber nur im Verein mit einer anderen Währung, also einem Währungspaar, sind Carry Trades möglich.

Wir halten fest, die relativ stabile Asymmetrie im Währungspaar US-Dollar/Yen wurde gerade durch die Verwendung von großen Mengen Fremdkapitals durch die Carry Trader sichergestellt. Die investierten in die Aktienmärkte in den USA, in Europa, Geld floss in neue Wachstumszentren in den Emerging Markets auf fast allen Kontinenten der Erde, in deutsche Staatsanleihen, was vielfach unbeachtet blieb, oder – wie seit 1999 – in Rohstoffe. Das alles ging bis zum Ausbruch der internationalen Finanzkrise 2007/08 und dem Zusammenbruch der Lehman Brothers, die die Zeit der Yen Carry Trades beendete.

Wenn wir in diesem Zusammenhang von Zeit sprechen, dann sprechen wir von unglaublich wenigen Wochen, die es brauchte, den Yen Carry Trade abzuwickeln, was zwischen August und Oktober 2008 als eine direkte Folge der Finanzkrise geschah. In nur wenigen Wochen wurden die Rückgänge des japanischen Yen aus sieben Jahren vernichtet und führte u.a. auch zum Crash des Währungsverhältnissen Yen/Euro, der sich parallel zum Einbruch an den Aktienmärkten vollzog. Die Kurven von Euro und Yen zeigten beide Richtung Äquator, so sagen die Marktkommentatoren, wenn sie von steil nach unten fallen Kursen sprechen. Wir sehen also, dass es hauptsächlich der Abzug von gigantischen Geldmengen war, der zur Abwicklung der Yen Carry Trades nötig war und der zugleich die Finanzmärkte wie die Finanzzentren der westlichen Welt an den Rand des Ruins führte; aber nur kurzfristig.

Wir haben andere Währungspaare gesehen, die strukturell nur nicht nominell die Lücke der Yen Carry Trades schließen mochten, so z.B. US-Dollar/ASD. Bereits kurze Zeit nach Ausbruch der Finanzkrise 2007 füllte der US-Dollar die entstandene Lücke. Der US-Dollar eignete sich nach Meinung aller Marktteilnehmer hervorragend als Ersatz zum Yen Carry Trade. Er erfüllte bereits im Jahr 2008 exakt die Bedingungen für Dollar Carry Trades: Anhaltend niedrigen Zinsen aufgrund eine angeschlagenen Bankensystems, das durch die US-Notenbank dauerhaft gestützt werden musste, was in der Folge eine schwache Währung bedeutete. Die Finanzwelt entzog dem US-Dollar das Vertrauen und gerade das war die Grundlage für eine Fortführung einer Vielzahl von Investitionsmöglichkeiten mit dem Geld, welches in den Finanzzentren in Dollar-Währung aufgenommen wurde.

So wurde der US-Dollar zur neuen Carry Trade Währung und über die Zeit der QE-Programme der FED, die den Kauf langläufiger Staatsanleihen im Wert von hunderten Milliarden Dollar extrem forcierte und damit die Verlängerung der Fed-Bilanz um 1250 Mrd. US-Dollar betrieb, nahmen Carry Trader in gewohnter Manier einen in Dollar lautenden Kredit auf und kauften damit Aktien und Rohstoffe. Das war der Grund, warum der US-Dollar immer weiter fiel, während andere Aktiva wie Rohstoffe oder Aktien immer weiter stiegen.30

Und was waren, was sind die Folgen heute? Es sind die bereits aus den Yen Carry Trades bekannten. Eine Zeitlang versorgte der US-Dollar die Weltwirtschaft mit Liquidität. Dann kam die Phase, als der Dollarkurs anstieg und die Versorgung mit Liquidität die Weltmärkte über die Finanzzentren nicht mehr so ausgiebig erreichte. Sinkende Liquidität aber bedeutet vor allem in den Schwellenländern, aber nicht nur dort, dass Aktive wie Aktien und Rohstoffe (und viele andere), in denen auch die Reserven der Notenbanken investiert waren, plötzlich massiv verkauft werden mussten.

Die Fed war nun in der äußerst misslichen Lage, dass sie mit der Stabilisierung des US-Dollars und eine Erhöhung der Zinsen sowohl die Dollar Carry Trades wie auch ihre Exportpreise beschädigen würde, insgesamt das Wachstum der Weltwirtschaft deutlich abbremsen würde. Die Fed hatte deutlich sichtbar ein ganzes Jahr lang schwere Bauchschmerzen bei der Formulierung ihre Exitstrategie vom billigen Geld.

Da kam ihr der Euro zu Hilfe. Nun übernahm der Euro bestens gerüstet mit allen Bedingungen für Euro Carry Trades die Rolle des US-Dollars. Die Fed konnte moderat in mehreren Schritten die Leitzinsen anheben, ohne zu riskieren, dass für Investoren, also auch für US-Investoren die Tür zu den weltweiten Carry Trades zugeschlagen würde. Schwellenländer mussten mühsam aber alternativlos ihre Staatschulden von Dollar in Euro umschulden und vor allem die notorisch defizitären Volkswirtschaften der Türkei und Argentinien waren angewiesen auf den Umstieg zum Euro, der aber nur zum Teil die große Lücke ausfüllen kann, die der US-Dollar in die Budgets dieser Länder reißt.

Sowohl in Argentinien wie in der Türkei hat sich die Veränderung im Dollar zur Katstrophe ausentwickelt. Die Notwendigkeit, wegen der hohen Inflation im Land die Zinsen in beiden Ländern weiter anzuheben, konnten die Notenbanker nicht mehr leisten und beließen den türkischen Leitzins z.B. bei sagenhaften 24 Prozent. Die Märkte aber zeigten sich weitgehend unbeeindruckt von diesem Leitzinssatz und auch der Lehrsatz der MMT, dass mit der Staatsverschuldung auch der private Sektor anziehe, verfing mitnichten. Alles dies genügt eben nicht, um Investoren davon zu überzeugen, dass sie mehr zum Eindämmen der Inflation einer nationalen Geldpolitik beitragen werden. Nicht einmal eine über 8 prozentige Rendite für die in Dollar notierte, zehnjährige türkische Staatsanleihe, die damit auf dem höchsten Niveau seit dem Schwellenland-Ausverkauf im Herbst 2018 notiert, kann rendite-begeisterte Investoren in diese Märkte locken.

Einzig die Anbieter von Credit Default Swaps, jenen Ausfallversicherungen, die auch zur Beschleunigung der Finanzkrise 2007/08 im Wesentlichen beigetragen haben, freuen sich bester Geschäfte. Deren Preise notieren auf dem höchsten Stand seit 2015 und tragen ihren Anteil daran, dass sowohl der argentinische Peso als auch die türkische Lira auf dem Devisenmarkt zu den größten Verlierern gegenüber dem Dollar heute gehören.

Aber zur ganzen Geschichte gehört auch, dass die durch den starken Euro gegenüber dem US-Dollar entgangenen Währungsgewinne in Jahren eines schwächeren Dollars kompensiert werden; zu welchen Teilen kann natürlich niemand sagen. Besonders die exportstarke deutsche Wirtschaft profitiert und verliert durch Währungsschwankungen des Euro gegen Dollar besonders stark, anders als viele andere Eurozonen-Wirtschaften.

Die US Unternehmen, die Waren ins Euro-Ausland liefern, gewinnen ihrerseits durch einen schwachen Euro wie umgekehrt verlieren Devisengewinne bei einem starken Euro. Nimmt man die Gewinne hinzu, die den US-Unternehmen entstehen, die ihre Lizenzeinkünfte in europäischen Steueroasen verbuchen wie etwa den Niederlanden und Irland, dann summieren sich Steuer- und Währungsgewinne in Zeiten eines schwachen Euros auf Unternehmensebene zu einem recht ansehnlichen Sümmchen neben den allgemeinen Wohlstandsgewinnen der US-Wirtschaft wie der US-Regierung, die in Zeiten des Euro Carry Trade anfallen. Wenig bis gar nicht davon erfährt der durchschnittlich informierte Bürger, diesseits und jenseits des Atlantiks.

Zu den Mythen der neoliberalen Ökonomie - wir verwenden den Ausdruck: neoliberale Ökonomie im Sinne der historischen Fortentwicklung der liberalen Marktwirtschaft - gehört im Kern der Ansatz, dass die Entwicklung der liberalen Marktwirtschaft, also eines Systems wirtschaftlichen Handelns auf der Grundlage der Liquidierung von Privateigentum innerhalb eine privatrechtlich verfassten Grundordnung, zugleich auch dem Wohlstand der Nation dient, also die soziale Wohlfahrt mit dem individuellen Wohlstand harmonisiert. Harmonisierung meint sowohl einen Ausgleich bzw. eine Angleichung des individuellen Wohlstands wie die Angleichung der sozialen Wohlfahrt für alle Bürger. Diesen Ansatz der Harmonisierung der Lebensverhältnisse trägt auch die moderne Money Theory in sich mit allen Antinomien, die diesem Ansatz inhärent sind und aus einer Vielzahl von strukturell asymmetrischen Bedingungen innerhalb einer sozialen Gemeinschaft herrühren, seien sie politisch-ökonomischer, wirtschaftlich, rechtlicher oder kultureller Art.

Der neoliberale Mythos der Gleichheit, der seinen Anfang in der Rechtsauffassung der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer demokratischen Staatsform genommen hat, wurde wenig hinterfragt einfach als innerer Kern der liberalen Marktwirtschaft übernommen. In dieser Wirtschaftsform wurde lange Zeit behauptet, dass die Spaltung einer Gesellschaft in wirtschaftlich reiche und arme Gruppen am besten harmonisierbar sei. Die Empirie hat aber gezeigt, dass mit der Angleichung der Lebensverhältnis, also einer reich mechanischen Betrachtung, dass immer mehr Menschen immer mehr verdienen und immer bessere Chancen in den soziale Wohlfahrtssystemen finden, nicht stimmt. Die Kluft zwischen Arm und Reich hat sich vergrößert in den westlichen Marktwirtschaften, was heißt, dass immer weniger Reiche im mehr Wohlstand erreichen und immer mehr Arme immer weniger an den Wohlfahrtsystemen partizipieren. Eine graduelle Abweichung davon haben wir versucht zu beschreiben in dem, was man gemeinhin als eine soziale Marktwirtschaft bezeichnet.

An diesem neoliberalen Mythos will auch die EU als Ganze und die Eurozone im Besonderen gemessen werden. Und eben daran entzünden sich die schwersten Kritiken, die heute sowohl von der MMT wie auch vonseiten der kritischen Monetaristen ausformuliert werden, wobei die deutschen Vertreter dieser Denkmodelle langsam dazu kommen, Grundauffassungen von der MMT mit denen des akademischen Monetarismus zu verbinden31 . Deshalb kommen wir nicht umhin, uns weiter mit Denkmodellen zu beschäftigen, die die Welt nach Wynne Godley in einen privaten, einen öffentlichen Sektor und den Rest der Welt unterteilen.

Diesem Denkmodell entsprechend führt die Asymmetrie zwischen Arm und Reich zu einer fundamentalen Störung des Prinzips des Homo Oeconomicus, führt also zu einer strukturell immer schwächer werdenden Nachfrage, die immer weniger Wohlstand produziert und gleichzeitig durch steigende Arbeitslosigkeit und deren Alimentierung die Substanz der gesellschaftlichen Wohlfahrt im Kern bedroht. Holzschnittartig plädieren Autoren der MMT für eine Umverteilung des Wohlstandes und wissen einzig eine Betrachtung auf ihrer Seite, dass nämlich mit der Ausweitung der Wohlstands-Kluft sich auch die Wohlfahrt nicht mehr finanzieren lässt in Form eine höheren Steuer oder Sonderabgaben für die Reichen einer Gesellschaft; das ist mäßig.

Die Holzschnitte nehmen dann in summa noch zu, wenn es um die Wohlfahrt in den Ländern der Eurozone geht. Einig ist sich die MMT anscheinen darin, dem privaten Sektor jegliche Aussicht abzusprechen, die Harmonisierung von Arbeit zur sozialen Wohlfahrt jemals erreichen zu können. Und die MMT sieht im Faktor Arbeit als wichtigsten Teil des privaten Sektors eben jenen Spaltpilz der Gesellschaft, der zwar durch technische Innovationen und marktwirtschaftliche Dynamik am Wachstum gehindert werden kann, Innovation und Dynamik aber sind daselbst durch deren Angewiesenheit auf Liquidität und der dauernd damit verbundenen Gefahr der Inflation nicht in der Lage, auf mittlere bis lange Sicht Vollbeschäftigung zu garantieren.

Ein wenig wird man erinnert an die sozialdemokratischen Ideologien der 60er und 70er Jahre des letzten Jahrhunderts und wundert sich nicht schlecht, aus welcher Richtung und welchen Denkmodellen die wieder auf uns zu schwappen. Diese Modelle, die den Zeigerfinger der Vorsicht bei jedem Boom in der Realwirtschaft, bei jeder Blase in der Finanzwirtschaft hoch in die Luft recken, haben anscheinend immer noch nicht die innere Dynamik der Märkte in einer Marktwirtschaft verstanden. Die brauchen den Finger nicht, schon gar nicht einen, der von einem Verstand gesteuert wird, dem die Marktmechanismen nicht vertraut sind.

Jeder Markt innerhalb einer marktwirtschaftlichen Ordnung hat ein Selbstkorrektiv, um überbordenden Prozesse einzudämmen; das ist das Prinzip der Preise, sich nach oben und nach unten dynamisch anzugleichen. Wenn aber Phasen eines Booms sich ausbilden, dann sind es eben nicht die Preise und die anderen Marktmechanismen, die hier aussetzen, sondern politischen Regelungen, oder ausgebliebene Regelungen, die dies verursachen. In der letzten großen Finanzkrise kamen dabei mehrere Faktoren der Politischen Ökonomie zusammen, die wir eingehend erklärt haben. Und so ist auch bei der aktuellen Krise in Staaten der Eurozone.

So ist das Urteil der MMT, dass allein der öffentliche Sektor wesentlich beitragen könnte zur Vollbeschäftigung, geradezu ein Lehrbeispiel für mangelnde Kenntnisse und dies aus dem Munde ausgewiesener Ökonomen. Ohne einen Ansatz einer Politische Ökonomie werden dann aus der Giftküche die Rezepte für eine gesunde Ernährung entwickelt. Dann wird eben der Staat zum Allheilmittel gegen Rezessionen, die den Boom- und die Übertreibungsphasen der Wirtschaft strukturell begleiten. Dann glaubt man, der Staat könnte in Zeiten der Rezession, sofern seine monetär-fiskalischen Regeln vernünftig ausgestaltet sind, die ausgefallene private durch eine erhöhte staatliche Nachfrage ersetzen, um so die Ökonomie [zu] stabilisieren." (Ehnts 2017)

Der Ruf nach mehr Staat wird dann um so lauter, je näher die MMT sich an die Eurozone heranwagt. Die westliche Ökonomik steht Kopf in manchen Auffassungen, vor allem in der, dass die Regierungen durch hemmungslose Ausgabenpolitik sich der Marktkontrolle durch die Finanzmärkte, die Devisenmärkte eingeschlossen, entziehen könnte. Das Bild von autonom über ihre Haushalte entscheidenden Regierungen, von Regierungen, die politisch und finanziell sowie in Sachen Haushaltsdisziplin, also von transnationaler Verbindlichkeit vernünftig motivierten Regierungen ist ein fast schon metaphysisches Bild; jedenfalls keins von empirischer Wahrscheinlichkeit. Wann hat man je eine solche "Regierung" in den letzten viertausend Jahren in der westlichen Welt gesehen oder von einer solchen gehört? Gewiss, für die Zukunft sollte alles vorstellbar sein, aber auch eine Wirklichkeit, die dieses Bild zur Grundlage hat?

"Die Rezeption der MMT in Deutschland war bisher skeptisch bis ablehnend. Dies ist allerdings zu erwarten bei einer neuen Denkschule, die verschiedene Stränge neu kombiniert und dadurch natürlich alte Stränge gegen sich aufbringt." (Ehnts, 2015, S.99)

So oder ähnlich klingen des Öfteren die Erwiderungen auf Kritik, man sei zu neu und die anderen verstehen einen deshalb nicht; wie billig. Weder ist die MMT neu, noch ist sie zu brisant, zu disruptiv. Alles das ist sie nicht, gleichwohl einige Grundüberlegungen wert sind, angestellt zu werden. Die grundlegendste aber aller Überlegungen, dass aller der öffentliche Sektor, also der Staat über eine expansive Geldpolitik Vollbeschäftigung herstellen kann, ist nicht nur zu bezweifeln, sondern die fundamentale Kritik daran geht weit darüber hinaus.

In einer Welt, die zunehmend durch dezentrale Prozesse der Ökonomie gestaltet wird, ist zugleich der Einfluss der Staaten im Sinne von Nationalstaatlichkeit und Protektionismus der eigenen Ökonomie sowohl in wirtschaftspolitischer wie in geldpolitischer Art kontraindiziert. Von China, wo der Einfluss fast total ist, über die USA und auch in Europa bzw. in Deutschland nimmt der Einfluss des Staates in die Marktwirtschaft zu. Wir sehen bereits eine umfassende Transformation der Marktwirtschaft in eine Politische Ökonomie, allen voran in China und den USA.

In dieser Situation zunehmender Umwandlung marktwirtschaftlicher Strukturierung von Arbeit und Kapital in eine Politische Ökonomie der Einflussnahme der Politischen Ökonomie noch das Wort zu reden und Vorschub zu leisten, ist gerade aus den Quellen der akademischen Ökonomik in den USA und Deutschland mehr als bemerkenswert. Dieser Schulterschluss von volkswirtschaftlicher Intelligenzia mit dem System der politischen Macht zeigt ganz deutlich einen immensen Anpassungsdruck, dem die Ökonomik zu unterliegen droht.

Der Kotau vor der Politik in China ist ein bestehendes, lang geübtes Ritual einer undemokratischen, autoritären Gesellschaftsform. Einen solchen in den USA begrüßen zu müssen, ist doppelt bitter und wirft einen dunklen Schatten autoritären Potentatentums über den größten Teil der Welt. Dass ein wiederentdeckter Zweig der neokeynesianischen Ökonomie gerade in diesen Zeiten der liberalen Marktwirtschaft das Leichentuch überwirft, zeigt, wie wenig von der Geschichte der volkswirtschaftlichen Theorien sich letztlich als ein Wissen durchgesetzt hat, dem die westlichen Marktwirtschaften ihre weitgehende Autonomie verdankt haben.



So richtet sich die Kritik an der MMT durch Wendl32 auf eine der zentralen Fragen an die Eurozone, also an eine neue Form einer Wirtschaftsgemeinschaft aus nationalen Volkswirtschaften, dass mit hohen Staatsschulden notwendig ein hoher Zinsanstieg für jedes Land, welches die Eurozone verlässt, verbunden sein wird. Außerhalb also der harmonisierenden Geldmärkte müsste etwa Griechenland seine Restautonomie gänzlich verlieren, weil die Zinsen so viel vom Steueraufkommen verzehren, dass die Handlungsfähigkeit vor allem für arbeitsmarktrelevante Maßnahmen schnell aufgebraucht wäre. Das wiederum führe zu weiter steigenden Staatsausgaben, will die griechische Regierung diesen Handlungsverlust wieder aufhalten.

Dem steht die MMT konträr gegenüber mit der Behauptung, dass eine autonome griechische Regierung durch ihre autonome Geldpolitik gar nicht in eine "Zinsfalle" geraten würde, da die griechische Zentralbank Staatsanleihen in eigener Währung unbegrenzt kaufen und so die Zinslast des Staates auf niedrigem Niveau kontrollieren könnte.

"Das Finanzministerium zahlt Zinsen an die Zentralbank, diese verbucht einen Gewinn und überweist ihn zurück an das Finanzministerium. Wie soll der Staat da je in eine Schulden- und Zinsfalle laufen?" (Ehnts, 2017, S.100).

Betrachten wir das als eine der grundlegenden Fragen, die sich besonders im Rahmen einer Betrachtung der Eurozone vielleicht weiter klären kann.

Eine weitere grundlegende Frage ergibt sich aus dem Zusammenhang der neoklassischen Auffassungen zur Leistungsbilanz. Die Leistungsbilanz einer Volkswirtschaft hängt der neoklassischen Vorstellung nach grundlegende vom Vertrauen in die nationale Währung und damit vom Geschehen auf den Devisen- bzw. Forex Märkten ab. Die MMT führt dagegen die Vorstellung ins Feld, dass die Leistungsbilanz fundamental vom Vertrauen der Kredit- bzw. Kapitalmärkte gegenüber den Unternehmen abhängt. Und damit verbunden ist auch die Kritik an dem neoklassischen Gleichgewichtsmodell von Importen und Exporten im Leistungsbilanzsaldo. Importe und Exporte entwickeln sich demnach parallel, als Importe durch Devisen finanziert werden, die vorher durch Exporte erzeugt wurden.

Dagegen führt die MMT das japanische Modell ins Feld sowie die Behauptung, dass Länder der EU, ohne den Euro, also z.B. Großbritannien, besser durch die Krise - welche genau wird nicht klar - gekommen sind, weil sie eben keine Probleme mit der Finanzierung ihrer Importe über einen Devisenüberschuss hatten.

Palley (2015)33 legt das Hauptaugenmerk seiner Kritik an der MMT darauf, dass diese als Modell zu statisch sei, da ihr ein systematisches Verständnis der Inflation fehlt. Im Kern trifft die Kritik aber das fundamentale Verständnis der Neoklassik wie auch den Chartalismus selbst. Hat die eine keine Antwort auf die dynamischen Prozesse einer Marktwirtschaft, weil sie mit ihren mathematischen Modellen die ökonomischen Triebkräfte, die auch die Konjunkturzyklen antreiben, nicht erfassen kann, so verfehlt die andere eben diese in ihrem Chart-Tabellarismus. Die post-chartalistischen Ansätze wollen gerade diese dynamischen Kräfte in einer Neubetrachtung der Geld- und Fiskalpolitik herausarbeiten; wir werden im weiteren Verlauf sehen, ob dies gelingen kann. Bislang haben wir nach unserer ersten Inspektion dabei erhebliche Zweifel.

Die Frage also bleibt: Kann die MMT ihren Anspruch erfüllen, eine bessere, konkretere und korrektere Beschreibung der Funktionsweise unseres Geldsystems liefern? Könnte sie das, ist dann auch zugleich ein Weg offen zu einer Formulierung einer progressiven Wirtschaftspolitik?

Ehnts hat elf Thesen bzw. Kernaussagen in die Debatte gestellt. Sie sollen eine öffentliche Debatte befördern und dabei die neoklassischen Theoreme überwinden und so einen neuen Blick freigeben auf die ewigen Fragen der Ökonomik, fokussiert auf eine sich ausbreitende Ungleichheit und eine drohende Arbeitslosigkeit, die das System Marktwirtschaft ohne staatliche Eingriffe über die Maßen hinaus hervorbringt.

  1. Die staatliche Verschuldung erzeugt in gleicher Höhe private Vermögen. Wir vererben sowohl Schulden wie auch Vermögen an zukünftige Generationen.

  2. Der Staat sollte nicht Pleite gehen können, so wie es in der Eurozone möglich ist.

  3. Die heutige Austeritätspolitik erhöht die Arbeitslosigkeit.

  4. Ein Staat, der wie ein Bundesland keine risikofreien Anleihen begeben kann, sinkt auf den Status eines Bundeslands ab und verliert die Kontrolle über sein Wachstum.

  5. Der Staat kann Arbeitslosigkeit durch mehr Ausgaben beseitigen. Dazu braucht er keine Steuern, sondern ein geeignetes fiskalisches Arrangement.

  6. In der Eurozone fehlt eine fiskalische Institution, welche die Arbeitslosigkeit in schlechten Zeiten durch höhere Ausgaben bekämpft.

  7. Wir brauchen keine Ersparnisse, sondern Kredite, um Investitionen zu finanzieren. Das gilt auch für eine sozial-ökologische Transformation.

  8. Die Immobilien in Spanien und Irland wurden nicht mit deutschen Ersparnissen finanziert.

  9. Die Eurokrise ist keine "Staatsschuldenkrise", sondern ein aus dem Ruder gelaufener Immobilienboom in Irland und Spanien mit "dickem Ende". Zudem hat der Staat vor der Krise zu wenig ausgegeben und in der Krise dann diese Minderausgaben noch verschärft.

  10. Der Bankensektor sollte so reguliert werden, dass durch Kredite Investitionen finanziert werden, die das Gemeinwohl fördern. Erhöhte Produktivität in der Produktion ist dabei ein legitimes Motiv.

  11. Ein Leistungsbilanzüberschuss erhöht die Verschuldung des Auslands. Höhere Löhne und entsprechend stärkere Binnennachfrage reduzieren den Leistungsbilanzüberschuss.



Anmerkungen:

1 Führende Vertreter der MMT sind Warren Mosler, Bill Mitchell [1], Randall Wray, Stephanie Kelton [2], Pavlina Tcherneva, James K. Galbraith [3] und Michael Hudson. Auch Scott Fullwiler, Fadhel Kaboub, Mathew Forstater und in Europa Dirk Ehnts, Andrea Terzi und Paul Steinhardt werden der Schule zugerechnet. Viele dieser ÖkonomInnen sind oder waren am Bard College in New York oder an der University of Missouri–Kansas City tätig.

2 Warren Mosler: Full Employment AND Price Stability. Abgerufen am 06. April 2019 (amerikanisches Englisch, frei zugängliche Version) Artikel ohne Grafiken.


3 Georg Friedrich Knapp: Staatliche Theorie des Geldes. Duncker & Humblot, Leipzig 1905. Darin argumentiert Knapp gegen die Geldwerttheorie des sog. Metallismus und den darauf basierenden Wertberechnungen nach dem Goldstandard.

4 Als Kreditgeber letzter Instanz wird im Finanzwesen eine Institution bezeichnet, die als Kreditgeber oder Garant bei Schuldnern freiwillig oder auf gesetzlicher Grundlage fungiert, wenn hierzu niemand anders mehr bereit ist, z. B. der IWF.


5 Moral Hazard bedeutet Fehlanreize – Personen oder Unternehmen können sich aufgrund ökonomischer Fehlanreize verantwortungslos oder leichtsinnig verhalten und damit ein Risiko auslösen oder verstärken.

6 Der EONIA (Euro OverNight Index Average) ist der Zinssatz, zu dem auf dem Interbankenmarkt im Euroraum unbesicherte Ausleihungen in Euro von einem Target-Tag auf den nächsten gewährt werden. Ein Target-Tag ist jeder Tag, an dem das Target-2-System Zahlungen abwickelt.

7 Vgl. Sinn (2014) a.a.O. S. 207-214, darin BOX 5.1 Der STEP-Markt.

8 FOCUS Magazin, Nr. 52 (2000)

9 Georg Friedrich Knapp: „Staatliche Theorie des Geldes“, Leipzig, Duncker £ Humblot. 1905.

Eine sehr gute, kurze Zusammenfassung dr Themen der MMT finden sich in: Dirk Ehnts: Modern Monetary Theory und Europäische Makroökonomie, Berlin 2017.

10 Wir gehen nur soweit auf die Implikationen der MMT ein, wie uns das für unser Verständnis als klärend und wichtig erscheint. Detailierte Betrachtungen finden sich zahlreich in der Literatur.

11 Die Theorien der Natur des Geldes können in den Metallismus und den Chartalismus unterteilt werden. Obzwar der Ursprung beider Theorien zurück zu Plato und Aristoteles verfolgt werden kann, wurden die Begriffe Metallismus und Chartalismus von Knapp (1905) erstmals verwendet. Schumpeter hielt als erster fest, dass beide Theorien inkompatibel sind (zit. in Ellis, 1934:3)


12 An dieser Stelle böte sich ein Vergleich an von zwei Aussagen zur Wirkungsweise von Finanzinstrumenten als Tauschmedien, die auf Patinkin (1965) und Clower (1967) zurückgehen und von ihnen für Geld formuliert worden sind. Patinkin stellt am Beginn seines Buches (Seite xxiii) die berühmt gewordene Maxime: "Money buys goods, and goods do not buy money" auf, die Clower Bezug nimmt. Vgl. dazu: Intertemporale Tauschökonomien mit unvollständigen Marktsystemen von Rolf Schmachtenberg, eBook S. 19f.

Siehe auch die in den 40er Jahren von Oskar LANGE (1942) ausgelöste, später nach Don PATINKIN benannte "PATINKIN-Kontroverse" über gewisse Mängel in den formalen Darstellungen der Neoklassischen Theorie (makroökonomische Modelle). Zentrale Elemente der Kontroverse bilden das WALRASsche Gesetz, das SAYsche Gesetz und im besonderen die neoklassische Dichotomie, wonach sich die relativen Preise (Austauschverhältnisse) der Güter im realen Sektor und die absoluten Preise (Preisniveau) im monetären Sektor der Wirtschaft bestimmen. LANGE behauptet, dass das SAYsche Gesetz jede Geldtheorie, speziell die Determination der absoluten Preise mit Hilfe der Cambridge-Gleichung, ausschließt, weil im Falle einer jederzeitigen Übereinstimmung von Güterangebot und Güternachfrage aufgrund des Gesetzes von WALRAS das Geldangebot notwendig immer gleich der Geldnachfrage ist, unabhängig davon, welchen Wert das Preisniveau annimmt. Sofern also das SAYsche Gesetz gilt, bleiben die absoluten Preise der Güter modellmäßig unbestimmt. PATINKIN (1965) weist zusätzlich auf den logischen Widerspruch hin, der zwischen der Cambridge-Gleichung und der neoklassischen Standardannahme besteht, dass Güterangebots- und -nachfragemengen nur von den relativen (und nicht von den absoluten) Preisen abhängen. Denn unter dieser Voraussetzung gilt, dass das gesamtwirtschaftliche Überschußangebot an Gütern und mithin (bedingt durch das Gesetz von WALRAS) die gesamtwirtschaftliche Überschußnachfragefunktion nach Geld homogen vom Grade Null in den absoluten Preisen sind, während die Cambridge-Gleichung eine Überschußnachfragefunktion für Geld impliziert, die lediglich homogen vom Grade Null in den absoluten Preisen und in der nominalen Geldmenge ist und insofern eine völlig anders geartete Eigenschaft aufweist. PATINKIN versucht, diesen Widerspruch dadurch zu beseitigen, dass er die reale Geldmenge (PIGOU-Effekt) als zusätzliches Argument in die Güterangebots- und -nachfragefunktionen einfügt. Dadurch wird zwar das Problem der modellmäßigen Inkonsistenz gelöst, aber die Frage der Unbestimmtheit der absoluten Preise bleibt nach wie vor offen. Literatur: Richter, R. (1990) in Wirtschaftslexikon. Abgerufen am 12.04.2019


13 John Hicks: Critical Essays in Monetary Theory, Oxford 1967, S. 1 S.1

14 Das Fraktionale Reserve-System oder Mindestreserve-resp. Teilreserve-System ist ein Währungssystem, bei dem eine Bank lediglich einen Teil der Bankguthaben stets verfügbar als Reserve zur Auszahlung halten muss. Der Mindestreserve-Satz legt dabei die Höhe der verpflichtenden Reserve fest. Damit ist es möglich, im Mindestreserve-System die Geldmenge des zugrundeliegenden Währungssystems weit über das Niveau der tatsächlich hinterlegten, zur Verfügung stehende Reserve auszudehnen. Wikipedia)

15 In der BRD ist dies institutionell so geregelt, dass das Bundesfinanzministerium (BMF) die Aufsicht darüber hat. Ihm gehört die Deutsche Finanzagentur GmbH in Frankfurt a. M., welche die Staatsanleihen ausgibt. Das BMF führt auch das Konto der Bundesregierung bei der Deutschen Bundesbank. Der Staat hat also, anders als die schwäbische Hausfrau, sein Konto direkt bei der Zentralbank.(Ehnts, S. 3)

16 Bilanzkosmetik, Bilanzverschönerung, Bilanzaufhübschung oder Bilanzfrisur (englisch window dressing mit der wörtlichen Bedeutung „Fensterdekoration“, von daher auch im Deutschen oft mit dem Anglizismus Window Dressing benannt) bezeichnet alle Maßnahmen im Rahmen der Bilanzpolitik, die der optischen und kurzfristigen Gestaltung des Bilanzbildes vor dem Bilanzstichtag dienen und dem Bilanzleser einen möglichst günstigen Eindruck von der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens verschaffen sollen. Ähnliche Begriffe sind kreative Buchführung (englisch creative accounting) und Ertragsgestaltung (englisch earnings management) (Wikipedia).

17 Als Emergency Liquidity Assistance (ELA, Notfall-Liquiditätshilfe) wird ein Instrument der nationalen Notenbanken des Eurosystems bezeichnet.


18 Plickert in FAZ vom 25.06.2015, abgerufen 16.04.2019.

19 1 Ehnts 2017. S. 92

20 Die Steuerquote gibt rechnerisch das Verhältnis zwischen den Steuereinnahmen und dem Bruttoinlandsprodukt in Prozentpunkten an.

21 Wray, L. Randall (2000): What is money and where did it come from? In: Smithin, John (Hrsg.): What is Money? London: Routledge, S.42-66. S. 50

23 Paqué, Karl-Heinz (2015): Die Rückkehr der Ideologien. In: Perspektiven der Wirtschaftspolitik 16 (3), S.302-321.

24 Siehe ifo Institut - Center for Economic Studies (CES) CESifo

25 Vgl. Sinn (2015), S. 259ff.

26 In der Wirtschaftswissenschaft bezeichnet die Loanable-funds-Theorie (deutsch auch: Theorie der ausleihbaren Fonds) eine Theorie zur Bestimmung des Zinssatzes. Nach dieser Theorie wird der Marktzins durch Kreditangebot und Kreditnachfrage bestimmt.

27 Dabei wird unterstellt, dass die höhere Kreditaufnahme nicht zu höheren Beleihungsaufschlägen führt, was oft der Fall ist.

Gehen wir davon aus, dass er das Darlehen innerhalb von 20 Jahren komplett tilgen wird. Dann wird in diesem Beispiel für beide Darlehen ein Effektivzins von 3,05 Prozent fällig, wenn er beim derzeit günstigsten Anbieter (Stand 05.04.2013) abschließt. Beim Darlehen über 180.000 Euro beläuft sich die monatliche Rate auf 1.000 Euro, beim teureren Kredit sind es 1.110 Euro. Diese Differenz von 110 Euro summiert sich über die 20 Jahre hinweg zu Mehrkosten von 26.400 Euro für Variante B.

Der Zinsertrag gleicht die Mehrkosten beim Kredit aus.

Diesen Mehrkosten müssten wir jedoch die Erträge gegenüberstellen, welche die 20.000 Euro auf einem Bankkonto erwirtschaftet hätten. Legt der Hauskäufer das Geld zum damaligen Topzins von 1,75 Prozent auf einem Tagesgeldkonto an, werden ihm nach Abzug der Abgeltungssteuer im Lauf der 20 Jahre 5.836 Euro gutgeschrieben. Nun könnte man argumentieren, dass die Zinsen und damit die Erträge weiter sinken könnten. Ebenso wahrscheinlich ist es aber, dass die Zinsen für Tagesgeld innerhalb der nächsten 20 Jahre steigen werden. Um unsere Überlegungen nicht unnötig zu komplizieren, gehen wir von einem gleichbleibenden Zins aus.

Geringer finanzieller Vorteil versus psychologische Sicherheit:
Bringt der Kreditnehmer 70.000 Euro als Eigenkapital ein, zahlt er für sein Darlehen (180.000 Euro) also insgesamt 240.000 Euro an die Bank zurück. Bringt er nur 50.000 Euro ein und behält 20.000 Euro auf dem Konto, überweist er für sein Darlehen (200.000 Euro) insgesamt 266.400 Euro an das Kreditinstitut. Von dieser Summe müssen aber jene 25.836 Euro abgezogen werden, die auf dem Tagesgeldkonto liegen.
Das bedeutet: Der finanzielle Vorteil des vollen Eigenkapital-Einsatzes liegt im Lauf von 20 langen Jahren bei lediglich 564 Euro!
Bedenkt man überdies, dass die Ersparnisse auf dem Konto psychologische Sicherheit geben – etwa weil man weiß, dass man das alte Auto ohne Kredit durch ein neues ersetzen kann –, spricht vieles dafür, nicht alle Ersparnisse in die Hausfinanzierung zu stecken.

Nur identische Zahlungsströme ergeben vollständiges Bild:

Nun ist dies aber nur eine Seite der Medaille. Die andere sieht so aus, dass der Kreditnehmer, der sich für den maximalen Anteil an Eigenkapital entscheidet, 110 Euro im Monat in einen Banksparplan einzahlen kann. Nach 20 Jahren hätte er mit dem aktuellen Top-Angebot eine Nachsteuer-Rendite von 1,66 Prozent erzielt und 31.292 Euro auf dem Konto. Der Gegenwartswert (Barwert) dieser Summe beträgt bei einem Diskontierungszinssatz von drei Prozent 17.325 Euro, während das Kapital von 25.836 Euro auf dem Tagegeldkonto beim selben Kalkulationszins einen Barwert von 14.410 Euro hat.
Barwertmethode: Rücklage kostet 150 Euro im Jahr

Das bedeutet: Rechnet man, wie es mathematisch geboten ist, mit identischen Zahlungsströmen – jeder Kreditnehmer wendet 1.110 Euro auf – und kalkuliert man auf dieser Basis den Barwert, dann ergibt sich für denjenigen, der jeden Cent ins Eigenkapital steckt, ein finanzieller Vorteil von knapp 3.000 Euro über 20 Jahre hinweg. Das entspricht 150 Euro im Jahr. Hier muss jeder selbst entscheiden, was ihm die höheren Rücklagen wert sind. Unseres Erachtens wären 150 Euro im Jahr kein zu hoher Preis, um finanziell etwas Freiraum zu haben und eventuelle teure Kredite zu vermeiden. Dieses Rechenbeispiel findet man auf der Webseite FMH-Finanzberatung

28 Die aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung abgeleitete sektorale Grundgleichung lautet:(Sp – I): Veränderung der finanziellen Ersparnis des privaten Sektors

+ (T – G): Veränderung der finanziellen Ersparnis des öffentlichen Sektors

+ (IM – EX): Veränderung der finanziellen Ersparnis des externen Sektors (Rest der Welt)

= 0

29 Currency Carry Trade (auch CCT) ist eine Spekulationsstrategie, bei der ein Spekulant einen Kredit in einer Währung mit vergleichsweise niedrigem Zinsniveau aufnimmt, um davon Zinspapiere zu kaufen, die in einer anderen Währung mit höherem Zinsniveau notiert sind (Wikipedia). Ein Carry Trade ist also zunächst nichts anderes als der Verkauf einer Niedrigzinswährung. Der Ertrag aus dem Verkauf wird in eine Hochzinswährung investiert. Mit der Hochzinswährung erwirbt der Investor dann in der Regel Aktiva, die in dieser Währung gehandelt werden, also zum Beispiel Aktien.

30 Vgl. dazu im Kontext der Yen Carry Trades die Webseite Godmode-Trader

31 Wir zählen das Werk von H-W Sinn ab 2015 dazu.

32 Wendl, Michael (2017): Mit der “Modern Monetary Theory” aus der Krise?. In: Sozialismus 43 (4), S.61-62

33 Palley, Thomas (2015): The critics of modern money theory (MMT) are right. In: Review of Political Economy 27 (1), S.45-61.



Foto: monika m. seibel www.photographie-web.de



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