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Das irische Modell

Franz Rieder • Convergence – or not, Das englische Modell, Splendid Isolation, Party unter Palmen, Die Kleinen und die Großen
(nicht lektorierter Rohentwurf)   (Last Update: 01.07.2019)

Betrachten wir den Weg Irlands vom Armenhaus Europas zur „zweit-erfolgreichsten“ Volkswirtschaft in der EU und von dort in eine veritable Staatskrise und wieder zurück an die Finanzmärkte und zum Wirtschaftswachstum, dann fällt zunächst einmal das rasante Tempo auf. Über all da, wo man solche temporeichen Richtungswechsel erkennen kann, liegt die Vermutung nahe, dass die Milliarden von Transaktionen von irgend woher „gesteuert“ werden. Dies kann man in China deutlich erkennen, in Europa ist das schwieriger.
Wenn wir also von einem Modell Irland sprechen, dann impliziert das eine Art „Lenkung“, die aber weder von einer Partei, von einem Land wie in China ausgeht; dieses „Subjekt“ finden wir in Europa nicht.

Kommen wir zurück zur Krise in Irland. Mit ihrem Einbruch werden Konsequenzen sichtbar, die aufmerken lassen. Die ausländischen Finanzinvestoren, Banken, Versicherungen und Fonds hauptsächlich, also im eigentlichen Sinne die Gläubiger der irischen Banken ziehen sich aus dem Irlandgeschäft zurück. Das dürfen sie, müssen das sogar im Sinne des Schutzes ihrer eigenen Investoren bzw. Gläubiger. Wenn wie so oft die Rede davon ist, dass Gläubiger ihre Schuldner in einer Krise im Stich lassen, ist das sachlich unrichtig, Unfug im moralischen Gewand. Denn das Modell Schuld und Verantwortung trifft in diesen Fällen allein den Schuldner, der sich verantwortungslos der Kredite bedient, die er nicht über ihre Laufzeit hinweg ablösen kann.

Ergo mussten in Irland der IWF und Europa zur Rettungsparty gebeten werden. Und während die Rettung der irischen Banken angestrengt wurde, gingen die Geschäfte der ausländischen Konzerne in Irland natürlich weiter, war es doch jetzt noch viel schwieriger für die irische Gesetzgebung, diesen Geschäften einen fiskalischen Richtungswechsel vorzuschreiben. Also verdienten die ausländischen Unternehmen weiterhin kräftig, gingen Transfers um jährlich etwa 15% der irischen Wirtschaftsleistung an die ausländischen Eigentumer der Unternehmen, die von den niedrigen Unternehmenssteuern im irischen Gastland weiterhin profitierten.

Die irische Bevölkerung trug von Beginn an das Risiko der politischen Ökonomie und musste nun ihren Beitrag zur Rettung der irischen Banken leisten und eine ganze Reihe von Einschnitten in den sozialen Fortschritt hinnehmen. Eine Beteiligung der ausländischen Unternehmen an der Krisenbewältung über deren normale Geschäftstätigkeit im Gastland hinaus mag man moralisch fordern, ein Recht und eine moralische Grundlage dafür gibt es nicht.

Die Staatsverschuldung und der Haushaltssaldo in den Jahren 2005–2017 zeigt das Drama und das Dilemma des irischen Modells. Die Staatsverschuldung entwickelte sich von niedrigen 26,1 % – 23,6 % – 23,9 % – 42,4 % – 61,7 % – 86,3 % auf erstmals 109,6 % im Jahr 2011. Dann weiter auf 119,5 % bis letztlich auf 119,5 % und vom Höchststand wieder abwärts auf 105,3 % – 78,7 % – 75,4 % bis auf 68,0 %, was fast den Maastricht Kriterien wieder entspricht. Zwischen 2008 und 2012 markierte das Haushaltssaldo einen rasanten Abstieg auf −7,0 %, dann von −13,8 % auf sagenhafte −32,1 % und von dort zurück auf −12,6 %, −8,0 % bis 2017 schließlich auf -0,4% zurück.

Irland wird stets als das Modell für eine erfolgreiche Austeritätspolitik aus der Schublade gezogen, wenn Politiker in ihren europäischen Landen, vor allem in Deutschland, von der Notwendigkeit dieser Politik überzeugen wollen; und das tun sie fast täglich. Und Irland selbst feiert die Ansiedlung multinationaler Konzerne aus der Hightech-, Pharma- und Luftfahrtindustrie als gelungene Industrie- und Wirtschaftspolitik, die allein im letzten Jahr 2017 ein Wachstum von sieben und in 2018 eins von knapp vier Prozent verzeichnet.

Wenn Kanzlerin Frau Merkel das Land und seine „harten Reformen“, die zu diesen Erfolgen geführt hätten, lobt, dann weiß sie sich einig mit der politischen Kaste auf der grünen Insel. Und man reibt sich die Augen und glaubt, Stimmen zu hören, weiß man doch, dass die Insel seit Jahrzehnten über eine eigene Staatsagentur um Kapital aus aller Welt wirbt, unter anderem mit einem Unternehmenssteuersatz, der mit 12,5 Prozent konkurrenzlos niedrig liegt und der von vielen in der EU als grobe Verletzung des Wettbewerbs beklagt wird.

Steuerdumping für die reichsten Konzerne der Welt als Grundlage für erfolgreiche Politik auszugeben, gleichwohl dies rechtlich erlaubt ist in Europa, macht nachdenklich in mehrere Richtung. Eine Richtung dabei ist klar gezeichnet: jeder Staat in Europa ist sich selbst der näheste. Die Konzerne haben also ihre Firmensitze auf die Insel, natürlich nicht ihre Produktionsstätten dorthin verlagert, um ihre globalen Einnahmen eben dort auf der kleinen, grünen Insel steuerlich zu deklarieren und darüber Milliarden an Steuern zu sparen.

Das führte auf dem Papier zu einem drastisch steigenden BIP und einem rasanten Wirtschaftswachstum und verdankte sich doch einzig den steuerrelevanten Buchungstrick der Konzernzentralen; aber alles legal. Was die Konzerne in Irland scheinbar erwirtschaftet hatten, war schlimmer kosmetisch als Buchgeld und hatte nichts mit der realen Wirtschaftsleistung zu tun. Die Iren selbst haben spät aber vernünftigerweise damit angefangen, das BIP gegen eine andere statistische „Währung“, das Bruttonationaleinkommen (BNE) zu setzen und siehe da, die Wirtschaftsleistung war nach der neuen Kennzahl um etwa ein Fünftel, also 20% kleiner als das BIP.

Aber selbst das BNE sagt nichts aus über die wahre Wettbewerbsfähigkeit der irischen Wirtschaft. Sollten andere Länder den heute in Irland ansässigen Konzernen bessere Steuersätze bieten, kann es schnell aus sein mit Irlands oeconomic gloria.
Aber das irische Modell hat noch ein paar andere, gravierende Schwächen. Denn es zieht nicht nur Steuereinnahmen aus anderen Ländern ab, sondern Irlands Wirtschaft beruht in einem hohen Ausmaß auf Exporten, also auf der Kaufkraft fremder Länder. Der Anteil der Exporte in Irland beträgt sagenhafte 120% des BIP. Selbst ein Land wie Deutschland, gerne auch als Exportweltmeister beneidet, kommt nur auf etwa 45% und im wegen seiner Exportstärke viel kritisierten China sind es gar nur 20%.

Dazu kommt noch, dass die Insel wenig importiert und der Überschuss im Außenhandel im Jahr 2017 laut irischer Zentralbank fast 30 Prozent des BIP betrug und die Leistungsbilanz, in der neben dem Güterhandel noch weitere Zahlungsströme eingerechnet werden, ein Plus von fast zehn Prozent des BIP bilanzierte; im Vergleich dazu stehen in Deutschland knapp 8%, das vom IWF, von den USA u.a. deswegen äußerst scharf kritisiert wird.

Und schlussendlich gehören zum irischen Modell auch aktuell 440.000 Menschen, die arbeitslos sind, zigtausende Menschen sind überschuldet oder nicht mehr in der Lage, ihre überteuerten Hauskredite zu bedienen. Stoisch erzählen die Kennzahlen der Wirtschaftsstatistik das Narrativ von den Iren als immer noch zu den wohlhabenden Europäern zählende Population. Aber Tatsache ist auch, in keinem anderen Eurokrisenland ist ein einzelner Mensch statistisch so stark verschuldet wie in Irland.

Gemessen an der Zahl der Einwohner entsprechen die kumulierten Schulden 2017 in Irland einer Pro-Kopf-Verschuldung von 41.818 Euro. Zum Vergleich: die durchschnittliche Pro-Kopf-Verschuldung innerhalb der EU lag im gleichen Jahr bei 24.401 Euro. Und hinter dieser nüchternen Zahl hat sich in Teilen der irischen Bevölkerung die Angst vor dem Absturz aus dem sozialen Fortschritt kontinuierlich breitgemacht und zudem die Furcht, dass Irlands Modell breitere Teile der Bevölkerung erfasst; neuerdings auch die Akademiker.

Wenn heute die Arbeitslosenquote wieder unter den europäischen Durchschnitt sinkt und eine ganze Reihe gut bezahlter Jobs zu finden sind, etwa bei Apple, Google, Facebook oder IBM und Dublin heute einer der größten Tech-Hubs Europas ist und vor allem im Bereich IT viele Jobs bietet, dann darf man nicht vergessen, dass die Mieten in Irlands Großstädten sehr teuer sind, besonders in Dublin muss man mit sehr hohen Preisen rechnen. Dort ist es üblich, dass man auch mit Anfang 30 und festem Job in einer Wohngemeinschaft wohnt.

Nicht nur die Mieten, auch andere Lebenshaltungskosten sind in Irland teuer, teurer oft als in Deutschland. So kostet etwa in Berlin eine 1-Raum Wohnung etwa 644 Euro an Miete, in Dublin satte 1.320 Euro. Eine Monatskarte ÖPNV im Vergleich 81 Euro in Berlin – wahrlich kein Niedrigpreis, in Dublin 121 Euro. Internet 26 Euro:48 Euro. Fitnessstudio 25 Euro zu 41 Euro in Dublin1 .

Auf der einen Seite der Bilanz der irischen Wirtschaftspolitik sehen wir also enorm hohe Preise für Lebenshaltungskosten, Mieten und den alltäglichen Bedarf sowie eine Lebenssituation, die auch wiederum im Vergleich zu anderen europäischen Metropolen wenig attraktiv erscheint.
Gleichzeitig steht den gestiegenen Preisen ein stetiger Anstieg der Bruttoverschuldung pro Einwohner Irlands im Vergleich mit der Europäischen Union seit dem Jahr 2008 gegenüber. Es müsste natürlich genau umgekehrt sein; worauf also verweist dieser Parallelprozess von steigenden Schulden und steigenden Preisen in Irland?

Das irische Modell hat eine politische Ökonomie in Gang gesetzt, die das Land spaltet. Mit dem wirtschaftlichen Wachstum hat der soziale Fortschritt nicht im gewünschte wie erwarteten Maße Schritt gehalten. Im Gegenteil, die Ungleichheit in den Einkommen und der Wohlstandsverteilung hat deutlich zugenommen. Das irische Modell droht einem zunehmenden Teil der irischen Bevölkerung massiv zu schaden. Das zwingt uns, diesen Prozess und seine treibenden Faktoren genauer zu betrachten.



Das irische Modell – Teil II



Das irische Modell ist im ökonomischen Kern ein Steuermodell. Irland als Teil der EU ist gewissermaßen ein Steuerparadies für ausländische Konzerne innerhalb der EU. Die politische Ökonomie Irlands erreicht mit einem Niedrigsteuersatz die Ansiedlung internationaler Großkonzerne und verschafft sich einen enormen Wettbewerbsvorteil gegenüber allen anderen Mitgliedern der EU, aber auch gegenüber vielen anderen Staaten weltweit.

Das irische Modell legitimiert sich auf Grundlage eines Eintrags in den Maastricht-Verträgen, wonach jeder Staat der EU seine eigenen Steuergesetze bestimmen kann. Die EU ist damit fiskalisch keine zentralisierte Zwangswirtschaft, sondern eine Öffnung hin zu individuellen Staatenlösungen, die aber, in einer Art freiwilliger Selbstverpflichtung den Wettbewerb innerhalb der Staatengemeinschaft so weit reduziert, wie dies aus Sicht der Einzelstaaten möglich und wirtschaftlich vernünftig ist.
Dann darf man hinter vorgehaltener Hand die Wettbewerbswirkung der irischen Steuergesetze in Richtung der anderen Euro-Staaten im Vergleich zu den USA als eher gering erachten, was erklärt, warum die EU hier so nachsichtig mit einem Mitglied verfahren ist. Hauptschaden hat die irische Niedrigsteuerpolitik ja nicht in der EU, sondern in den USA angerichtet, waren es doch US-Konzerne, die die Steuerflucht aus ihren Heimatstaaten und, immerhin, in eines der Euro-Länder angetreten haben.

Da Irland wie die meisten anderen Staaten der EU im Euro ist, hat Irland die Währungskompetenz nach Brüssel abgegeben. Und weil Irland nun keine eigene Währungspolitik resp. Zins- und Schuldenpolitik betreiben kann, bleiben dem Land in Zeiten von Wirtschaftskrisen nur noch fiskalische Instrumente und kreditfinanzierte Nachfragestimulation mit dem Ergebnis steigender Staatsdefizite. Was aber am meisten wiegt, ist der irischen Alleingang in seiner Fiskal- und Ansiedlungspolitik ausländischer Unternehmen sowie seine, in der Vergangenheit so problematische Bankenaufsicht.

Was aber hat der nationale Alleingang Irlands den Menschen gebracht? Der Wirtschaftsboom, der, bis auf zwei Jahre die grüne Insel erfasst hat, trägt zwei Gesichter. Da sind boomende Metropolregionen und eine ökonomisch abgehängte, vernachlässigte Provinz. Man findet gut verdienende Menschen, heute vor allem Wissensarbeiter, aber auch eine zunehmende Menge von Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen oder Teilzeitjobs. Wir finden hier multikulturell denkende Weltbürger, dort Bürger, die ihre national-kulturelle Identität insbesondere durch Zuwanderung bedroht sehen.

Die Lebenswelten von Gewinnern und Verlierern der politischen Ökonomie berühren sich kaum noch. Zwischen den tristen Industrieregionen, den düsteren Vorstädten, wo Frustration und Zukunftsängste sich ausbreiten und den hippen Innovationswerkstätten in den Lofts cooler Metropolen, wo die digitale Zukunft erfunden wird, findet keine Berührung, kein Austausch mehr statt.

Die Spaltung der Gesellschaft zwischen politischen und wirtschaftlichen Eliten und jenen, die sich von ihnen um ihren sozialen Fortschritt und vor allem den ihrer Kinder betrogen fühlen, geht immer tiefer durch die Ungleichheit, die das künstliche Wachstum durch ausländische Konzerne und ihren Steuertricks hervorbringt. Und ist offensichtlich nicht mit Kriterien der Einkommensentwicklung allein zu erklären oder hinreichend zu beschreiben. Der nationale Alleingang der irischen Steuer- und Ansiedlungspolitik hatte in dem riesigen EU-Umfeld schnell seine Wirkung gefunden. Aber auch die Fiskalpolitik der US-Institutionen trug dazu bei, dass US-Konzerne ihr Heil auf der grünen Insel suchten. Selbst die Steuerreform von Donald Trump konnte im Steuerwettbewerb mit Irland nicht bestehen und die US-Konzerne über den Atlantik zurückholen; Donald T. is not amused.

Für Irland war die Mitgliedschaft in der EU noch von einem anderen Vorteil. Das Land profitierte erheblich von den tausenden täglich die Grenze zu Nordirland überschreitenden Arbeitskräfte und dem Warenverkehr mit dem britischen Nordirland. Auch Nordirland profitierte davon, dass es keine, außer der formalen Staatengrenzen mehr gab. Mehr noch als die ökonomische schien auch eine politische Annäherung in Reichweite zu kommen. Beim Brexit-Referendum stimmte Nordirland mit einer Mehrheit von 55,8 % für den Verbleib in der EU. Irlands Taoiseach Enda Kenny, der Chef der größten irischen Oppositionspartei Fianna Fáil, Micheál Martin sowie der nordirische Sinn-Féin-Chef Gerry Adams deuteten daraufhin die Möglichkeit eines Referendums über eine Vereinigung Nordirlands mit der Republik im Süden an.

Während des Wahlkampfs hatte Sinn Féin für den Verbleib in der EU geworben; ihr Koalitionspartner, die protestantische Democratic Unionist Party (DUP), war hingegen für einen EU-Austritt eingetreten. DUP-Chefin Arlene Foster, die heute das politische Zünglein an der Waage von Premierministerin May ist und deren Mehrheit im britischen Unterhaus ausmacht, bezeichnete den Austritt als „Beginn großer Möglichkeiten für Nordirland und das ganze Vereinigte Königreich“2 .
Was könnten diese Vorstellungen großer Möglichkeiten sein? Man braucht nicht viel Phantasie, um sie sich denken zu können. Zunächst sind in diesen Vorstellungen keine expliziten zu einer Vereinigung Nordirlands mit der Republik Irland weiterhin hörbar oder sichtbar. Attraktiv ist der Gedanke, dass, wenn wie auch immer die Grenze zwischen Republik und Nordirland keine Handelsgrenze ist, das kleine Nordirland steuerpolitisch ähnlich wie die Republik entscheiden und es den republikanischen Nachbarn nachmachen könnte in Sachen Bruttoinlandsprodukt. Was dazu nötig ist, ist bereits mit einem ähnlichen Steuerdumpingmodell wie dem Irlands erreichbar; so dachte man wohl im kleineren, aber politisch den Alleingängen des Königreichs mehr verbundenen östlichen Teilen Nordirlands.

Das BIP nämlich ist kleiner als in der Republik, obwohl die Grafschaften der historisch irischen Provinz Ulster dichter bevölkert sind und sogar einen höheren Industrialisierungsgrad aufweisen können als die Republik. Die Infrastruktur ist ähnlich gut wie in der Republik und nach den blutigen, ethnisch-konfessionellen Auseinandersetzungen gingen die Investitionen auf- und die Arbeitslosigkeit abwärts.
Nordirland ist ein sicheres und zunehmend begehrtes Reiseland. Die Republik Irland und das Vereinigte Königreich bilden trotz der Unabhängigkeit der Republik Irland eine informelle Common Travel Area, was Grenzkontrollen bei Reisen zwischen der Republik und dem zum Vereinigten Königreich gehörenden Nordirland erspart. Sowohl die Republik Irland als auch das Vereinigte Königreich sind keine Vertragsparteien der Schengener Abkommen und haben auch den Schengen-Besitzstand der Europäischen Union nicht übernommen; sie entscheiden von Fall zu Fall, ob und welche Regelungen sie übernehmen.

Das Vereinigte Königreich hat sich eine ganze Reihe Sonderregelungen in den Verhandlungen mit der EU gesichert; die „Reisefreiheit“ zwischen Nord- und der Republik Irland ist nur ein Effekt davon. Seit dem Zeitpunkt, da die Grenze zwischen den beiden Ländern keine Bedeutung mehr hatte, erlebte Nordirland einen starken Anstieg des Tourismus‘, der zu einer tragenden Säule der Wirtschaft und des Wohlstandes wurde.
Eine weitere, wichtigere Sonderregelung ist natürlich die Währung. Vier Geschäftsbanken, die Bank of Ireland, die First Trust Bank, die Danske Bank und die Ulster Bank dürfen eigene nordirische Banknoten drucken. Damit hatte das kleine Land als Teil des Pfund Sterling wie das Königreich seine Unabhängigkeit vom Euro und seine währungspolitische Flexibilität gesichert.



Convergence – or not



Aus der Sicht des kleinen Nordirlands hat das irische und das nordirische Modell zusammen genommen die makroökonomischen Vorteile, die für eine erfolgreiche politische Ökonomie grundsätzlich erforderlich sind. Man nehme sich innerhalb eines großen Wirtschaftsraumes die Unabhängigkeit fiskalischer Entscheidungen und biete solange Niedrigsteuersätze, bis genügend ausländische Unternehmen sich angesiedelt haben.
Nun muss man noch die währungspolitische Unabhängigkeit hinzu rechnen, dann kann einem eine Wachstumskrise kaum noch etwas anhaben; so unterlegt es die angelsächsische Ökonomik zur Freude der politischen Ökonomie. Und nicht nur für die Staaten im Norden Europas. Demnach hat der Prozess einer Wachstumskrise folgende Genmarker. Zunächst reduziert sich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage bei bestehenden Preisen. Ändert sich nichts an den Preisen, können Unternehmen ihre Waren und Dienstleistungen am Markt nicht mehr verkaufen. Ergo, sie reduzieren die Produktion, also die Menge der Güter und entlassen in der Folge der Produktionseinschränkung ihre Erwerbstätigen.

Wir haben bereits ausführlich beschrieben, wie dieses Konstrukt eines Determinismus in Krankheitszeiten theoretisch aufgebaut wird. Nun schauen wir kurz darauf, wie die Heilung der Krankheit aussieht. War also die Diagnose der Krankheit eine zur Nachfrage bestehenden Überproduktion, dann würde jener Arzt als heilendes Gegengift eine Stärkung der Abwehrkräfte verschreiben.

Und wie bei einer echten Grippe scheinen in einer Wachstumskrise mehrere Teile des Wirtschaftskreislaufes erkrankt zu sein. Der Teufelskreis einer sich ausbreitenden Selbstinfizierung erfasst alle Bereiche der Marktwirtschaft en miniature: Sinkende Einnahmen, also hier als Lohnsummenausfall der arbeitslosen Erwerbstätigen vorgestellt, greifen über auf eine sinkende Nachfrage, die wiederum in die Gewinne der produzierenden Gewerbe eingreift und aus sinkenden Gewinnen sich eine sinkende Beschäftigung in Gang setzt.

In dieser Logik ist zwingend, dass nun der Staat und die Zentralbank gleichsam medizinisch eingreifen und die Medikation anmischen. Die besteht logisch folgerichtig dann daraus, dass die Notenbank die Leitzinsen senkt und mit den sinkenden Leitzinsen die Investitionen der Unternehmen erleichtert bzw. stabil hält. Dann hofft der Arzt, dass das Gegengift anschlägt und die Heilung von der Seite der investiven Ausgaben auf die konsumptiven ausgreift und diese wieder hoch zieht. Logisch ist das schon recht zweifelhaft, wird doch eine Überhitzung bzw. eine „Blase“ mit Feuer bzw. heißer Luft bekämpft.

Die heiße Luft finden wir dann wieder in dem dampfenden Staatsdefizit, dass durch die Zinssenkungen aufgeblasen worden ist. Denn sinkende Leitzinsen bedeutet Gelddrucken, mit dem die investiven Ausgaben stimuliert werden sollen. So ist nach dieser Lehrmeinung die Heilung der Wachstumsschwäche notwendig verbunden mit sinkenden Zinsen und steigenden Staatsdefiziten; beide sind also Teil des ärztlichen Heilungsplans.

Quer durch alle Krisen der letzten Jahrzehnte weltweit hören wir dieses angelsächsische Nachtwächterlied die Rezeptur der neokeynesianischen Dauermedikation gegen Wachstumsschwäche und Wirtschaftskrise lautstark durch die Nacht verbreiten. Wenn man also dem kranken englischen Patienten nur genügend Geld verabreicht, wird er wohl alsbald genesen.

Nordirland hat sich nach dem Brexit-Referendum auf die Seite des Vereinigten Königsreichs geschlagen, wollte ein Teil des Brexit-Prozesses bleiben, gleichwohl die Mehrheit der Bevölkerung klüger war als die ortsansässige politische Ökonomie. Die hatte im Mutterland des Keynesianismus heftig beklagt, dass der Euro und die Konvergenzkriterien innerhalb der EU weder zur Heilung der Euro- und EU-Krise beitragen, noch attraktiv genug seien für einen Verbleib von Großbritannien in der Wirtschaftsgemeinschaft. Es drängt sich daher an dieser Stelle auf, sich mit den Konvergenzkriterien der EU ein wenig näher zu beschäftigen und das irische Modell im Überganz zum nordirischen resp. britischen Modell aus der hier eingeschlagenen Sichtweise auf Krise und Armut zu betrachten.

Es steht also die Behauptung im Raum, die Konvergenzkriterien der EU wären der hauptsächliche Grund für die Euro- und EU-Krise.
„[…] die Konvergenzkriterien verwehren einem Land nicht nur, angemessen auf einen Abschwung zu reagieren, sondern haben einen Mechanismus geschaffen, ihn sogar noch zu verschärfen. Wenn das BIP sinkt, […] sinken die Steuereinnahmen. Die Konvergenzkriterien zwingen das Land nun, seine Ausgaben zu senken oder die Steuern zu erhöhen – beides schwächt die Ökonomie weiter. Ökonomen nennen solche Vorkehrungen auch ‚eingebaute Destabilisatoren‘.“2

Stiglitz in den USA und Bofinger in Deutschland sind sich sehr nahe in einer Perspektive, die zwar am 7. Februar 1992 durch den Vertrag von Maastricht das Licht der Welt erblickte, nur hat sich seitdem fast kein Land im Euro bisher so an die Maastricht- resp. Konvergenzkriterien gehalten, dass man von den o.b. Wirkungen ausgehen dürfte. Wenn kein Land sich an Kriterien eines Vertrages hält, so stellt sich doch die Frage, wie kann man dann deren negative Auswirkungen auf das Land beschreiben, oder gar darin begründen?

Das ist ein Determinismus, ohne Determinanten; ein interessanter Grenzfall der Logik. Aber hier leider schon generell nicht anwendbar, weil die Voraussetzung zu seiner Anwendung offensichtlich fehlen. Nun könnte man meinen: abhaken. Aber hier geht es doch um mehr, als um die Meinung einzelner Ökonomen dies- wie jenseits des Atlantiks.

Ein kleiner Blick hinaus in die Krise der Eurozone hätte auch genügt um zu sehen, dass ausnahmslos alle der damals aktuten Krisenländer, Griechenland, Spanien, Portugal und Irland Defizite im Verhältnis von 50% der staatlichen Steuereinnahmen auswiesen. Wie will ein Staat damit seinen Verpflichtungen gegenüber seinen Investoren nachkommen, seine Refinanzierung über die Finanzmärkte sichern und dann noch defizit- also letztlich doch kreditfinanzierte Zinsmaßnahmen oder gar Konjunkturmaßnahmen verantworten?
Für uns ist an dieser Stelle wichtiger festzuhalten, dass der damals so bestehende Stabilitätspakt allen Krisenländern diesen keynesianischen Spielraum ausdrücklich erlaubt hat, ja, dass sogar eben dieser Spielraum allen Spielphantasien anscheinend ein schnelles Ende bereitet hat.

Irgend wann, wenn Haus und Hof verspielt ist, findet man keine Mitspieler mehr. Irland konnte, wie wir sahen, weiter auf Hilfen der EU bauen und gleichzeitig seine nationale Wirtschaft und seine Leistungsbilanz literarisch gestalten durch die romantische Sonderregelung der autonomen Steuerpolitik in einem Umfeld der Globalisierung und der europäischen Integration. Deshalb kam Irland, wir sahen das eben, so schnell aus der Krise.
Die Stabilisierung der Wirtschaft hatte in den anderen Krisenländern andere Voraussetzung und brauchte auch andere Maßnahmen. Zu den Voraussetzungen der toxischen Hypothekenkredite, die auch heute noch in Irland einen dunklen Kondensstreifen über den blauen Wirtschaftshimmel ziehen, kamen in den anderen Krisenstaaten eine bereits lange vor der Krise bestehende, auf ausländische Kapitalgeber extrem toxisch wirkende Überschuldung der Staatshaushalte und eine geradezu peinliche Schlamperei in allen staatlichen Institutionen, die für Haushalt und Kontrolle von Kapitalströmen zuständig sind.

In Griechenland etwa gab es weder ein funktionierendes Finanzamt, ein Katasteramt, eine Bankenaufsicht und eine Bankenregulierung usw. Nicht einmal in einem politisch und wirtschaftlich weitgehend unabhängigen Staat kann man dieser Geschwindigkeit und Höhe der Schuldenmacherei sowie staatlicher Schlamperei durch Geld- und Fiskalpolitik in einer Krise beikommen. Was sollen Geld- und Fiskalpolitik erreichen, auf welchen Wegen sollen sie zum Ziel kommen, wenn weder erprobte und gangbare Wege vorhanden sind und niemand Verstöße sanktioniert? Beides verpufft im Orbit, ohne Kondensstreifen zu hinterlassen.

Schulden und fehlende bis unfähige staatlichen Institutionen waren Gründe für den Eintritt in den Prozess der Wachstumskrise und deren nachhaltigen Auswirkungen auf die Nachfrage nach Wirtschaftsgütern mit deren Folgen auf den Arbeitsmärkten wiederum. Wer wollte denn damals noch Finanzmarktprodukte dieser Länder kaufen? Welcher Investor sucht ein solches Risiko, das damals kurz vor dem Eintritt einer Staatspleite seinen maximalen Höhepunkt erreicht hatte, wenn er zugleich sein Geld auf wesentlich sichereren und interssanteren Kapitalmärkten plazieren konnte? Und die mangelnde Innovationskraft der Krisenstaaten tat ihr übriges dazu.

Das englische Modell



Das englische Modell ist ein nationalistisches Modell. Es gründet in der Vorstellung von einer autonomen politischen Ökonomie. Seine Umsetzung in der EU war geprägt von Sonderregelungen, die die Möglichkeiten der EU als Wirtschaftsraum nutzen, die eigene politische Ökonomie zugleich aber auch gegen eine politische Integration innerhalb der EU autonom bestimmen wollte. Aus der Spannung zwischen den transnationalen und den nationalen, ökonomischen Interessen ist der politische Desintegrationsprozess entstanden, den wir heute überall in Europa erkennen und der in der Brexit-Entscheidung seinen vorläufigen Höhepunkt gefunden hat.

Der Streit zwischen den sog. Hardlinern und den gemäßigten Befürwortern, die sich um die Vorstellung scharen, ein Verbleib in der Zollunion wäre möglich, verdeutlicht ein tiefer gehendes Phänomen. Dabei handelt es sich um zwei unterschiedliche politische Machtkonzeptionen, die die politischen Ökonomien in den westlichen Industriegesellschaften zur Zeit beherrschen. Die eine folgt dem Modell einer globalen Marktwirtschaft, die andere einer Art national-protektionistischem Neokolonialismus.
„Take back controll“ und „Make Brexit a success“ waren die diskursiven Leitfäden vor und nach dem Referendum über den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der EU. Beide zusammen ergeben den sog. harten Brexit. Der Erfolg eines „harten“ Brexits ist bislang nirgends niedergeschrieben, nicht einmal verbal umrissen. Der Weg dahin aber ergibt sich weitgehend schon aus dem Status Quo des Brexit-Prozesses und dem Streit zwischen den beiden Brexit-Lagern in England und im gesamten Vereinigten Königreich. Bislang wird ein „harter“ Brexit sowohl von Schottland wie von großen Teilen der nordirischen Bevölkerung abgelehnt. Der Brexit ist also kein Konzept des Vereinigten Königreichs, sondern ein englisches Modell.

Uns interessiert an dieser Stelle nicht der Verbleib von Großbritannien in der europäischen Zollunion. Wie ein Verbleib Großbritanniens in der EU organisiert und aussehen könnte ist wenig interessant, weil er auf dem bisherigen Status einer britischen Sonderregelung aufbaut, also keine neuen Erkenntnisse über das englische Modell einer politischen Ökonomie bietet.
Uns interessiert das britische Modell eines harten Brexits. Geht es bei dem „weichen“ Brexit hauptsächlich darum, eine der vier Grundfreiheiten des europäischen Binnenmarktes einzuschränken bzw. abzuschaffen, nämlich den freien Personenverkehr, so strebt ein harter Brexit die Abschaffung aller vier Grundfreiheiten an3 . Genau genommen sollen die vier Grundfreiheiten in die Autonomie der britischen Regierung und der Besonderheit der City of London übertragen werden.

Brüssel und Straßburg hätten dann keinen politischen Einfluss mehr auf die ökonomischen Bedingungen im grenzüberschreitenden Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital zwischen der EU und dem Königreich. Die britische Regierung wäre allein politisch dafür zuständig, was, welche Güter und in welcher Art, Größe und Tempo der ökonomische Austausch zwischen Großbritannien und dem europäischen Binnenmarkt stattfände.
Die EU wäre ähnlich wie zu den Hochzeiten des britischen Empires eine ökonomische Kolonie Großbritanniens; so weit gehen die Vorstellungen der Hardliner des Brexits. Mehr als eine Vorstellung von der britischen Idee einer neokolonialen politischen Ökonomie bekommt man leicht durch einen Blick auf die City of London4 .

Politisch und formal betrachtet ist die City of London über die City of London Corporation eine eigenständige Rechtseinheit5 . Ähnlich wie der Status zwischen Irland und der EU in fiskalischen Angelegenheiten ist die City of London weitgehend politisch eigenständig gegenüber London resp. Großbritannien in allen Angelegenheiten ihrer eigenen politischen Ökonomie. Darin entscheiden nicht wie in einer freiheitlichen Demokratie alle Bürger einer politischen Entität qua Mehrheit der Stimmen, sondern in der City of London entscheiden letztlich Unternehmen und rechtliche Körperschaften mit Mehrheit über ökonomische, hier vor allem Angelegenheiten auf den internationalen Finanzmärkten.6

Dieses englische Modell der City of London beinhaltet in der Tradition einiger, seit dem Mittelalter bestehenden Auffassungen, etwa über die Bank of England, weitreichende Befugnisse in der Form einer innerstaatlich autonomen Selbstverwaltung. Diese Befugnisse definieren z.B. die Unabhängigkeit der City of London Police wie auch die Steuerfreiheit vom Vereinigten Königreich. Allein die polizeiliche wie die rechtliche Autonomie der City of London in allen Börsenangelegenheit hat diesen kleinen Teil Greater Londons, The City oder auch Square Mile genannten Finanzplatz zu einem der größten der Welt gemacht, der fast alle Kapitalströme der EU wie der Euro-Staaten lenkt und kontrolliert.

Die City of London regiert einen der größten Finanzmärkte der Welt. Im Gewand einer zeremoniellen englischen Grafschaft und im dunklen Herzen der britischen Demokratie, die bereits bei ihrer Geburt was Geld- und Finanzwirtschaft anging, mausetod war, prosperieren avec elan vital der gigantischen, weltweiten Finanzströme die reichsten Banken weltweit, wie die 1811 gegründete weltgrößte Privatbank N.M. Rothschild & Sons mit der Adresse New Court, St. Swithin’s Lane; die 1694 gegründete, 1946 verstaatlichte und seit 1998 wieder im privaten Eigentum stehende Zentralbank „Bank of England“ (BoE) in der Threadneedle Street; die Londoner Aktienbörse – seit 2004 am Paternoster Square unweit der St. Paul’s Cathedral, aber auch unzählige andere, auch ausländische Banken, Investmentgesellschaften, Versicherungen und internationale Handelskonzerne haben hier eine Adresse.

Sie alle und einige dunkle Adressen mehr bilden mit Englands mächtigsten Finanz- und Wirtschaftsinstitutionen, die sich hier in der City befinden, neben der Wall Street, das Zentrum des globalen Geld- und Finanzwesen. Heute hindert keine EU-Mitgliedschaft die Bank of England und die City an ihren Geschäften auf der historischen Grundlage eigener Gesetze, die bis ins Jahr 1694 zurückreichen – wir haben ausführlich dazu schon gehandelt.
Grund für den besonderen, politischen Status der City sind die von der Krone, heute die Selbstverwaltung der City, über die Jahrhunderte verliehenen Privilegien, die seit dem frühen Mittelalter und dem im Jahr 886 verliehenen Recht zur Selbstverwaltung weder aufgehoben noch jemals grundlegend revidiert worden sind. Die City of London ist wie der Vatikan in Italien ein exterritoriales Gebiet und wird nicht zu Unrecht der „Vatikan des Kapitals und der Finanzwirtschaft“ genannt.

Die kleine Quadratmeile in Greater London begann ihren sagenhaften Aufstieg mit der Gründung der privaten Bank of England im Jahr 1694. Das „Grundkapital“ der BoE war letztlich nicht der Kredit über die damals gigantische Summe von 1.2 Mio. Pfund für einen Krieg gegen Frankreich, sondern das Privileg der Bank, Banknoten als nationale Papierwährung in Umlauf zu bringen. Und die Tatsache, dass damit eine Ewigkeitsbeleihung des britischen Volkes verbunden war, also die Herausgabe einer Staatsanleihe mit einer jährlichen Verzinsung von sagenhaften 8% über eine nicht genannte Laufzeit. Damit die BoE nicht pleite gehen konnte, gestattete man ihr ab diesem Zeitpunkt, Papiergeld zu drucken und Wechsel auf die Zukunft auszustellen.

Wenn Marx im Kapital von der Kernproblematik des Kapitalismus, der Akkumulation von Kapital spricht, hier in der City of London fand sie über fünf Jahrhunderte hinweg statt. Und das britische Modell setzt alles daran, dass dies auch so bleibt; warum denn nicht, war es doch für England das schlagende Herz des Empire wie Kohle und Stahl für das Ruhrgebiet und die Bundesrepublik Deutschland.
Was Marx wenig bis gar nicht betrachtete, war, dass die enorme Kapitalakkumulation über die Jahrhunderte hinweg stets gestützt wurde durch den vom Vereinigten Königreich getrennten Steuerstatus der City. Steuerfreiheit meint ja zunächst einmal nichts anderes, dass Erlöse aus Geschäften nicht mit anderen Institutionen und Machtbereichen geteilt werden müssen. Steuerfreiheit heißt mitnichten keine Steuern. Aber im Grundsatz der Steuerfreiheit steckt, dass die Verwendung von Erlösen aus menschlicher Arbeit und wirtschaftlicher Tätigkeit allein in den rechtlichen Ermessensraum fällt, den Arbeit und Kapital sich wie in der City selbst geben.

Nur so ist die gigantische Kapitalakkumulation möglich, nur so kann eine Geld- und Finanzwirtschaft ungehindert aufblühen. Warum, so bleibt an dieser Stelle die Frage, haben dann die damalige Regierung und die bis heute folgenden auf den inneren Kern ihres Machtanspruches, auf die Steuerhoheit im ganzen britischen Rechtsgebiet verzichtet und der kleinen Enklave dieses Hoheitsrecht eingeräumt und Jahrhunderte lang dort belassen?

Die Besonderheit des englischen Modells liegt in diesem Punkt an der Beziehung zwischen britischer Regierung und der „Krone“, jener „Regierung“ des exterritorialen „Staates“, die gebildet wurde (und wird) durch einen Ausschuss von 12-14 Männern, an deren Spitze der „Lord Mayor of London“ steht und der wiederum von den 108 Händlervereinigungen für jeweils ein Jahr gewählt wird und heute hauptsächlich Repräsentationsaufgaben wahrnimmt. Historisch betrachtet war die britische Regierung stets dem Ausschuss der Krone, die also nichts mit dem englischen Herrscherhaus, sondern alles mit der Selbstverwaltung der City zu tun hat, unterstellt.

Das erlaubte der Krone resp. dem Ausschuss der City of London, die britischen Steuerzahler für die Marine und die Militärkräfte aufkommen zu lassen, mit deren Hilfe die Oberherrschaft der Krone in den Gebieten ihres Einflussbereiches, hauptsächlich also den, nach der Verwaltungseinheit der City genannten „Kronkolonien“ aufrechterhalten wurde. Sämtliche Aufstände und das waren zahlreiche, wurden überwiegend von der britischen Marine mit brutaler Gewalt niedergeschlagen, ohne dass es die Krone einen Pfennig kostete. Selbst die Kosten für den Aufbau der größten Seemacht der Welt, die hinausfuhr, um Englands Kolonialreich zu beherrschen, das bis auf die kolonialen Besitztümer mit weißer Bevölkerung zu Vierfünftel der City unterstanden, durften die englischen bzw. die britischen Steuerzahler finanzieren.
Das war also die dritte Säule der Kapitalakkumulation, die militärische Durchsetzung des Herrschaftsanspruchs des Finanzkapitals der City bis zu den heute neuen Gebieten der Canary Wharf.




... Pause: ein Pardon wird nicht gegeben ...

Edith Piaf - Non, je ne regrette rien
(Quelle Youtube)



Splendid Isolation



Im englischen Modell laufen die Fäden eines Netzes von sog. „tax havens“ zu dem größten und historisch ältesten Spinnennetz von Steueroasen zusammen. Historisch gewachsen ist dieses Spinnennetz aus Steueroasen natürlich aus der City, ist quasi deren innerstes dynamischen Prinzip. Die „Krone“ der City akkumulierte unvorstellbare Gewinne, fast gleichbedeutend mit den Erlösen aus Jahrhunderte langen Unternehmungen in Übersee, die die City fast ungestört unter dem Schutz der englischen Marine und der Streitkräfte, ohne sich an deren Kosten für Aufbau, Unterhalt und Einsätzen zu beteiligen, tätigen konnte. Die City hatte damit äußerst geringe Grenzkosten der Kapitalakkumulation.
Und was heute gelegentlich immer noch übersehen wird, ist die Tatsache, dass dieser akkumulierte Reichtum mehrheitlich nicht aus dem englischen Handel entstammte, sondern aus dem Handel der Krone und also auch der Wohlstand der Krone war.

Folgerichtig und durch die lange Geschichte bedingt und gewachsen, laufen selbst heute noch und von keiner Gesetzgebung und demokratischen Revision gestört in der City die kommerziellen Fäden des Tax Havens Networks zusammen. Das Spinnennetz aus Steueroasen bilden im Wesentlichen die sieben britischen Übersee-Territorien: Anguilla, Bermudas, British Virgin Islands, Cayman Islands, Gibraltar, Montserrat, Turks & Caicos Islands; und die drei „Kronbesitzungen“: Jersey, Guernsey und Isle of Man, die der City gehören. Sie zusammen kommen auf einen erheblichen Anteil des Reichtums der Welt, der in der City „akkumuliert“.

Seit der sog. Offshore-Leaks-Affäre7 gilt als relativ gesicherte Erkenntnis, dass in der City of London ein Drittel bis die Hälfte des globalen Offshore-Kapitals gebunkert ist, das insgesamt zwischen 21 und 32 Billionen Dollar ausmacht. Allein diese Summe entspräche einem Zehntel des weltweiten Reichtums; es darf aber mit einer wesentlich höheren Summe gerechnet werden, die in allen „Tax Havens“ verwaltet wird.

Diese Offshore-Capitals werden, wenn überhaupt, nur geringfügig besteuert, sind also jeder Verteilung des Reichtums und damit auch jedem Zutrag zur Entwicklung des sozialen Fortschritts entbunden. Zusätzlich zu den damals „geleakten“ Vermögen dürften in und über alle diese Steueroasen jährlich bis zu 1,6 Billionen Dollar von sog. Fluchtkapital fließen, was einer jährlichen Kapitalakkumulationsrate zwischen fünfzehn und zwanzig Prozent entspräche.

Die US-Studie: Which Countries Become Tax Havens? (2009) mag man lesen wie einen Leitfaden der Etablierung hocheffektiver Steueroasen weltweit und sich dabei die Augen reiben, mit welcher Selbstverständlichkeit diese „wissenschaftliche“ Arbeit davon ausgeht, weder in einem historischen noch aktuellen Kontext politischer wie wirtschaftlicher Beziehungen gestanden zu haben oder zu stehen.
Was in der Studie betont eine erfolgreiche Steueroase ausmacht, ist: „Evidence from US firms suggests that low tax rates offer much more powerful inducements to foreign investment in well-governed countries than do low tax rates elsewhere. This may explain why poorly governed countries do not generally attempt to become tax havens, and suggests that the range of sensible tax policy options is constrained by the quality of governance“(2009).

So resümiert auch das „Tax Justice Network“, dass das Spinnennetz der City zu ihren Steueroasen derart eng ist, dass beispielsweise „Jersey Finance“, die Finanzlobby der Kanalinsel Jersey, offiziell mit dem Slogan wirbt: „Jersey ist eine Verlängerung der City of London.“
Eine ausgeklügelte vertikale Integration ermögliche demnach dem Distrikt „dubiose Finanzgeschäfte auf Distanz und gleichzeitig die Verantwortung von sich zu weisen“
.

Die Studie zu Verlusten durch Steuerflucht macht also deutlich, dass Steuerflucht bzw. Steueroasen dann am besten, am effektivsten „by the quality of governance“ arbeiten. Das englische Modell ist also ein Modell der Good Governance für Steuerflüchtlinge, das Rechtssicherheit und politische Stabilität für das angelegten Kapital gewährleistet. Und dieses Modell hat stets sperrangelweit geöffnete Türen für neues, nicht gemeldetes Privatvermögen, sei es von Privatpersonen oder privaten Körperschaften erwirtschaftet bzw. ererbt; Schwarzgeld aus kriminellen Einzel- oder Bandentätigkeiten ist hier nicht mitgezählt.

In der City sieht man von den gigantischen Konten der Tax Havens, wenn überhaupt, nur wie eben in Steueroasen und ihren angegliederten Adressen so üblich, kleine Firmenschilder an bescheidenen Häusern, manchmal muss auch ein Briefkasten reichen, die sogar teils ohne Namen sind und selbst der Concierge nur eine Art korrespondierender Dienstleister für die Weitergabe von „Information“ an den „Abholer“ fungiert.
Offiziell werden in der City etwa 14 Prozent des britischen Bruttoinlandsproduktes im Vergleich zur EU recht steuerschonend erwirtschaftet. Je nach Wechselkursen, die im Fall des britischen Pfundes wegen des Brexit-Prozesses stark schwanken, beträgt das BIP (2017) von England ca. 2 Billionen USD, des Vereinigten Königreichs ca. 2,6 Billionen, das von Deutschland zum Vergleich ca. 3,7 Billionen USD (Frankreich 2,6).

Schauen wir kurz auf die Bermudas und andere „Kronkolonien“, dann stellen wir fest, dass auch heute dort keine Ertragssteuern erhoben werden, was paradiesisch für Unternehmen bleibt. Bermuda hat sich z.B. zum drittgrößten Versicherungsstandort der Welt gewirtschaftet, Google akkumuliert hier seine außerhalb der USA erwirtschafteten Erlöse und Gewinne, die mittlerweile rund 100 Mrd. USD allein jährlich zählen. Für Steuerflüchtlinge also nach wie vor ein Paradies dieses englische Modell.

Nach einigen Veränderungen sind die alten auch die neuen Steueroasen und tonangebend im englischen Modell. Auf der „Affeninsel“ im spanischen Süden können z.B. Profis aus dem Finanzbereich ihre Einkommensteuer auf Null reduzieren, indem sie – recht einfach – für 30.000 Pfund im Jahr den Status eines „hoch qualifizierten Spezialisten“ erwerben. Seit Jahren gilt der Affenfelsen auch als Zuflucht für spanisches Schwarzgeld und will zunehmend die Finanzindustrie anlocken. Der Streit um den Verbleib des Felsens nach einem Brexit wird zurzeit ausgefochten und das Ergebnis erwarten wir mit Spannung.

Gibraltar setzt die Jahrhunderte alte Tradition der City fort, indem Großbritanniens Fiskus mit großzügigen Privilegien wohlhabende Ausländer, die als „non domiciled“ (Non-Doms) gelten, anlockt. Voraussetzung ist, sie können ihren langfristigen Lebensmittelpunkt weiter im Ausland nachweisen, dann sind Gehalt und Kapitalerträge von der Steuer befreit, solange sie nicht ins Inland überwiesen werden. Non-Doms zahlen auch keine Erbschaftsteuer auf ausländischen Immobilienbesitz. Sie müssen für diese Privilegien zwar 30.000 Pfund im Jahr entrichten, sobald sie sieben Jahre in Großbritannien gelebt haben und nach zwölfjährigem Aufenthalt erhöht sich die Gebühr auf 50.000 Pfund, doch wer hohe Summen mit und durch Immobilien etc. verdient, für den ist das immer noch ein Steuergeschenk.

Um Großbritannien als Standort aufzuwerten, wurde bereits im Jahr 2014, also noch vor dem „Referendum“ beschlossen, die Körperschaftsteuer auf 23 Prozent und ab April 2015 auf nur noch 20 Prozent zu senken. Außerdem trat bereits die sog. „Patent Box“ in Kraft, damit wurden die Abgaben auf Gewinne aus Patenten bis 2017 schrittweise von 23 auf sagenhaft niedrige 10 Prozent gesenkt. Wir erkennen schnell, dass das irische Modell hier gewissermaßen seinen Meister findet, indem besonders ausländische Unternehmen mit höheren Körperschaftssteuersätzen davon profitieren. Patente werden auf die britischen Tochterunternehmen ausländischer Konzerne übertragen, die Haupterlöse als Erlöse aus (internen) Lizenzgeschäften verbucht und dann als Gewinne nach Großbritannien umgeleitet resp. in den Tochterfirmen verbucht und mit 10 Prozent dort versteuert.

Das alles geschieht in einer Zeit, in der auch in Großbritannien eine heftige Debatte über die Steuermoral großer US-Konzerne wie Starbucks, Apple, Google und Amazon entbrannt ist, die ihre Gewinne ins Niedrigsteuerland Irland verschieben und dabei ist dies alles und mehr längst Realität geworden im englischen Modell der politischen Ökonomie. So wird das englische Modell zu einem Wettbewerbsmodell zum, nota bene, viel kleineren irischen Modell und letztlich zu einem Thema zwischen der EU und England.

Der Clou der englischen Form einer politischen Ökonomie in steuerpolitischer Hinsicht ist, dass England dem Wunsch von Nordirland, das irische Modell mit einem 12,5-prozentigen Körperschaftssteuersatz auch in den nordirischen Teil der Provinz Ulster zu übernehmen weder zugestimmt noch widersprochen hat; auch in diesem Punkt steht eine interessante Entscheidung nach dem Brexit-Prozess aus. Eins ist dabei sicher, eine Verschlechterung des englischen Modells wird es nicht geben. Entweder es bleibt beim Status Quo und damit bei allen Sonderregelungen und der Autonomie der City of London, oder es gibt einen harten Brexit, der die City sogar noch vor den ständigen, bislang erfolglosen Angriffen aus der EU schützt. Für das englischen Modell wäre es als Teil der EU praktisch, man könnte eine der vier Grundfreiheiten durchsetzen und es bei einem freien Handel mit der EU belassen. Aber das will aus nachvollziehbaren Gründen Brüssel nicht.
Für das englische Modell blieben dann langwierige Verhandlungen über bilaterale Handelsabkommen, wie dies das amerikanische Modell zurzeit vorsieht, aber davor scheut die City of London nicht zurück.



Party unter Palmen



Zum ersten Mal lebten im Jahr 2014 mehr als hundert Milliardäre in Großbritannien. Das Vereinigte Königreich ist damit das Land mit dem weltweit höchsten Anteil an UHNWIs – Ultra High Net Worth Individuals, so die wissenschaftliche Bezeichnung – der Bevölkerung. Und sogar unter den Top 25 UHNWIs weltweit sind mittlerweile einige Briten aufgetaucht. Während mit 72 Milliardären die reichsten Menschen Englands in London residieren, was uns wenig überrascht, leben dort auch 16 Prozent der landesweit ärmsten Menschen im Vereinigten Königreich, was uns tatsächlich überrascht, haben wir die doch eher in Wales und in den schottischen Highlands vermutet.

Die Segregation zwischen Wohlstand und sozialem Fortschritt ist in London am augenfälligsten. Hier am Temple Bar verläuft exakt die Trennlinie zwischen dem englischen Modell einer politischen Ökonomie und der „normalen“, britischen Marktwirtschaft. Hier findet man die Demarkationslinie zwischen den normalen Bürgern Großbritanniens und der Banker- und Investment-Szene der City und dem internationalen Geldadel sowie den Steuerflüchtlingen weltweit.

Dieses geheime Imperium, gebildet aus einer exterritorialen Enklave in Großbritanniens Hauptstadt, hat den Reichtum nach Inner London gebracht und Londons Bürger aus den historischen Vierteln des alten County of London gedrängt. Indische Finanz- und Stahlmogule, russische Magnaten und Fußballclubbesitzer, der Duke of Westminster, die „Barclay Brothers“, Virgin Chef Richard Brenson sowie der Theater- und Musicalproduzent Cameron Mackintosh, neuestes Mitglied im Milliardärs Ranking, wohnen hier und treiben im Verein mit Saudis und Kataries die Kluft immer tiefer in Londons einst „swinging“ Zentrum.

Im Londoner Stadtteil Tower Hamlets, zu dem auch die Canary Wharf mit ihren glitzernden Banken- und Bürotürmen und den Luxus-Immobilien der Docklands gehört, findet sich laut einer vom „Guardian“ zitierten Erhebung der Organisation End Child Poverty gleichzeitig die höchste Anzahl in Armut lebender Kinder des gesamten Königreichs. Und die Gentrifizierung Londons schreitet voran. Dort werden ganze Viertel verkauft und billiger Wohnraum muss Luxusapartments weichen. Aus einer Stadt für alle ist so eine Metropole für wenige geworden.

Wo einst wie in Spitalfields nur Secondhand-Flohmärkte und billige Basare das Stadtbild beherrschten und heute junge Familien, deren Wurzeln nicht selten in der indischen Provinz Bengal liegen, und Rentner, die in Sozialwohnungen leben, schaut man aus jedem Fenster zu, wie der Finanzdistrikt der Londoner City Straße um Straße näher rückt. Dort, wo ein 1.500-Quadratmeter-Penthouse für die Rekordsumme von etwa 170 Millionen Euro den Besitzer wechselte, wird für Sozialwohnungen ganz sicher bald kein Platz mehr sein.

In den einst heruntergekommenen Gegenden, wo heute auch der Tummelplatz gestresster, zugedröhnter, vollgekokster und gelangweilter Banker ist, hatten früher junge, unbekannte, engagierte Künstler ihre Ateliers und konnten sich auch Menschen mit kleineren Gehältern eine Wohnung leisten. Dann wurden Stadtteile wie Shoreditch oder Hackney von sog. Besserverdienenden entdeckt, folgten schicke Boutiquen und coole Coffeeshops, wurden Sozialwohnungen zu hippen Designer-Lofts umgebaut.
Dann, einmal mit den neuen Bewohnern des aufstrebenden Mittelstands bezogen, folgten noch schickere Boutiquen, Spezialitätenläden, Privatarztpraxen spezialisiert auf jede Körperzelle und dann die Wellnesstempel für hinterher.

After-work-Parties kann man dann besuchen auf den neuen Roof-Tops der von Profi-Investoren sanierten Hochhausimmobilien, wo auch gleich noch die Finissagen der angesagtesten zeitgenössischen Künstler gefeiert werden. Dort, wo in den Hinterhöfen einst junge Kunst sich mit der Gentrifizierung des Viertels kritisch auseinandersetzte, ziehen nun einige der Glücklichen von ihnen und die bereits upgedateten Stars der Kunstszene in die schicken Lofts der einstigen Hinterhof-Atelierhäuser ein. Nicht weit von ihren trendigen Galerien, die natürlich gleich mitgekommen sind.

Das alles ist natürlich nicht allein dem Glück und der autonomen Geschäftstätigkeit zu verdanken, würde die Stadt diesen Prozess der akkumulativen Gentrifizierung nicht selbst rigoros betreiben. Ohne ihr engagiertes Zutun hätte sich das Stadtbild wohl kaum so radikal verändert, würde nicht so massiv Siedlung für Siedlung abgerissen und durch schicke Hochhauskomplexe ersetzt.
Jene Viertel, wo einst die letzten Glieder der traditionellen Wertschöpfungsketten lebten, gehören heute zu den wertvollsten Stücken Land, dass die Stadt besitzt und veräußern kann. Denn nun sind die wertmindernden Bewohner vertrieben. Der lukrative Verkauf füllt dann den Stadtsäckel, der durch Subventionen, Steuersenkungen und -geschenke für die Investoren recht leer geworden ist, wieder auf.

Städtische Gebäude und Grundstücke werden fast lückenlos privatisiert, so dass bezahlbarer Wohnraum oft schwer zu finden ist. Und die Summen, um die es in London geht, sind ungleich höher, als in anderen Metropolen Europas und es ist nur allzu verlockend für die Stadt, immer neue Bauplätze zu finden, für die Investoren ­viele Millionen hinlegen.

Die Geschäfte in der Glitzermetropole an der Themse gehen so gut, dass fast schon der Punkt von selbstberauschter Überheblichkeit erreicht ist. Kein Zufall, dass, wenn Geld in rauen Mengen vorhanden ist, nicht mehr ganz so richtig bei Bau hingeschaut wird, wie etwa bei dem wegen seiner Plumpheit von den Londonern spöttisch „Walkie-Talkie“ genannten Glitzerbau dessen gläserne, konkave Fassade die Sonne dermaßen bündelte, dass auf dem Bürgersteig gegenüber die Plastikstühle auf den Trottoirs der To-Go-Cafés schmolzen.

Dort also schmolzen die Plastikstühle im Brennglas Effekt der Milliarden an Immobilieninvestments der City, hier die lange Tradition des sozialen Wohnungsbaus. Nach dem Zweiten Weltkrieg verstaatlichten die Councils, die Bezirksverwaltungen Londons, die Flächen mit den zerbombten Häusern und schufen dort bezahlbaren Wohnraum. Dort wohnten also jene Bürger Londons, die nicht nur Hitlerdeutschland erfolgreich die Stirn geboten hatten, sondern die auch London aus den Trümmern wieder aufgebaut haben und zu dem werden ließen, was London Jahrzehnte lang war; eine der lebendigsten, interessantesten Städte der Welt, die den Begriff der Gentrifizierung auf ihrem Stadtgebiet kaum kannte.

Londons Bürger konnten die nach dem Krieg durch die Councils geförderten Wohnungen dann sogar, überwiegend als Erbpacht, kaufen. Egal, ob im nun reichen Kensington oder im bisher noch nicht ganz gentrifizierten Tower Hamlets, überall gab es Wohnsiedlungen, die sich in öffentlicher Hand befanden. Nun bilanziert der Wohnungsmarkt in Graeter London ein jährliches Defizit von über hunderttausend bezahlbaren Wohnungen.

Die neuen, angelaufenen Regenerationsprojekte der Councils erweisen sich zunehmend als Flop. Z.B. Die Plattenbausiedlung Heygate im Süden Londons; sie umfasste rund 1.200 Wohnungen in mehr und mehr zerfallenden Häusern, und da der Bezirk kein Geld für die Sanierung hatte, verkaufte er das Objekt um die Jahrtausendwende an das australische Unternehmen Lend Lease. Die Bewohner protestierten und verweigerten den Auszug. Den Council kostete allein der Kampf um die Räumungen 60 Millionen Pfund. Wohnungen wurden den Anwohnern abgekauft, es folgte deren Umsiedlung. Manche zogen an den Stadtrand, andere gingen in große Städte wie Manchester. Es gab sogar Fälle, in denen Familien jahrelang in einem Bed and Breakfast lebten. 2011 wurde begonnen, die Häuser der Heygate-Siedlung abzureißen, über zehn Jahre nach dem Beginn des Regenerationsprojekts.

Heute steht das Projekt zum Verkauf. Im „Elephant Park“, wie Heygate nach der Fertigstellung heißen wird, kostet eine Ein-Zimmer-Wohnung bis zu eine halbe Million Euro. Und während im alten Heygate fast nur ­Sozialwohnungen existierten, sind in den neuen Apartmentblöcken gerade einmal vier Prozent der Gesamtfläche dafür vorgesehen.

Dieser Prozess der Privatisierung von Wohnraum lässt die Renditen in London explodieren. In der Nähe von Covent Garden wurde jüngst eine Drei-Zimmer-Wohnung, die 1990 noch 130.000 Pfund gekostet hatte, für 1,2 Millionen Pfund verkauft, was einem Wertzuwachs von 800 Prozent entspricht. Entsprechend sind auch die Angebote der Immobilienkäufer, die die Wohnungsinhaber der einst günstig erworbenen städtischen Wohnungen schwach werden lässt, zumal die Lebenshaltungskosten in diesen Vierteln auch immer höher zu Buche schlagen.

Man darf sich vorstellen, dass erhebliche Summen, die in den Abriss von Hunderttausenden von Wohnungen und deren Neuaufbau bzw. Sanierung zu Luxusobjekten fließen, auch aus den Steueroasen der City stammen; man weiß nicht genau, wieviel, aber das ist üblich mit Geld von den Inseln mit Palmen. Geld, das aus der Arbeitskraft von russischen Bürgern und aus saudi-arabischen Tagelöhnern exploitiert wurde, fließt ebenso in Strömen in die Stadt. Diese Klientel des neofeudalen Reichtums und eines fundamentalistischem Steinzeitislams aus systematischen Menschenrechtsverletzungen, Frauenfeindlichkeit, Terrorismus, Grausamkeit, Korruption und Verkommenheit, die eine autoritär geführte Vetternwirtschaft, die den Islam in etwa so interpretiert wie der IS (Islamischer Staat) und die für grundlegende westliche Werte nur Verachtung übrig hat, wird nun in Stadtenklaven Londons distanzierter Nachbar der alteingesessenen Londoner Bevölkerung.

Ganze Viertel wurden an Bauunternehmen verhökert und damit die historisch gewachsene Milieumischung zugunsten einer Monokultur von Neureichen zerstört. Selbst Menschen, die im Jahr über 100.000 Pfund verdienen, müssen zuweilen in kleinen Apartments mit wenig Licht wohnen; wir erinnern an Dublin. Aber was ist so anders in Paris? In München und Hamburg, Berlin in der Tendenz? Ist das der Weg der europäischen Großstädte? Und was das Fluchtkapital nicht schafft, schafft schließlich Airbnb.



Die Kleinen und die Großen



Was haben Airbnb und die Immobilienblasen in den europäischen Großstädten gemeinsam? Beide finanzieren sich durch Kapitalien, die dem Regelwerk der Marktwirtschaft nicht entsprechen. Und beide gehören, gemessen an der disruptiven Potenz im Vergleich zu der geld- und finanzpolitischen Staatenökonomie eher zu den kleinen, als zu den großen Krisenauslösern in Europa.
Blasen im makroökonomischen Sinne bezeichnen ein Marktgeschehen, dass das Preisgeschehen als ein wiederkehrendes Muster vorstellt. Ein Muster von bei hohen Umsätzen stark steigenden und dann zusammenbrechenden Preisen. Dieses Aufblähen der Preise gegenüber den Fundamentalwerten oder intrinsischen Werten und den darauf folgenden Preisimplusionen kennen wir schon aus dem Beispiel der sog. Tulpenmanie, als in den 1630er Jahren die Preise für Tulpenzwiebeln in den Niederlanden auf ein vergleichsweise extrem hohes Niveau stiegen, bevor der Markt zu Beginn des Februars 1637 abrupt einbrach, und anderen Beispielen.

Im Vorgriff auf Späteres, wenn wir zum Thema Digitalisierung eingehender handeln werden, soll als ein Beispiel für eine Blase auf dem Immobilienmarkt das Geschehen um Airbnb hier kurz angerissen werden. Das von Brian Chesky gegründete Unternehmen hat bislang etwa 3.3 Mrd. USD an Funding eingesammelt. Seit der letzten Finanzierungsrunde haben die Investoren, zu denen so illustre Namen wie Sequoia Capital, Andreessen Horowitz oder Tiger Global zählen, sich einer um ein Fünftel, also 20 Prozent höheren Bewertung des eingesetzten Kapital erfreuen dürfen. Insgesamt kommt das Unternehmen nun auf eine Valuation von 31 Milliarden Dollar, wie Techcrunch unter Berufung auf interne Quellen berichtet. Das sind 5,5 Milliarden Dollar mehr als vor zwei Jahren und bestätigt eindrucksvoll, dass sich mit einem nicht auf die traditionellen Prinzipien einer Marktwirtschaft aufbauendem System des sog. Venture-Kapitalismus jede Menge Geld verdienen lässt.



Das Besondere an der Wertstellung von Airbnb ist, dass diese bislang nicht über eine Börse stattfindet. Airbnb plant bislang auch keinen Börsengang und gilt doch als eines der vielversprechendsten Digitalunternehmen aus den USA und ist damit prädestiniert für ein "going public". Airbnb ist heute eine weltweit bekannte Digital-Plattform, wenn es darum geht, kurzfristig eine Unterkunft von außerhalb in den Wohnungen von Einheimischen zu buchen. In dieser Hinsicht ist Airbnb ein Beispiel für eine "Sharing Economy".



Private Unterkünfte schnell und einfach über Airbnb zu buchen, war das Geschäftsmodell des Online-Portals. Der Umsatz aus dem Vermittlungsgeschäft, das private Wohnungen als Übernachtungsmöglichkeiten vermittelt, konnte im Jahr 2017 um 80 Prozent gesteigert werden und soll im zweiten Halbjahr 2016 erstmals einen Gewinn ausgewiesen haben. Für das Jahr 2017 werde das EBITDA, also der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, zum zweiten Mal in Folge positiv sein, schreibt Techcrunch mit Verweis auf eine schwer nachprüfbare Quelle.



Die Schwierigkeit der Nachprüfbarkeit rührt wahrscheinlich aus mehreren Gründen, aber Tatsache ist, dass Airbnb sein Geschäftsmodell stark erweitert hat, das fortan nicht mehr allein Unterkünfte von einheimischen Privatpersonen vermietet, welche somit die Gesamtkosten ihrer Monatsmieten deutlich senken können. Liegt hierin schon ein rechtlich problematisches Umfeld, da in den seltensten Fällen eine Erlaubnis dafür vom Wohnungseigentümer vorliegt, so verbessert sich die Rechtslage dieses Geschäftsmodell nicht, wenn andererseits Personen diese Situation als lukratives Geschäft betrachten und Immobilien in attraktiven Stadtlagen aufkaufen und kurzfristig vermieten. Der Kauf geschieht als Privatperson, die Vermietung aber als ein nicht angemeldetes Gewerbe und damit als eine Hintergehung der Gewerbeverordnung für das Hotellerie- und Gaststättengewerbe. Das alles muss den "Venture Capitalists" bekannt sein.



Die Strategie hinter dem Airbnb-Geschäftsmodell ist relativ einfach. Häufig können die Mieter resp. Besitzer der Immobilie ein Vielfaches des üblichen Mietpreises erwirtschaften. Ein Durchschnittsumsatz pro Woche und Gast liegt in München bei 500,- EUR; für 2 Gäste etwa bei 850,- EUR. Die Monatsmiete beträgt bei einer 60 m2 Wohnung in München bei dieser Vermietungsqualität ca. 1.500,- EUR. Bei voller Auslastung und mehreren Gästen kann über Airbnb sehr einfach also das Doppelte und mehr eingenommen werden.

Noch lukrativer ist die Zweckentfremdung von gekauftem Wohnraum. Hier sind Renditen auf eine Hypothek so hoch, dass die Hypotheken bereits nach 6-8 Jahren mit Airbnb-Erträgen abgelöst werden können, im Gegensatz zu einer Amortisationszeit von über 20 Jahren bei normal genutzten Immobilien.



Airbnb verflogt also ein Geschäftsmodell des Venture-Kapitals, das auf Zweckentfremdung von privatem Wohnraum basiert und also illegal ist. Die ökonomischen und sozialen Folgen auf dem Immobilien- bzw. Wohnungsmarkt sind erheblich. Airbnb und ähnliche Portale wie etwa Wimdu und 9Flats verdrängen Einheimische aus den Stadtzentren und fördern die Gentrifizierung der Städte. Bereits jetzt ist es schwer, für Studenten oder junge Arbeitende eine bezahlbare Wohnung in Berlin oder anderen Großstädten in Deutschland zu finden.



Was wir in London als eine Folge von Fluchtkapital beschrieben haben wird nun zu einem umfassenden Geschäftsmodell in Form von Venture-Capital. Airbnb betreibt als Geschäftsmodell systematisch einen Markt von rasant steigenden Kosten für Wohnraum mit einhergehender Verdrängung von ärmeren Menschen aus den Innenstädten. Die Privatisierung öffentlichen (Wohn)-Raums durch Immobilienspekulation ist im Geschäftsmodell von Immobilenvermittlungsplattformen zwar nicht direkt justiziabel, aber als eine Anschlussentwicklung durchaus beabsichtigt. Damit erweist sich die Geschäftstätigkeit solcher Vermittlungsplattformen lediglich prima vista als eine kulturvermittelnde Sharing Economy, die aber eigentlich schon als Ökonomie in der Bezeichnung ihre eigentliche Bestimmung entlarvt und pervertiert. Gäste aus fremden Ländern und Städten einzuladen und ein Zimmer für eine kurze Zeit mit ihnen zu teilen, hat nichts mehr mit dem zu tun, was Airbnb jenseits ihres Geschäftsmodells tatsächlich macht.



Airbnb adressiert in Wahrheit preisaggressiv den bestehenden Hotellerie Markt, ohne sich an die dort geltenden Wettbewerbsbedingungen zu halten. So verschaffen sich die Vermittlungsplattformen ganz generell einen erheblichen Wettbewerbsvorteil zu Unrecht und lassen einen "neuen" Markt im bestehenden privaten Übernachtungsmarkt entstehen. Dieser neue Übernachtungsmarkt, der eigentlich ein illegales Vermittlungsgeschäft mittels einer Web-Plattform ist, ist also kein Markt im Sinne der Marktwirtschaft. Und der oft so gepriesene, vermeintlich disruptive Charakter der Plattformen und Geschäftsmodelle ist lediglich illegal.



Der Preiswettbewerb wird also mit unlauteren Mitteln geführt und existiert allein aufgrund der Unzulänglichkeiten lokaler und staatlicher Institutionen, die diesen Markt aus Unkenntnis und Unsicherheit gegenüber diesen vermeintlich neuen Geschäftsmodellen durch ihre passive Haltung sich entwickeln lassen, indem sie viel zu spät wenigsten als Wettbewerbshüter einschreiten. Weil einer der Anschlussprozesse die Gentrifizierung der Innenstädte ist, entwickelt sich folgerichtig eine urbane Oberschicht und vertreibt neben den historisch gewachsenen Sozialstrukturen insbesondere bildungsschwache und migrantische Gruppen, deren Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und deren Integration weiter erschwert wird.



Der Erfolg von Immobilienvermittlungsplattformen hat nachhaltige Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt mittlerweile in ganz Europa. In den vergangenen Jahren wurden immer mehr Wohnungen einzig für die tageweise Vermietung über Airbnb in Besitz genommen und damit dem normalen Wohnungsmarkt entzogen. Ein beträchtlicher Teil des heutigen Angebots auf der Plattform wird inzwischen länderübergreifend nicht mehr nur untervermieten, sondern von Investoren eigens für den Zweck einer illegalen Transformation von Körperschafts- in Privatrecht im Vermietungssegment angeschafft.

Steigende Mieten sind einmal die Folge, worunter nicht zuletzt die ärmeren Menschen leiden und zum anderen sind die Immobilienvermittlungsplattformen längst zur größten "Hotelkette" der Welt geworden, ohne die damit verbundenen Rahmen- und Wettbewerbsbedingungen einzuhalten. Weder sozio-ökonomische noch branchenspezifische wie etwa fiskalische noch ordnungspolitische Rahmenbedingungen sind damit in Hinblick auf einen fairen Wettbewerb als gleich anzusehen. Das System der Marktwirtschaft wird so über den Weg der Venture-Kapitalisierung zur Finanzierung der Transformation von einem marktwirtschaftlichen zu einer wirtschaftsliberalen Ökonomie verändert.



Im Wirtschaftsliberalismus versammelt sich die Renaissance einer bis zur stoischen Philosophie zurückgehenden Idee einer Ordo-Liberalität, die in der Ökonomik in Adam Smith ihren historisch bedeutendsten Vordenker, in Stuart Mill die Grundlage einer "negativen" Freiheit des Individuums als eine Freiheit durch die Abwesenheit von staatlicher Einschränkung und in John Locke ihre vermeintlich naturwissenschaftliche Letztbegründung fand.



Diese letztgenannten Autoren sind nicht zufällig auch die Wegbereiter des englischen Modells unserer aktuellen Wirtschaftsordnung. Diese ehemalige Variante der Marktwirtschaft aber entwickelt sich im Transformationsprozess ihrer fünf elementaren, ordoliberalen Freiheiten, die Vertragsfreiheit, Berufsfreiheit, Gewerbefreiheit, Konsumentenfreiheit und einen, auf bilateralen Verträgen basierenden Freihandel zum Wettbewerbsmodell der sozialen Marktwirtschaft.

Zu diesen Grundfreiheiten hinzugekommen sind aktuell in der Geschichte des anhaltenden, noch nicht abgeschlossenen Transformation Prozess die nationale, politisch-autonome Bestimmung über die Staatshalte wie auch die nationale Entscheidung über die Refinanzierung der Staatshaushalte über eine monetaristische Auffassung der nationalen Geldpolitik, wie sie von Milton Friedman theoretisch entwickelt worden ist.



Anmerkungen:

1 Quelle: Numbeo

2 Irisch-nationalistische Seite:
Die mehrheitlich katholischen Nationalisten streben eine Loslösung von Großbritannien und eine Vereinigung mit der Republik Irland an.
Unionistisch-loyalistische Seite:
Die mehrheitlich protestantischen Unionisten wollen Teil des britischen Königreichs bleiben.
Das Ziel einer Vereinigung mit Nordirland war in der Verfassung festgeschrieben. Im Zuge des sog. Karfreitagsabkommens verzichtete Irland nach einem Referendum auf diesen Anspruch; der Passus wurde gestrichen. Allerdings hält das Karfreitagsabkommen die Möglichkeit einer Wiedervereinigung mit der Republik Irland ausdrücklich offen, wenn sich die Mehrheit der Nordiren dafür ausspricht. Das war bisher nicht der Fall.

3 Die vier Grundfreiheiten des europäischen Binnenmarktes sind: freier Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital. Danach ist es den EU-Staaten verboten, den grenzüberschreitenden Handel mit Waren zu beschränken oder ausländische Anbieter von Dienstleistungen zu behindern. (Wikipedia)

4 Die City of London ist der nach Fläche und Einwohnern kleinste Verwaltungsbezirk von London bzw. Greater London. Als einziger Bezirk sui generis wird sie nicht zu den 32 London Boroughs gezählt und hat eine einzigartige lokale Verwaltungsbehörde: Die City of London Corporation untersteht mit dem lokalen Lord Mayor of London direkt dem britischen Monarchen und verfügt in mittelalterlicher Tradition über einige seit Jahrhunderten bestehende Ämter sowie über weitreichendere Befugnisse als gewöhnliche Bezirke wie z. B. Steuerfreiheit vom Vereinigten Königreich und die von Greater London unabhängige City of London Police.

5 Finanzplatz City of London – Die Macht der Quadratmeile, WOZ Nr. 11/2012 vom 15. März 2012

6 Neben den 9.400 gemeldeten Einwohnern sind auch Körperschaften wahlberechtigt, die in der City eine Liegenschaft besitzen. Bei 500 Angestellten dürfen 20 Wählerstimmen mobilisiert werden. Da auch die im Ausland tätige, gesamte Belegschaft eines Unternehmens mitzählt, wird deren Anzahl an Wahlberechtigten insgesamt auf etwa 23.000 geschätzt. Eine alles überragende und nicht antastbare Mehrheit, die den alteingesessenen Finanzfirmen erlauben, die Tonart und jeden Ton in Finanzangelegenheiten anzugeben.

7 Offshore-Leaks (auch OffshoreLeaks) ist ein Leak vom April 2013, das die unternehmensinternen Datenbestände der beiden Weltmarktführer „Portcullis TrustNet“ und „Commonwealth Trust Limited“ (CTL) für Gründung und Verwaltung von Trusts an Offshore-Finanzplätzen betrifft.
Die von der anonymen Quelle übersandten Daten betreffen insgesamt neun Steueroasen: Britische Jungferninseln und Kaimaninseln (britische Überseegebiete), Mauritius, Singapur, Cookinseln, Samoa, Seychellen, Hongkong und Malaysia. Zahlreiche andere Steueroasen sind nicht betroffen. Zudem handelt es sich explizit nicht um alle in den genannten Steueroasen registrierten Firmen und Bankkonten, sondern nur um Firmen, die von den zwei Trust-Gesellschaften „Portcullis TrustNet“ und der „Commonwealth Trust Limited“ (CTL) gegründet wurden.



Foto: monika m. seibel www.photographie-web.de



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