Marktwirtschaft - vollkommen unvollkommen
Franz Rieder • Magie des Geldes, Die Asymmetrie der Waren, Wild Oeconomy (nicht lektorierter Rohentwurf) (Last Update: 01.06.2019)
Der Begriff Markt1 ist eine Chimäre. Er gaukelt uns etwas vor und je aus welchem Blickwinkel etwas anderes. Eine Vorstellung von einem bunten Treiben von Handwerkern und Produzenten, die ihre Waren zum Kauf präsentieren und Interessenten, die sich einen Überblick über das Angebot verschaffen, Preise und Qualität vergleichen, sowie Kunden, die die Waren schlussendlich dort einkaufen und damit ihre Bedürfnisse befriedigen.
In
der Zusammensetzung mit dem Begriff Wirtschaft suggeriert
Marktwirtschaft, dass um der Befriedigung der Bedürfnisse der
Kunden willen gewirtschaftet wird. Also die Produzenten das Bedürfnis
der Kunden beim Aufbau und der Durchführung ihrer Produktion
zentral im Blick haben. Dass jene, die dort auf den Märkten die
Produkte präsentieren, den Geldbeutel der Interessenten zentral
im Blick haben, da ja niemand schlussendlich etwas kaufen wird, was
entweder generell zu teuer, wie etwa die für viele Menschen
unerschwinglichen Luxusgüter, oder ein Produkt im Vergleich zu
einem anderen Anbieter zu teuer ist. Und dass ein informierter,
mündiger Mensch seine Kaufentscheidung nach rationalen
Gesichtspunkten trifft, der Qualität des Produktes wie nach
dessen Preis.
Wenn also die Preise in der Lage sind, sich flexibel
an die Geldbeutel anzupassen, dann räumen die Kunden die morgens
aufgebauten Stände und Regale bis zum Abend bis zum letzten
Angebot ab, so der Traum.
Und die Produktion läuft täglich
auf vollen Touren, wenn es gelingt, diese vorab an die Bedürfnisse
und Erwartungen der Kunden anzupassen.
Es
ist eine seltsame Vorstellung, dass da in Mexiko oder in den
chilenischen Anden Bauern einst saßen und sich überlegten,
was wollen unsere lieben Mitmenschen und diese sagten: Kartoffeln,
und also die Bauern Kartoffeln anbauten. Oder war es nicht anders
herum?
Die Böden der Bauern gaben nur genügend
Kartoffeln und Koka her und also gab es auf den Märkten dort
schon früh Kartoffeln und Kokablätter.
Wie dem auch sei, ob wir die Marktwirtschaft als eine Angebots- oder als einen Nachtfragewirtschaft betrachten, die Beteiligten auf den Märkten bleiben die gleichen. Und so die Prozesse der Waren- und Güterproduktion sowie die Marktprozesse von Angebot und Nachfrage. Selbst der Einfluss der Nachfrage auf die Angebotsproduktion widerspricht nur wenig den klassischen Markttheorien.
Was
aber seltsam ist, ist, dass klassische und neoklassische
Markttheorien durchaus davon ausgehen,
dass es zur Beschreibung und Berechnung der entsprechenden Prozesse,
Werte und Mengen ein Gleichgewicht mindestens zweier Ordnungen, der
des Angebots und der Nachfrage geben
bzw. vorgestellt werden kann.
So hat von Eucken festgestellt, dass
es Ordnungen in der Ökonomik gibt, die sich dadurch auszeichnen,
dass sie in einer Form der „Interdependenz“2
zu einander stehen und man daher nicht von Ordnungen als solchen
sprechen kann.
Ordnungen sind Denkmodelle, in denen Strukturen oder Prozesse sich bedingen. Wenn also Strukturen nicht nur Strukturen der gleichen Ordnung, sondern auch Strukturen ähnlicher oder gänzlich anderer Qualität sind, mithin also z.B. staatliche Preismechanismen Marktpreise bedingen und beeinflussen können, dann treten gewissermaßen Form und Prozess aus- bzw. ineinander und Marktwirtschaft droht sich zu einer staatlich gelenkten Wirtschaftsordnung zu verändern.
Schlimmer noch; hinter der Interdependenz von Ordnungen breitet sich etwas aus, was wir in einem anderen Zusammenhang schon kennen gelernt haben: Einflusssphären. Leider sogar wechselseitig, von den Wirtschaftssubjekten auf die Politik und umgekehrt. Der Umkehrschluss, staatliche Einflüsse auf die Form des Wirtschaftens ganz zu unterbinden, führt zu einem sog. Laissez Fair der „freien Marktwirtschaft“, in der die Strukturen und Prozesse der Wirtschaft dominieren gegenüber Wettbewerbern, gegenüber den nicht-ökonomischen Wünschen der Bürger.
Wenn seit Jahren in Deutschland und sehr vielen anderen Ländern in und außerhalb Europas die Versorgung mit Krebsmedikamenten dramatisch defizitär ist, dann liegt dies nicht an einem Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage bzw. eine Asymmetrie von Bedürfnissen und deren Versorgungs- bzw. Befriedigungsmöglichkeiten. Im Gegenteil. Derartige Asymmetrien sind nicht Bedingung sondern Resultat einer nur noch auf Effizienz ausgerichteten Wirtschaft.
Patienten, Ärzte und Krankenhäuser wünschen sich eine ständige Versorgungssicherheit mit diesen lebenswichtigen Medikamenten. Sie bekommen sie nicht, weil die Industrie komplett nach Indien und dort in ein einziges Versorgungsunternehmen verlagert worden ist. Das war unter Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit geschehen, aber jeder durchschnittliche Student der Wirtschaftswissenschaften hätte sofort ein erhebliches Risiko bei dieser Art von Versorgung erkannt, seien es Gründe der Produktionssicherheit oder der Hygiene o.a. Ob Kontaminationen oder Betriebsausfälle o.a. Gründe zur Unterversorgung in den Kliniken führt, spielt keine Rolle.
Dass es aber ein
Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage je gegeben hat oder
geben wird, ist nicht einmal eine hübsche Illusion wie dieses
Beispiel als ein drastischer Grenzfall zeigt.
Ein paar Schrippen
bleiben immer im Regal. Denn wenn zu wenige für die letzten
Kunden da sind, kommen die morgen bestimmt nicht wieder. Auch nicht
morgens. Hier liegt die Geburtsstunde für Grenzkosten- und
Grenznutzenrechnungen, die wiederum makro- wie mikroökonomisch
betrachtet die Knappheit von Gütern und Ressourcen zur Grundlage
hat.
In jeder differenziellen Grenzrechnung ist also die Asymmetrie zwischen Motivation und Erwartungen der Wirtschaftssubjekte enthalten. Sie fungiert dort als mathematischer Umkehrpunkt oder als Asymptote, je nachdem, ob von Kosten oder von Gütermengen her betrachtet. So schön und präzise die Differenzialgleichungen der Mathematik auch sein mögen, in einem leergekauften Mark gibt es nur Scheinwerte bzw- -bewertungen.
Die
Grenzrechnungen sind, ob für Kosten- oder Nutzenbetrachtungen
dann sinnvoll und bewährt, wenn es um die industrielle
Güterproduktion im Sinne seriell optimierter Produktionsprozesse
geht, aufgelegt in einem Marktmodell, das als vollkommener
Markt erdacht ist.
Wir haben bereits gesehen, dass nur dann der
Preis gleich den Grenzkosten gesetzt werden kann, es also nur einen
Preis für eine Ware gibt, zu dem die Nachfrage gleich dem
Angebot ist und der Markt folglich geräumt wird. In einem
vollkommenen Markt können Anbieter keinen höheren Preis als
den Gleichgewichtspreis
durchsetzen,
weil sie aufgrund der Markttransparenz keine Abnehmer finden werden.
Nachfrager, die weniger als den Gleichgewichtspreis bezahlen wollen,
werden keine Anbieter am Markt finden.
„In
the same open market, at any moment, there cannot be two prices for
the same kind of article.“3
So wenig es empirisch einen einzigen Preis für ein Produkt gibt,
so wenig taugt ein Denkmodell, das Grenzkosten und Grenznutzen
außerhalb jeder empirischen Grundlage berechnet. Die Grundlage
als vollkommenen Markt zu definieren ist mathematische Freude und
empirieloser Unfug zugleich. Kein jemals existierender Unternehmer
wird jemals auch nur eine Sekunde damit verschwenden, Kosten und
etwaige Erlöse auf dieser Grundlage zu berechnen.
Warum also beschäftigt sich zum Kuckuck die Ökonomik mit dem Jevons’ Gesetz von der Unterschiedslosigkeit der Preise, wenn das Gesetz besagt, dass für ein Gut nur ein einheitlicher Preis auf dem Markt entstehen muss, wenn räumliche, zeitliche, sachliche und persönliche Differenzierungen einerseits entfallen, andererseits aber vollkommene Information herrscht, was immer, the hell, das auch heißen mag? Denn diese Bedingungen beschreiben den vollkommenen Markt.
Die Antwort ist einfach und für uns im weiteren Verlauf von Bedeutung. Gleichwohl diese Marktform in der Realität nicht anzutreffen und auch nicht als anzustrebendes Ideal postuliert wird, standen der Aktienhandel an der Börse und der Devisenmarkt einmal stellvertretend als Märkte, die dem vollkommenen Markt am nächsten kommen4 , während der Immobilienmarkt als ein Markt empirisch betrachtet werden muss, der dagegen sehr viel Unvollkommenheit aufweist.
Vollkommen unvollkommen
Grenzkosten und Grenznutzen
Das Modell des vollkommen Marktes ist gewissermaßen ein Denklaboratorium für den Begriff der Marktwirtschaft. Dort sollten einzelne, einfache, strukturelle Bedingungen überprüft werden hinsichtlich ihrer Interoperabilität und temporalen sowie generellen Wirksamkeit. Jevon setzte nicht nur Preise und Informationen in eine direkte Beziehung, sondern auch Handelshemmnisse, Zölle und Steuern, sogar Wechselkursschwankungen kamen ins Grenzrechnungs-Kalkül. So vermutete er bei fehlender, vollkommener Information einen temporär unvollkommenen Markt, da selbst bei fortschreitenden Informationsdefizits der Markt trotzdem zu einheitlichen Preisen findet, indem die Marktteilnehmer die Preisgestaltung der anderen Marktteilnehmer beobachten und ihre Preisgestaltung an denen der Wettbewerber orientieren. So entsteht der einheitliche Preis innerhalb eines zeitverzögerten, temporären Anpassungsprozesses.
Weniger die empirische Validität ist hier von Interesse, als vielmehr eine Hinterlassenschaft von Karl Marx für die gesamte nachfolgende volkswirtschaftliche Akademikerschaft, nämlich die Frage, ob die Marktwirtschaft im Sinne der Kapitalismuskritik von Marx durch immanente Widersprüche zu Krisen und letztlich zum Scheitern führt, oder ob die Marktwirtschaft ihre immanenten Krisen aus sich selbst heraus zu überwinden in der Lage ist; wir werden das in einem Kapitel über die Krisen der Marktwirtschaft gesondert behandeln.
Jede Volkswirtschaft seit Marx und in dessen Folge besonders nach Keynes ist auch eine Krisenwissenschaft. Anders sind die zahllosen analytischen Beschäftigungen mit Arbeitslosigkeit, Armut, Profitrate, Inflation und Deflation u.v.a.m. nicht zu verstehen. Wir attestieren damit der Ökonomik auch ein gesundes Misstrauen, eine durchaus kritische Einstellung gegenüber ihrem „Gegenstand“, gleichwohl sie in der akademischen Debatte den „mainstream“ nie verlassen hat. Generell also glaubt sie bzw. geht die klassische Lehre bis heute davon aus, dass die Marktwirtschaft die Krisen, die sie selbst schafft, auch mit marktwirtschaftlichen Mittel zu überwinden in der Lage ist.
Bleibt die Frage: müsste dieses Kapitel: 9 eigentlich nicht vor als nach dem letzten Kapitel stehen? Die negative Antwort darauf ist offensichtlich darin gegründet, dass zuerst die immanenten Denkmodelle der Ökonomik analysiert werden müssen, besonders jene, die innerhalb des wissenschaftlichen Krisendiskurses die wesentlichen Rollen spielen, bevor diese Denkmodelle durch kritische Analysen selbst aus sich heraus eine andere, vielleicht sogar eine öffnende Perspektive auf neue, bessere Möglichkeiten des Wirtschaften wie des tragenden Gesellschaftsmodells erschließen.
Zurück zur Marktwirtschaft und zu den Preisen. Es ist klar, dass von einem Idealmodell ausgehend, es zwei Preise für die gleiche Ware nicht geben kann, weil zu einem vollkommenen Markt auch ein vollkommener Preis gehört. Aber bringt dieses Modell überhaupt etwas für das Verständnis einer Marktwirtschaft? Ja, weil es zwingt, über folgende, strukturelle Bedingungen einer Marktwirtschaft nachzudenken.
Einheitliche Preise sind ja Resultate einer Form der Produktion von Waren, von dem Blickwinkel eines Unternehmers aus betrachtet, die den höchsten Effizienzgrad erreicht hat. Zu diesem Effizienzgrad gehört selbstverständlich auch der Aufwand und Einsatz finanzieller Mittel, die in die Effizienzsteigerung zum Optimum eingesetzt worden sind. Mit Investitionsstau ist ja nichts anderes verbunden als die Tatsache, dass es, möglicherweise auch besser, im Sinne effizienter, gehen könnte.
In
einer vollkommenen Produktion sind also die investiven Entscheidungen
vollkommen zum Output und die Preisentscheidungen vollkommen zum
Wettbewerb. Wenn also niemand besser im Sinne von optimaler die
Menschen mit Waren und Gütern versorgen kann, weder Über-
noch Unterproduktion herrscht, dann ist der Wettbewerb vollkommen als
eine Art der Aufteilung des Gesamtmarktes unter Produzenten gleicher
Art.
Dann machen auch Grenzrechnungen einen Sinn, also
Kalkulationen bei veränderten Marktbedingungen, was die
Nachfragegröße angeht, denn
„Grenzkosten sind der Kostenzuwachs, der durch die
Mehrproduktion einer Ausbringungseinheit entsteht.“5
Dann
sind auch alle Informationen verfügbar, so dass niemand über
Insiderwissen oder andere Formen von Wissens- und
Informationsvorsprung verfügt.
Wir sahen, dass etwa von Eucken moderne Wirtschaftsordnungen und deren Interoperabilität unterscheidet. Zentrales Kriterium für ihn war dabei nicht die Staatsquote, also der Anteil der staatlichen an den gesamten wirtschaftlichen Aktivitäten, sondern, was von Eucken wirtschaftliche Macht, wir aber wirtschaftlichen Einfluss nennen. Größte Machtanhäufungen finden wir in einer Zentralverwaltungswirtschaft, wie sie in den Sowjetstaaten bestand und zum Teil auch heute noch in den Folgestaaten besteht, so auch in der Volksrepublik China und anderen politischen und politisch-religiösen Staatsformen weltweit.
Der
Gegenpol, nach von Eucken, zu Zentralverwaltungswirtschaften, in
denen eine Zentrale über die größtmögliche
politische und wirtschaftliche Macht in einer Hand verfügt und
der Einzelne, hier das Wirtschaftssubjekt, maximal fremd bestimmt
ist, ist nicht etwa die „freie
Marktwirtschaft“
des Laissez-faire, sondern der vollständige
Wettbewerb, bei dem niemand über wirtschaftlichen Einfluss bzw.
eine wirtschaftliche Dominanz auf dem Markt verfügt, ein anderes
Wirtschaftssubjekt in seinen ökonomischen Planungen und
Entscheidungen massiv beeinflussen, ja sogar bestimmen zu können.
Von
Eucken erkennt noch einen dritten Ordnungstyp, den er „vermachtete
Marktwirtschaft“ nennt, bei der einzelne Einflussgruppen, durch
Preispolitik oder Lobbyismus, in die ökonomische Freiheit und
Selbstbestimmung anderer Marktteilnehmer eingreifen6
und was wir unter unseren Begriff der „Beeinflussung“
subsumieren, um die Trennlinie zur Macht, die einzig für uns als
eine politische Form besteht, scharf zu ziehen.
Was von Eucken mit dem vollständigen Wettbewerb aufgreift ist dieses ideale Modell einer Marktwirtschaft, von dem wir eben sprachen und das im vollständigen Wettbewerb der Idee einer gegenseitigen Selbstkontrolle aller Wirtschaftssubjekte durch alle Wirtschaftssubjekte folgt. Die Idee einer „freien Marktwirtschaft“ ist aber nicht kompatibel mit dieser Idee des Wettbewerbs, in der alle Macht- bzw. Beeinflussungsstrukturen im Hegelschen Sinne aufgehoben sind und wo ein Höchstmaß an ökonomischer Freiheit herrsche.
Betrachten wir zuerst das Kriterium Preis(politik) in diesem Zusammenhang. Bevor ein Unternehmen einen Preis für seine Waren auf den Markt ausbringt, muss es die Kosten, die zur Herstellung der Waren notwenig sind, berechnen. Da nun die Kosten, die sich ganz grundsätzlich zusammensetzen aus den Fixkosten und den mit der Ausbringungsmenge verändernden variablen Kosten, so gut wie nie in einem linearen, sondern in einem nicht-linearen Kostenverlauf berechnen lassen, nicht-linear insofern, als nach dem Ertragsgesetz7 von sinkenden Grenzkosten ausgegangen werden muss, müssen weitere Parameter wie die durchschnittlichen variablen Kosten, die durchschnittlichen gesamten Kosten und die Grenzkosten in die Rechnung mit einbezogen werden.
Nicht-lineare Kostenverläufe stellen sinkende Grenzkosten dar, die sich bei der Herstellung von Waren in großen Mengen ergeben, wobei zwei wesentliche Faktoren wirksam sind, nämlich Skalenerträge und die sog. Lernkurven. Skalenerträge sind eine Eigenschaft der Produktionsfunktion und geben die Steigerungsrate an, mit der sich der Output bei proportionaler Erhöhung des Inputs erhöht8 .
Der Lernkurveneffekt ist eigentlich ein unglücklicher Ausdruck, hat er doch mit Lernen nur auf der alleruntersten Ebene etwas zu tun. In der Wirtschaft wird er verwendet, um Produktivitätssteigerungen oder eine Qualitätssteigerung im Laufe einer seriellen Produktion zu erklären und wurde ursprünglich hauptsächlich dazu herangezogen, um schnellere Fließbandgeschwindigkeiten bei der seriellen oder Fließfertigung zu ermöglichen und zu rechtfertigen.
Zum
Lernkurveneffekt: In Bezug auf die Grenzkostenrechnung lässt
sich wenig, wenig nicht sogar gar keine Aussage treffen. Wir halten
diesen Effekt für die aktuelle Situation einer Kostenrechnung
für schlicht irrelevant.
Zum Skalenertrag: Skalenerträge
sind nach wie vor preissensibel, da sie in bestimmten, auf serielle
Produktion
beruhende Wirtschaftssektoren signifikanten Einfluss ausüben.
Hier ist dieser Faktor besonders
bei den sog. Plattform-Technologien zu berücksichtigen und auch
in einem gewissen Ausmaß bei der Digitalisierung der
Wertschöpfungsketten generell zu veranschlagen.
Cash only
Auf der betrieblichen Ebene sieht die Innenfinanzierung bzw. die Liquidität eines Unternehmens ein wenig anders aus. Hier zählen weniger idealtypische Märkte, hier rechnet man weniger mit ständig voll- oder unvollkommenen Strukturen. Hier zählen Einzahlungen und Auszahlungen innerhalb eines gegebenen Zeitraums, also Geld-, Kassen- und Kapitalflüsse, die mit allen „Abflüssen“ saldiert werden.
Diese Stromgrößen, eine Erfindung aus den USA, sind um so seltsamer ihren Ursprungs nach, als sie erfunden bzw. angewendet wurden in kirchlichen Verwaltungen und nominell zurückgehen auf die sog. Kameralistik, also ein Buchführungsverfahren für „fürstliche Schatztruhen“. Und so weit entfernt von unserer heutigen ‚Beanspruchung‘ als denominierte Vermögenswerte ist dieses Buchführungsverfahren einer Einnahmeüberschussrechnung gar nicht; man muss es nur wissen, dass Vermögenswerte in ihrer denominierten Geldform hier Eingang finden.
Wären
Caschflow-Rechnungen lediglich Konventionen der Mikroökonomie
könnte wir sie in unserem
Zusammenhang vernachlässigen. Das aber sind sie nicht. Denn
diese Kennzahlen, die mit den Cashflows eines Unternehmens verbunden
sind, sind weit mehr als nur innerbetriebliche Größen.
Bereits Anfang des 20. Jh. sprach in einem spektakulären
Rechtsstreit zwischen Ford und den Dodge Brüdern der Oberste
Gerichtshof von Michigan, USA, im ‚Obiter Dictum‘ der
Urteilsbegründung:
Ein
Unternehmen ist zuerst dazu da, einen Gewinn für seine Aktionäre
zu erwirtschaften.“
Es dauerte zwar noch etwa 70 Jahre, bis die entsprechende, ökonomische Theorie zu diesem Dictum folgte, die dann 1986 in dem Werk: „Creating Shareholder Value“ von Alfred Rappaport niedergeschrieben wurde. Darin forderte er, dass unternehmerische Entscheidungen vorrangig nicht daran zu messen und zu bewerten sein, ob sie Gewinne erzielen, sondern ob sie den Wert des Unternehmens für dessen Aktionäre steigern9 .
Das war die Geburtsstunde der Cashflow-Rechnung. Da bereits kleinste Abweichungen von den Quartalsergebnissen die Cashflow-Prognosen für die folgenden Jahre beeinflussen können und mit diesen auch Auswirkungen auf die Aktienkurse verbunden sind, konzentrierten sich die meisten Unternehmenslenker börsennotierter Unternehmen schnell vornehmlich auf gute Quartalsberichte.
Sharholder Value wurde zur einzigen wirklichen Messgröße der Wertsteigerung eines Unternehmens mit den Methode der Cashflow-Rechnung. Dies nahm rasch zu und gilt bis heute, wo besonders große und institutionelle Investoren, allen voran die großen angelsächsischen Pensionsfonds, die beträchtliche Summen an Vermögen für Altersruhegelder von Millionen von US-Bürgern verwalten und damit auch nicht gerade unerheblichen Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen der Unternehmen ausüben, bei denen sie investiert sind.
Fondsmanager sind so zu, der Idee nach, treuhänderischen Sachwaltern privater Einlage- und Aktienvermögen geworden, die die Wertsteigerung von Unternehmen durchaus mit beeinflussen.
Aus
der Kameralistik10
wurden mit der Zeit unterschiedliche Arten der Cashflow-Rechnung und
damit von Cashflow-Kennzahlen, die sich im Rahmen der Finanz- und
Aktienanalyse entwickelten11 .
Darin
haben sich drei unterschiedliche, aber mit einander verbundene
Fokussierungen der Cashflow-Betrachtung ausgebildet und in der Praxis
bewährt:
der Cashflow aus der laufenden Geschäftstätigkeit
– darin enthalten ist der operative Cashflow -,
der Cashflow
aus der Investitionstätigkeit und
der Cashflow aus der
Finanzierungstätigkeit.
Die Summe dieser drei Salden ergibt
die Veränderung des Bestands an liquiden Mitteln innerhalb einer
Periode, meistens im Zeitraum eines Jahres12 .
Für
uns ist der Cashflow aus der Finanzierungstätigkeit und dessen
Auswirkungen auf die Aktienkurse von primärer Bedeutung im
Zusammenhang mit marktwirtschaftlichen Überlegungen. Im Rahmen
des Cashflows aus Finanzierungstätigkeiten sind natürlich
die Zuführung von Eigenkapital in das Unternehmensvermögen
von Bedeutung wie die Kosten aller Finanzverbindlichkeiten.
Sie
geben summiert einen Hinweis darauf, ob ein Unternehmen aus eigener
Kraft Investitionen tätigen kann und somit auch in Zukunft
prinzipiell wettbewerbsfähig ist, in welcher Höhe liquide
Mittel für Schuldentilgung und Zinszahlungen vorhanden sind,
oder in wie weit Insolvenzgefahr besteht, denn ein anhaltend
negativer Cashflow führt zur Zahlungsunfähigkeit und damit
zur Insolvenz13 .
Der Cashflow in der finanzwirtschaftlichen Unternehmensanalyse aber gibt lediglich als eine Art Frühindikator Auskunft darüber, ob ein Unternehmen auf gesunden Beinen steht oder eher nicht. Der operative Cashflow dagegen bezieht als Indikator für das Innenfinanzierungspotenzial eines Unternehmens nicht nur die Frage ins Kalkül, ob das Unternehmen aus den Umsatzprozessen heraus Kredite ordnungsgemäß zu tilgen, sondern auch neue Investitionen zu tätigen in der Lage ist.
Wenn also von Investitionen und der Innovationskraft eines Unternehmens die Rede ist, dann sollten sich gerade diese Kriterien in den Aktienkursen widerspiegeln. Das heißt aber auch, dass weniger die tagesaktuellen Kursniveaus wie auch einjährige Kursverläufe und Dividenden allein bei der Bewertung der Wertsteigerung eines Unternehmens herangezogen werden können. Und auch ein Börsenindex gibt nicht allein Auskunft darüber, ob die in ihm gelisteten Unternehmen in investiver und innovativer Hinsicht zugleich gut aufgestellt sind.
Investitionen und Innovationskraft sind seit den grundlegenden Veränderungen in der Unternehmensbewertung durch Cashflow-Rechenarten wie auch alle anderen Vermögenstransfers zu Unternehmens-Aktiva Denominationen. Heute spricht man von Stromgrößen, von Geld- sowie Kapitalströmen u.a. und vergisst zunehmend dabei, worum es sich im Kern einmal handelte, nämlich die Versorgung von Unternehmen mit liquidierten, privaten Vermögenswerten und dem Anspruch der Investoren, diesen Transfer nicht nur treuhänderisch zu kapitalisieren, sondern auch in einer angemessen Form der Rendite zu vergüten.
Magie des Geldes
Wir haben die Beziehung zwischen einem Unternehmen und einem Börsenindex ausgewiesen. Wir haben dabei die Wirtschaftssubjekte in den Unternehmen angesprochen und die Art und Weise, wie sie die Beziehung zwischen ihren Unternehmen und den Börsen herstellen. Nun müssen wir noch einmal genau darauf hinsehen, was geschieht, wenn Unternehmen sich über Börsen (re-)finanzieren.
Ein Investor liquidiert, wie mehrfach besprochen, einen Teil oder sein gesamtes Vermögen und gibt es in Form von Geld einem Unternehmen. Der Investor blockiert damit diesen Teil seines Vermögens für eine neuerliche Verwendung als Investment und erwartet vom Unternehmen einen Rückfluss in Form von Zinsen bzw. Renditen. Im operativen Cashflow findet man nun, je nach Ermittlungsmethode, Einzahlungen aus Aufnahme von Finanzverbindlichkeiten bzw. Auszahlungen aus Rückzahlung von Finanzverbindlichkeiten oder Kreditzinsen.
Innerhalb des Cashflows aus Finanzierungstätigkeit tauchen fremde, blockierte, denominierte und verzinste Vermögenswerte als verbrauchte Mittel für Dividenden, Zinszahlungen und Darlehenstilgungen sowie zugegangene Mittel aus Kapitalerhöhung und Darlehensaufnahmen auf. Was wir also sehen, sind Geldzuflüsse und Geldabflüsse. Was wir nicht sehen, sind die Eigentumsverhältnisse hinter den Geldströmen, hinter dem „working capital“. Vordergründig scheinen die Zahlungsströme, die zur Ermittlung des Cashflows aus der Gewinn- und Verlustrechnung herangezogen werden, der sicherere Weg zu sein, die Ertragslage eines Unternehmens zu beurteilen, weil seine Berechnung lediglich zahlungswirksame Positionen erfasst und so weniger anfällig ist für Bilanzmanipulationen.
So
erscheint es, prima vista. Der Cashflow ermöglicht qualitativ
bessere Aussagen zur Liquidität eines Unternehmens, die für
Investitionen, zur Schuldentilgung oder Gewinnausschüttung
verwendet werden kann14 .
Aber auch alle Aufwendungen, die nicht zu Ausgaben, und alle Erträge,
die nicht zu Einnahmen im Zeitraum geführt haben, bleiben bei
Cashflow-Rechnungen außer Betracht.
Was aber in der
Sichtweise von Cashflows zunehmend verdeckt wurde, sind die wahren
Wirtschaftssubjekte hinter den Geldflüssen, deren Betrachtung
heute dominiert. Und so gerieten die vordergründigen Geldströme
in die Position, Ausgangspunkte wirtschaftlichen Handelns und dessen
wissenschaftlicher Erklärung zu werden, ganz und gar dominant in
der Vorstellung der Finanzmärkte als Inbegriff einer weltweiten,
geldgetriebenen Wirtschaft. Und dies scheint ja nur all zu
offensichtlich, dass die Magie des Geldes die wesentlichen,
wirtschaftlichen Felder beherrscht.
Auf den Märkten aber stehen hinter jedem Preisschild eine, teils vielzählige und mehrstufige Verknüpfung von Gläubiger-Schuldner-Verhältnissen, die wiederum in Rückzahlungs- und Kaufkontrakten, in lang- und kurzfristigen Handels- und Lieferbeziehungen usw. bestehen. Es ist nicht das Geld, welches die Märkte am Laufen hält, sondern die Forderungen und Verbindlichkeiten in einem privatrechtlich sanktionierten Sinn.
Nur in Gesellschaften mit Privateigentum kann dieses liquidierte Vermögen in seiner Geldform übertragen werden, als Kapital oder als Kredit oder als eine andere Art von Verbindlichkeiten erfasst werden. Mit dieser liquiden Geldsumme können Produktionsprozesse aufgesetzt und Waren hergestellt werden. Ein Ware also ist nicht nur Tauschwert oder gar Gebrauchswert, sondern primär ist der in der monetär ausgepreisten Ware enthaltene Anteil des Cashflow aus Finanzierungstätigkeit, der sowohl den Wert der Ware hauptsächlich und über den Fortbestand oder die Liquidierung der Produktion mit bestimmt.
In Dienstleistungsgewerben ist der Anteil des Finanzierungs-Cashflows mitunter bei den Herstellungskosten gering, bei der Preisauszeichnung ändert sich dabei aber im wesentlichen nichts. Denn ist dieser Anteil, der bilanztechnisch auf verschiedene Weise verbucht werden kann, der aber immer die kurz- und langfristigen Kapital- sprich Schuldendienste, in unserem Verständnis, die zeitlich divergenten Geldabflüsse an die Gläubiger repräsentiert, nicht einkömmlich, droht die Insolvenz.
Alle
anderen Prozesse und Kennzahlen, seien es die Profitabilität,
die Rentabilität oder die internen Steuerungsprozesse etc. sind
dem nachgeordnet. Kapitalflussrechnungen
enthalten stets vom IAS15
eingeräumte
Gestaltungs- und Ermessensspielräume „in
Bezug auf die Zuordnung von Zinsen und Dividenden
auf die jeweiligen Cashflowrechnungen“.
Die Spielräume können den operativen Cashflow maßgeblich
beeinflussen. Besonders der (Nicht-)Ausweis gezahlter Zinsen kann
über einen positiven oder negativen operativen Cashflow, also
über Insolvenz entscheiden.
Dass bis heute die Forscher des
IAS große Anstrengungen darein legen, Faktoren zu
identifizieren, welche für die Klassifizierung von Zinsen und
Dividenden in der Kapitalflussberichterstattung eine Rolle spielen,
mag auch daran liegen, dass sie der Magie des Geldes erlegen sind und
nicht mehr hinter die schier inflationären Denominationen des
Eigentums zu blicken in der Lage sind.
Die Asymmetrie der Waren
Hatte Marx der Ware noch in langen und überzeugenden Reflexionen ihren Doppelcharakter als Gebrauchs- und Tauschwert abgerungen, wird ihr in der aktuellen Wissenschaft kaum noch Begriffsarbeit gewidmet. Scheinbar trivial, weiß doch anscheinend jedes Kind, was eine Ware ist, definiert man sie als eine „bewegliche Sache“ in weitester Auslegung, also mithin als Elektrizität aber nicht als Grundstück. Die seltsame Sonderbewertung des Begriffs Boden rührt daher, dass man im Boden zwar ein Wirtschaftsgut, aber keine Ware erkennen mochte, nachdem ein Jahrhundert lang und mehr der Boden lediglich als Produktionsfaktor betrachtet worden war; dank Landwirtschaft.
In
der Betrachtung des Bodens als Ressource erkannte die Ökonomik
ihr gleichsam erstes Gesetz, nämlich das Ertragsgesetz in der
Landwirtschaft, dessen Gültigkeit bis heute in der
Beschränktheit der Ressource begründet ist. Immerhin
erkannte man in diesem Zuge auch, dass der landwirtschaftlich
nutzbare Boden seiner Substanz nach nur längerfristig
regenerierbar ist, was aber seiner Ressourcenbeschränktheit
nicht widerspricht; im Gegenteil.
Seltsamerweise wird mit dem
Boden recht ordentlich Handel getrieben und auch spekuliert, dass
sogar dieses Gut einen erkläglichen Betrag zu größeren
Krisen, ja sogar zu sich zunehmend weltweit ausbreitenden Krisen zu
leisten in der Lage war und ist, was mitunter zwar nicht allerorts,
aber hier und dort durchaus ins Bewusstsein gedrungen zu sein
scheint; aber wie eine Ware will man ihn partout nicht behandeln.
Schon
hier finden wir eine gewisse Asymmetrie
im Begriff der Ware, insofern der Boden einmal als Produktionsfaktor
vorgestellt, zum anderen aber offensichtlich doch auch als Ware
betrachtet werden muss. Und diese Asymmetrie besteht somit auch in
den Waren zueinander. Der Kameralist Johann Beckmann gilt als Vater
des Fachgebiets „Wirtschaftliche Warenlehre“ und in
seiner Nachfolge besetzte Artur Kutzelnigg im Jahr 1961 den ersten,
gleichnamigen Lehrstuhl an der Universität zu Köln und von
ihm stammt auch die heute noch gebräuchliche Definition der Ware
als:
„…in
der Natur in begrenzter Menge vorhandene oder vom Menschen technisch
gefertigte, bewegliche wirtschaftliche Güter, die zur
Befriedigung von Bedürfnissen dienen. Sie besitzen Tauschwert
und sind Gegenstand des Handels oder kommen dafür in Betracht“.16
Die
Definition ist für sich eher trivial, aber um so
beachtenswerter, verweilt man kurz bei dem Titel des Zitates: „Die
Zigarette als Modellfall der Wirtschaftlichen Warenlehre“. Man
sieht, die Kippen haben nicht nur auf dem Schwarzmarkt eine, dem
Boden ähnliche Ambiguität ausgebildet, mithin als
Zahlungsmittel und Genussmittel zugleich ihren außergewöhnlichen
Tauschwert erobert, sondern standen sogar vor noch nicht all zu
langer Zeit Modell für die Wissenschaft.
Warum man dort nicht
genauer hingeschaut hat auf die weiße, schlanke Erscheinung
suchtmachenden Genusses und erkannte, dass eine Schachtel Zigaretten
auf dem Schwarzmarkt nach dem Zweiten Weltkrieg weniger als Ware,
vielmehr aber als Währung fungierte und warum dies so war,
verwundert dann doch ein wenig.
Wer damals die Stuyvesant in Rauch aufgehen ließ, war ein wirklich reicher Genußmensch, meist bei den Siegermächten, und verfügte über genug der Glimmstengel. Mit denen konnte man tauschen oder demonstrativ sich quasi einen Hunderter anzünden und wegpaffen; das demonstriert die Obszönität wahren Luxus‘ wie sonst kaum etwas.
Auf
dem Schwarzmarkt aber belegt die Schachtel Stuyvesant die generelle
Asymmetrie von Angebot und Nachfrage. Als Anbieter erscheint der
Produzent als Ware auf dem Markt, die er gegen Geld tauscht bzw.
tauschen lässt, mit dem er seine Schulden für die
Produktion oder den Einkauf der Ware begleichen muss. Deshalb
akzeptiert er nur „feste“ Währungen, also eine
Konvertibilität, die auf dem Schwarzmarkt zugleich auch eine
Form der Beschränktheit zeitigt, als Waren nur gegen eine
bestimmte Währung, hier Zigaretten, getauscht werden können.
Auf
dem Markt also wird der Produzent, der zu einem gewissen Anteil
seiner Produktion Schuldner gegenüber Dritten ist, zum Anbieter,
tritt also privatrechtlich als ein Gläubiger auf, der über
diesen Anteil am Preis seiner Ware, der rein rechtlich wiederum
seinem Gläubiger gehört, dessen Kredit plus vereinbarten
und aktuellen Zinsatz zurück bezahlt.
Die „Rollen“, die ein Produzent rechtlich einnimmt, sind also asymmetrisch wie übrigens auch der Schulddienst im Preis der Ware. Denn dieser kann mehr oder weniger starkt schwanken, aufgrund von veränderten Leitzinssätzen u.a. und bildet das eigentliche und echte Geschäftsrisiko des Produzenten. Jeder Veränderung von Ressourcen kann der Produzent in teils weit gesteckten Grenzen aber effektiv begegnen. Durch Ausweitung und Reduktion im Ressourcenmanagement sowie durch kluges Risikomanangement können Schwankungen bei den Commodities und den Human Ressources (schrecklicher Ausdruck!) flexibel beantwortet werden. An steigenden Kreditzinsen aber lässt sich wenig, wenn nicht nichts drehen. Letztlich besteht immer ein Risiko, dass der Markt erhöhte Preise nicht kompensiert.
Die
Einwerbung von Krediten hängt also ganz wesentlich davon ab, ob
der Kreditnehmer-Produzent gegenüber den anderen
Marktteilnehmern, zu denen er als Anbieter-Gläubiger auftritt,
genügend Aufträge schreiben und bezahlt bekommt bzw.
genügend Verkäufe tätigen kann, die mindestens den
Cashflow aus Finanzierung kompensieren.
Wir schränken den
Warenpreis in diesem Zusammenhang auf den Finanzierungs-Cashflow
deshalb ein, um diesen Anteil überhaupt wieder sichtbar werden
zu lassen und weil er es ist, der die Insolvenz maßgeblich
bestimmt. Zahlungsaufschübe für Forderungen auf Lieferungen
und Entlassungen von Personal, Kurzarbeit etc. sind dagegen
nachgeordnet und können in einem bestimmten Maße und auch
mit kalkulierbaren Auswirkungen flexibel in einem Unternehmen
gehandhabt werden.
Kredit- und Zinsverpflichtungen bzw.
Renditezusagen haben einen betriebswirtschaftlich deutlich höheren
Sensibilitätsgrad.
Die Marktwirtschaft kennt also ein hoch komplexes Geflecht asymmetrischer Beziehungen zwischen Gläubigern und Schuldnern und längst haben sich auch die scheinbar ewigen symmetrischen Beziehungen zwischen Produzent und Konsument aufgelöst; Digitalisierung heißt nicht zuletzt auch dieses, wie wir später deutlicher sehen werden.
Und
auch die Ware selbst steht nicht so ohne weiteres in einer
symmetrischen Wertbeziehung zu anderen Waren wie dies die klassische
und neoklassische Ökonomie bis hin zum Monetarismus gerne
gesehen haben. Einzig der Boden schien ein wenig aus der Reihe zu
tanzen. Aber seit Marx wissen wir ja, dass letztlich alles auf dem
Tisch zu tanzen in der Lage ist, sogar Stühle und der Tisch
selbst.
Schaut man nur auf das Warenangebot und dessen monetär
ausgepreisten Werte, dann erscheinen die Waren wie sie friedlich
neben einander in den Kisten auf den Märkten liegen, in einer
Art von Homogenität und Symmetrie zu einander; dem aber ist
nicht so.
Die Waren selbst wie deren Preise sagen nichts darüber
aus, welcher Form der Schuldner-Gläubiger-Beziehung denn ein
Kunde bzw. Konsument im Moment des Kaufs oder der
Vertragsunterzeichnung eingegangen ist.
Tausende von Kunden hingen auf europäischen Flughäfen fest, weil sie glaubten, mit Air Berlin oder Niki 2017/18 ein Geschäft gemacht zu haben; leider geirrt. Die Vielzahl an Internet-Portalen, die Schadensersatz oder Geldforderungen ihrer Mandanten gegenüber Unternehmen einklagen, besonders aus der Beförderungs- und Reisebranche, sprechen ebenso für sich. In jedem Preis steckt also auch eine Wechselbeziehung zwischen Gläubigern und Schuldnern, die eine lange Kette bilden können, kaum mehr auszumachen, wer wann in welcher Beziehung zu welchem und über welchen Zeitraum hinweg zu wem oder für was steht. Das klingt wild, ist es leider auch.
Wild Oeconomy
Man
kennt nicht genau das Datum, wann sie durchgedreht ist, aber sie ist
es. Die Wirtschaft ist wild geworden. Und das meinen wir ernst. Noch
vor nicht all zu langer Zeit buk die Mutter zwei große Brote im
Backherd in der Küche, die reichten für eine vierköpfige
Familie etwa vierzehn Tage.
Heute präsentiert die nicht all‘
zu große Verkaufsfläche der Bäckerei am Karlsplatz
mehr als 180 verschiedenen Brotsorten und dabei sind die Schrippen
und das Gebäck noch gar nicht mit gezählt.
Vor
vierzig Jahren lieh man sich Werkzeug beim Nachbarn für Garten
und Autoreparatur, heute hat jeder einen halben Baumarkt im Keller.
Wir sind von materiellen, aber bereits auch von immateriellen Gütern
regelrecht umstellt. Auf die Idee, Brot für den eigenen Bedarf
selbst zu backen, kommt heute kaum noch jemand, es sei denn ein
Daseins-Romantiker.
Dem kommt auch vielleicht in den Sinn, nicht
alles im Leben zu versichern, einzig seine Gesundheit, sein Fahrrad
gegen Diebstahl, teuren Zahnersatz, das Leben von Frau, Kind und
seins, das Alter von eben diesen, Reiserücktritt, Glasschäden,
Verlust von Smartphone und anderen digitalen devices usw. Und das
erkennt er als sinnvolle Reduzierung.
Waren
und Dienstleistungen aller Art organisieren und prägen das Leben
der Menschen in Konsumgesellschaften. Und Konsumgesellschaften prägen
das Leben der Menschen mittlerweile weltweit. Das aber ist nicht der
Kern der Globalisierung.
Als die Ökonomik anfing, sich mit
den Wirtschaften zu beschäftigen, sah es noch so aus, als wärem
die Märkte mit dem Warenangebot ein noch umrissener Teil des
Wirtschaftslebens innerhalb verschiedener politischer
Gesellschaftsordnungen; voll waren die Stände und Regale, gar
übervoll an Angeboten, aber nicht zu vergleichen mit heutigen
Zuständen. Wir wählen mittlerweile aus Dutzenden Sorten von
Tomaten aus Holland und Spanien, kaufen exotische Früchte mitten
im Winter zu erschwinglichen Preisen in Supermärkten.
Dass
dieses Angebot heute so existiert und sich wohl noch ausweiten wird,
haben Smith und Marx kaum vorhersehen können. Aber in der
Betrachtung der Warenangebote lag der Kern einer Entwicklung in der
Wissenschaft der Ökonomie, die zu fatalen Auswirkungen geführt
hat.
Marx zumindest hätte es wissen müssen, war er doch
der Hegelschen Phänomenologie des Geistes durchaus profunder
Kenner. Und nicht erst seit der Philosophie des Deutschen Idealismus
wissen wir, dass das sinnlich wahrgenommene Nächste durchaus der
Wahrheit Fernste sein kann; ja im kritischen Erkennen und Verstehen
meist auch ist.
Marx sah nicht nur die Märkte mit Waren aufquellen. Er sah natürlich auch die sichtbares Seite der Verhältnisse einer Wirtschaftsordnung, die damals vor allem im industriellen England überall sich zeigte: oben auf den Hügeln wohnten die Eigentümer und Besitzer der Industrieanlagen, also das Kapital, und unten, da wo die Kehrseite des Wohlstandes und ihres menschlichen Geschäftes sich sammelte, wohnten die Arbeiter, die Ratten und das Ungeziefer, das vom Gestank nur so angezogen wurde. Dort erkrankte man auch an dem, was in the gutter so schwamm.
Was er sah, formulierte Marx so dann in seiner Politischen Ökonomie: eine Gesellschaft, deren Wirtschaftsordnung zwei Dinge, zwei Faktoren, hervorbrachte: Arbeit und Kapital. Er hätte damals durchaus bereits erkennen können, dass Arbeit und Kapital einen Faktor bilden, also notwendig als Produktionsfaktoren aufeinander bezogen sind, was er übrigens in seiner Theorie fortlaufend beschrieben hat, es aber noch einen anderen Faktor gibt und der im wesentlichen ein politischer Faktor ist: das Privateigentum.
Marx
hat Privateigentum und Kapital gleich gesetzt auf der einen Seite und
eine auf Profit ausgerichtete Produktion, deren konkrete
Erscheinungsformen die Warenansammlungen bildeten. Damit hat er zwar
seine kritischen Reflexionen gut im Widerspruch zwischen Kapital und
Arbeit untergebracht, allein sie waren von da an, und sie blieben es
bis heute, falsch differenziert und verortet.
Das Kapital, welches
Marx beschrieb, gilt heute noch den meisten Menschen als die Skizze
eines Bestiariums, dessen schrecklichsten Ausmalungen in der
Heuschreckenflut des Finanzkapitals über die Welt kommt und den
Faktor Arbeit ohne Wohltaten und Schutz der sozial-politischen
Mandate vom Erdboden verputzt. Seit Marx versteckt sich die
„politische“ Ökonomie hinter den Produktivkräften,
gilt gleichsam als deren willfährige politische Ordonanz und
hält sich schadlos weil unschuldig am wirtschaftlichen Gemetzel
oder als große Wohltäterin bei der Milderung materieller
Schadensfälle. Politik aber ist weder unschuldig noch mildtätig.
Das verfassungsgesicherte Privateigentum moderner Gesellschaften ist qua Verfassungsstatus derjenige Produktivfaktor, der seit Marx bis heute aus dem Blick geraten ist. Sowohl in der Wissenschaft der Ökonomie in seiner Bedeutung als Produktivkraft nicht gesehen wird wie im politischen und gesellschaftlichen Diskurs nicht erkennbar ist. Privateigentum erscheint als ein Produkt von Reichtum, als ein der Produktion entzogener Faktor, also als ein Un- bzw. bisweilen sogar als ein Negativfaktor.
Die
Verortung eines „Widerspruches“ in der materiellen, also
auf Produktion und Reproduktion basierenden Form menschlichen
Handelns, das wir „Marktwirtschaft“ nennen, liegt nicht
im Widerspruch zwischen den Faktoren Arbeit und Kapital, wiewohl es
Ausbeutung, Exploitation, Formen von Herrschaft und Unterdrückung,
Armut und Unterbezahlung und alle diese beschriebenen Arten von
wirtschaftlich-materieller Asymmetrie gibt.
Es gäbe sie
nicht, ohne politisch fundamentales Zutun. Ohne eine politische
Verfassung, die eben diese widersprüchliche Ordnung bzw. diese
ordnungs- und fiskalpolitisch geformte, strukturelle Matrix dem
wirtschaftlichen Handeln unterlegt. Man sollte aufhören, diese
Widersprüche zwischen Kapital und Arbeit zu verordnen und die
politische Dimension der Ökonomie und Ökonomik zu
verschleiern. Das mag vorübergehend gut sein für die
Reproduktion politischer Macht und deren scheinheilige Unschuld an
den ökonomischen Verwerfungen. Aber für das Verständnis
und der möglichen, positiven Veränderung, mindestens der
notwendigen Anpassung an sich verändernde wirtschaftliche wie
technische und soziale Strukturen und politische wie kulturelle
Bedingungen bringt das nichts.
Waren
zeigten sich ubiquitär. Aber sie zeigen nicht, was hinter ihrer
sichtbaren Form verborgen ist. Das gleiche gilt für die
Äquivalenzform der Waren, das Geld. Seit Marx starrt die
Ökonomik auf die Waren oder auf das sie vereinheitlichende
Äquivalent und sucht in der Menge von Ware und Geld, was sie als
deren Werthaftigkeit missversteht, nach strukturalen Veränderungen
in Hinblick auf alle wichtigen Parameter ihrer Wissenschaft.
Blickt
man unbetrübt auf die Ware als solche, dann sind die sog.
Produktlinienerweiterungen – line extensions – bloße,
einfache Produkterweiterungen im Sinne einer Differenzierung eines
einzelnen Produktes oder einer Produktfamilie. Aber welches Bedürfnis
befriedigt die Marktwirtschaft mit dem Angebot an fünfzig
verschiedenen Tomatensorten? Alles Tomaten, ein paar
Geschmacksvarianten durch künstliche Züchtungen bzw.
Einkreuzungen, die auch zugleich noch Größen- und
Farbvariationen hervorbringen. Wie in der Mode erweitert sich das
Warenangebot zum modischen Schnickschnack, dem ein eben solches
Bedürfnis folgt.
World Wild Oeconomy
Wären
die wild ausufernden line extensions auf lediglich eine
Volkswirtschaft beschränkt, das Phänomen wäre nicht
sonderlich bedeutend. Auch in früheren Jahren beklagte man die
Wegwerf- und Abfallwirtschaft besonders in den USA und den westlichen
Industriestaaten. Beides aber ist weder identisch noch weisen beide
Marktphänomene nicht aus dieselbe Sache. Letzeres ist ein Effekt
einer Produktion, die auf immer preiswertereren Output zielt, um so
Marktdominanz und Wettbwerbsvorteile zu erreichen.
Wenn aber das
Warenangebot derart ausufert, dass die Märkte und die Produktion
von Waren sich vollständig ablösen von jeglicher Nähe
zu den Bedürfnissen der Käufer, dann ist damit ein ganz
anderer Zusammenhang zwischen Produktion und Markt signifikant. Darin
zeigt sich eine, die Produktion wie die Märkte überschwemmende
Liquidität, die gleichsam wie bei einem Überdruck sich
unventiliert Bahn sucht. Und der Überdruck entsteht in einer
Vorstellung von grenzenlosen Märkten. Gleichsam Inhalt und
Methode dieser Vorstellung grenzenloser Märkte, die ihr Ziel,
ein vollständiger Markt jemals werden zu können, aus diesem
Prinzip heraus nie werden erreichen können, ist die
Grenzkostenrechnung.
Die Grenzkostenrechnung ist dieses Prinzip grenzenloser Märkte, mit dem das Bedürfnis der Käufer nicht mehr aus der Nachfrage heraus kalkuliert und in der Produktion realisiert wird. Die Bedürfnisse erscheinen in der Grenzkostenrechnung allein aus der Sicht der Kosten für die Produktion von Produkten. Oder einfacher gesagt, aus ihrem Geldwert. Ist es kostengünstig, ein zusätzliches Produkt herzustellen, warum sollte der Hersteller es dann nicht herstellen, wenn er genügend Liquidität dazu zur Verfügung hat.
Mit Hilfe der Grenzkosten können Unternehmer die optimale Menge eines Produktes berechnen, wobei diese optimale oder optimierte Menge sich nicht ableitet von den Bedürfnissen der Käufer. Es handelt sich hierbei also allein um Kosten, die entstehen, wenn von einem Produkt eine Einheit mehr produziert wird. Somit kann an diesen Kosten lediglich erkannt werden, wie viel es kostet, wenn das Unternehmen eine Einheit mehr produzieren will und nicht, ob es überhaupt außerhalb des Geldwertes einen Sinn macht, diese Mehreinheit eines Produktes zu produzieren.
Niemand fragt, wie viele Tomaten braucht ein Kunde? Welche Menge, wie viele Sorten, wie viele Farb- und Geschmacksvariaten? Sind die Kosten gedeckt, fällt ein Gewinn ab, werden Line Extentions auf den Markt geworfen. Die Märkte werden geradezu überschwemmt mit kosteneffizient hergestellten Waren, deren Herstellung etwa im Lebensmittelsektor sogar noch dann aufrecht erhalten wird, wenn tagtäglich eine Überproduktion aus verschiedenen, nebensächlichen Gründen, also den Kauf der Waren nicht betreffenden Gründen, vernichtet werden muss. Stimmt die Grenzkostenrechnung, stimmt die Produktion. In Menge und Geldwert.
Daher
ist auch mit den Kategorien Angebot und Nachfrage vorsichtig
umzugehen. Selbst auf den traditionellen Warenmärkten, wo die
Wissenschaft nach wie vor von einem Ausgleich zwischen Angebot und
Nachfrage ausgeht und die Geldform der Waren bzw. die Preise als das
alles vermittelnde, also ausgleichende Element oder als das X in der
Formel betrachtet wird, wird zunehmend grundsätzlicher Zweifel
lauter.
Gänzlich wild geworden aber ist eine neue Form des
Finanzmarkt-Segments, die sog. ICO (Initial Coins Offerings), an
denen man schon bei einem ersten Blick darauf erkennen kann, dass
Marktvorgänge mit Geldvorgängen nicht immer viel zu tun
haben. Dass die Geldform die Warenform repräsentiert, wie dies
die klassische wie auch die keynesianische Wirtschtfstheorie
verstehen, steht hier fundamental und prinzipiell in Zweifel. Und
damit auch eine kausale Beziehung zwischen Kredit und Finanzierung
von Realinvestments.
Seit 2017 erleben virtuelle Börsengänge parallel zum Wachstum der Krypotowährungen einen regelrechten Boom. Bei den sog. ICOs sammeln Unternehmen, häufig Start-ups, Geld, meist in Form von Bitcoins, von Investoren für Geschäftsprojekte ein. Im Gegenzug erhalten Investoren sogenannte Tokens, meist eine Art digitaler Gutschein17 . Häufig sind diese Tokens jedoch und anders als Aktien nicht mit Stimmrechten verbunden. Investoren können die Gutscheine, die auf der Blockchain-Technologie basieren, später handeln und über diese Form des Finanztradings am Kursanstieg bzw. -Fall Gewinnne erzielen. Darüber hinaus als sog. Frühinvestoren sowohl am Kurs des Projekts oder Unternehmens wie auch am Kurs des Bitcoins selbst, der im Jah 2017 sagenhafte Kurssprünge vollzogen hat.
Nicht nur, dass diese Finanzprodukte Betrüger und Hochstapler anziehen, die vor allem davon profitieren, dass kaum einer der Investoren wirklich etwas substanziell über die Qualität der komplizierten Blockchain-Technologie auszusagen in der Lage ist, ist von Bedeutung. Von Bedeutung ist, dass mittlerweile – und dies gilt nicht nur für das Finanztrading – Produkte, Waren und Güter, ja ganze Marktsegmente und Unternehmen gewissermaßen in den Handel kommen, sprich auf virtuellen Handelsplattformen erscheinen, die nichts anderes als sich selbst repräsentieren.
So
untersagte Ende Januar die SEC den bereits angelaufenen ICO von Arise
Bank, einem Start-up aus Dallas, das bereits 600 Millionen Dollar von
Investoren eingesammelt und fälschlicherweise die Übernahme
einer klassischen Bank vorgetäuscht sowie die kriminelle
Vergangenheit wichtiger Manager verschwiegen hatte. Und dies in einer
Art, die für fast alle, auch die kritischen und informierten
Investoren kaum zu entlarven gewesen war18 .
Um
diesem kaum zu durchschauenden Markt innovativer, virtueller
Finanzmarktprodukte und Börsengänge einen gewissen Einhalt,
eher Aufschub entgegenzustellen, hat die SEC nun klargestellt: Alle
Coins sind erst einmal Wertpapiere. Aber mit der Übertragung des
US-amerikanischen Wertpapiergesetzes auf die ICO hat die SEC nicht
nur komplettes Chaos aus der Inkompatibilität von ICOs und
Wertpapierhandel in dieses Marktsegment gebracht, da weder beides in
Einklang zu bringen ist, noch sich so ein Kurs eines Coins
einigermaßen nachvollziehbar bestimmen
lässt.
Darüber
hinaus hat die SEC die ICOs und Kryptomärkte in Richtung Europa
und China, vor allem nach Deutschland und in die Schweiz verschoben,
wo man mit der Regulierung sich schwer tut bzw. noch zurückhält.
Wenn auch die amerikanische Antwort nicht von großer,
regulatorischer Qualität ist, hat sie aber den Markt fundamental
verschreckt und andernorts hin vertrieben.
In Deutschland und in
der Schweiz versuchen die Behörden den Spagat, Investoren zu
schützen, aber gleichzeitig die Innovatoren nicht zu vergraulen.
Dies spiegelt auch die technische Seite der aufkommenden, virtuellen
Börsen mit ihren virtuellen Währungen wieder, die in der
Frage gründet:
Ist die Kryptowelt auf Dauer regulierbar? Oder
existiert sie in einer Sphäre bzw. Technologie, die von
staatlichen Behörden nicht erreicht werden kann?
Wir werden
später diese Frage im Rahmen unserer Überlegungen zur
Digitalisierung und Globalisierung eingehender betrachten. Dabei wird
in aller Voraussicht aus den Vorgängen in der Gegenwart durchaus
die Frage sogar noch verschärft zu stellen sein: Ist es
angesichts der zunehmenden Bemühungen bei der Abschaffung des
Bargeldes nicht nötig, Bereiche der Finanzwirtschaft zu
besetzen, die dem Zugriff von staatlichen Behörden und
Verwaltungen entzogen sind?
Anmerkungen:
1 Heinsohn gibt eine kluge und klare Übersicht, wie Märkte sich historisch entwickelt haben und welche spezifischen Unterschiede berücksichtigt werden sollten, bis es zu einer von ihm so genannten Eigentumswirtschaft hat kommen können. Hier wird der Begriff Marktwirtschaft als ein historisch besonderer Begriff mit der Bestimmung als geldvermittelte Tauschwirtschaft der neoklassischen Ökonomik entnommen. Siehe: Heinsohn a.a.O. Kapitel E, S. 309ff.
2 Walter Eucken: Die Grundlagen der Nationalökonomie. Jena 1939 u.ö.
3 Diese Erkenntnis wurde erstmals von William Stanley Jevons als Gesetz der Unterschiedslosigkeit der Preise/law of indifference formuliert. Siehe William Stanley Jevons: Theory of Political Economy, 1871, S. 92
4 Alfred E. Ott, Wirtschaftstheorie, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 1989, S. 41
5 Vgl.: Rechnungswesen und Controlling. Bausteine des Rechnungswesens und ihre Verknüpfungen. Verlag neue Wirtschaftsbriefe (NWB), Herne/ Berlin 1998, ISBN 3-482-48121-0, S. 272.
6 Im Vorgriff auf späteres; dies ist bei Monopolen und Oligopolen der Fall wie z. B. auf aktuell bei den domianten Internetplattformen.
7 Das Ertragsgesetz (auch Gesetz des sinkenden Grenzertrags) ist ein wirtschaftswissenschaftliches Modell, das die Relation von Einsatz (Input) und Ertrag (Output) beschreibt, wenn ein Faktor verändert wird und alle anderen gleich bleiben (partielle Faktorvariation). Es wurde ursprünglich von Anne Robert Jacques Turgot für die Landwirtschaft als Bodenertragsgesetz definiert: Erhöht man auf dem gleichen Stück Boden stetig den Arbeitseinsatz, so nimmt der Ertrag zunächst schnell zu, dann nur noch langsam, dann bleibt er gleich, und schließlich nimmt er sogar wieder ab. Dieses Gesetz gilt nicht nur in der landwirtschaftlichen, sondern auch in der industriellen Produktion und in anderen Bereichen. Siehe Gabler: Ertragsgesetz.
8 Robert S. Pindyck, David L. Rubinfeld: Mikroökonomie. 5. Auflage. Pearson Studium, München 2003, S. 289.
9 Vgl. Rappaport, Alfred: Shareholder Value. Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart 1999, ISBN 3791013742
10
In der ersten Hälfte des 18. Jhd. bereits erkannte Georg
Heinrich Zinke, dass Haushaltsdefizite durch eine Art
Finanzausgleich, also durch staatliche „Cammer-Hülfen“
zu beseitigen sind. Der Gedanken zu Keynes staatlichen
Interventionismus in Krisenzeiten musste also keinen weiten Weg
zurücklegen
11
Die Ermittlung des Cashflows von Aktiengesellschaften begann 1951 in
den USA als Finanzflusstabelle (englisch cash flow statement).
In
Europa tauchte die Kennzahl des Cashflow erstmals 1959 im
Geschäftsbericht der Imperial Chemical Industries London
auf.[7] Erste deutsche Veröffentlichungen gab es zuvor seit
1952, als ein Autor die dem Cashflow sehr ähnliche Kennzahl des
„Umsatzüberschusses“ vorstellte.[8] Weitere
bedeutende Veröffentlichungen folgten ab 1962[9] und vor allem
1963 durch Günter Flohr[10] und 1964.[11]
[7] Martin
Zumbuehl, Finanzstarke und Finanzschwache Unternehmen und Banken auf
einen Blick, 2011, S. 18
[8] Rudolf Verhülsdonk, Die
Darstellung der betriebswirtschaftlichen Finanzwirtschaft in der
Bewegungsbilanz, in: Der Betrieb, 1952, S. 22
[9] Max Boemle,
Betriebswirtschaftliche Überlegungen zum „cash
flow“-Begriff, in: Die Unternehmung, 16. Jg., 1962, S. 199
ff.
[10] Günter Flohr, Die Zeitraumbilanz, 1963, S. 62
[11]
Günter Flohr, Die Cash Flow Analyse, in: Der Betrieb, Heft 21,
1964, S. 705-711
12 Andreas Bauer: DRS 21. Der neue Standard zur Kapitalflussrechnung unter besonderer Beachtung des BilRUG. 17. Dezember 2015; abgerufen am 15. Jan. 2018 ((PDF; 565 kB)
13
Vgl. § 17 Insolvenzordnung (InsO)
(1) Allgemeiner
Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit.
(2) Der
Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist,
die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen.
Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der
Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.
14 In diesem Zusammenhang wichtige, auf dem Cashflow basierende Kennzahlen, sind der Cash Flow Return on Investment, Cash flow at Risk, die Cashflow-Umsatzrate sowie der Verschuldungsgrad.
15 Der International Accounting Standard 7 (IAS 7) ist ein Rechnungslegungsstandard des International Accounting Standards Board (IASB) mit dem deutschen Titel "Kapitalflussrechnungen".
16 Artur Kutzelnigg, Die Zigarette als Modellfall der Wirtschaftlichen Warenlehre, 1962, S. 9
17
Tokens ähneln digitalen Gutscheinen oder Einzahlungsbelegen und
versprechen eine Beteiligung an künftigen Gewinnen einer Firma
oder eines Geschäftsprojekts oder
einen Zugang zum geplanten
Service der Firma. Vor allem die US-Wertpapieraufsicht SEC aber auch
andere Aufsichtsbehörden versuchen, diese Tokens wie
Wertpapiere zu behandeln und so einem geregelten Markt zuzuordnen.
18 Eine Studie der Unternehmensberatung EY weist ganz allgemein auf die schlechte Qualität vieler sogenannter White Paper hin, die die Technologie und das Geschäftsmodell der ICOs erklären.
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