Vom verständigen zum vernünftigen Denken
Franz Rieder • Der Schluss ist die Gestalt der Wahrheit • Von der theoretischen zur praktischen Erkenntnis (Last Update: 22.03.2017)
Hegel hat das Denken, welches die Welt in endlichen Begriffen denkt,
als endliches Denken oder verständiges Denken bezeichnet. Es
benutzt Denkbestimmungen bzw. Prädikate, die die Welt des
Seienden in von einander unterschiedenen und entgegengesetzten
Abstraktionen repräsentiert. Die Welt zu verstehen, so ehrbar
und schwierig dies auch sei, ist aber lediglich eine Reproduktion der
Welt im Denken bzw. im Geiste.
Vernünftiges Denken nach Hegel
aber zielt nicht nur auf andere Erkenntnisse, es kann sich auch nicht
solcher endlicher Prädikate bedienen, denn „Vernunftgegenstände“
lassen sich damit nicht fassen1.
Und er geht sogar soweit, dies als den Mangel der alten
Metaphysik (ebenda) zu qualifizieren. Ihre Gegenstände:
Seele, Welt, Gott etc. waren zwar „Totalitäten“,
die „dem Denken des in sich konkreten Allgemeinen
angehören“2,
aber die antike Metaphysik „legte sie als fertige gegebene
Subjekte bei der Anwendung der Verstandesbestimmungen darauf zugrunde
und hatte nur an jener Vorstellung den Maßstab, ob die
Prädikate passend und genügend seien oder nicht“3.
Seine Kritik zielt zwar nicht zentral auf Platon und wäre
dort auch nicht richtig adressiert, aber Aristoteles wird ebenso hart
getroffen wie Kant. „Nun aber besteht nach Kant die
Tätigkeit der Vernunft ausdrücklich nur darin, den durch
die Wahrnehmung gelieferten Stoff durch Anwendung der Kategorien zu
systematisieren, d.h. in eine äußerliche Ordnung zu
bringen, und ihr Prinzip ist dabei bloß das der
Widerspruchslosigkeit“4.
So
harsch hätte die Kritik am alten Königsberger nicht
unbedingt ausfallen müssen, zumal Hegel den „Alten“
ja durchaus braucht, ist er doch wahrlich nicht das unwichtigste
Bindeglied in der Geschichte des Denkens, mithin also auch
enzyklopädisch notwendig für die Entwicklung der hegelschen
Idee zu sich selbst.
Immerhin muss Hegel an der Metaphysik aus der griechischen Antike bis in die Neuzeit zu Kant konstatieren, dass – in seiner, Hegel’s Terminologie – die Idee des verständigen Denkens aus dem bloßen grundlosen Glauben und dem substanzlosen Meinen einigermaßen dramatisch sich entwickelt hat. Die Frage aber, wie denn die Grenzen des bloß verständigen Denken bestimmt sind und deren Überwindung hin zum vernünftigen Denken erfahren werden kann, blieb seine zentrale philosophische Herausforderung.
Die Antworten auf diese Frage finden sich ganz grundsätzlich darin, wenn wir den Begriff als maßgebendes Element in Urteilen und Schlüssen erkennen. Hegel billigt dem Verstehen lediglich Wahrheit zu im Urteil. Vernunft geht darüber hinaus im Schluss. „Der Schluß hat sich als die Wiederherstellung des Begriffes im Urteile und somit als die Einheit und Wahrheit beider ergeben“5. Während Hegel den Verstand als ein Vermögen bestimmt, welches die Allgemeinheit der Welt des Seienden durch Abstraktion und Form (Regeln etc.) in sich aufnimmt und in „bestimmten Begriffen“ behält, ist „der Schluss (…) nicht nur vernünftig, sondern alles Vernünftige ist ein Schluß“6.
Schwer zu verstehen sind in diesem Zusammenhang die Begriffe Totalität und Einheit: „In der Vernunft aber sind die bestimmten Begriffe in ihrer Totalität und Einheit gesetzt“ (ebenda), was aber klarer wird, schauen wir uns genauer die Stufen des Denkens an. Wie kommen wir vom Begriff als solchem zu Urteilen und von da wiederum zu Schlüssen?
Auf der Stufe der Begriffsbildung betrachten wir die Welt unmittelbar, jedenfalls versuchen wir dies so unmittelbar wie möglich zu tun. „Der Begriff ist das den Dingen selbst Innewohnende, wodurch sie das sind, was sie sind“7. Wir lassen einmal an dieser Stelle weg, was wir zu den synthetischen Erkenntnissen a priori ausgeführt haben und folgen dem Prozess des Verstehens weiter. Was wir „erkannt“ haben, z. B. das Rosen rot sind, riechen, stechen etc, ist nun ein erster Begriff von einem Gegenstand der Betrachtung, in dem wir die von uns gesetzten Bestimmungen antreffen. Wir fügen also Prädikate hinzu und urteilen insofern wir den Begriff bestimmen (wir kümmern uns in diesem Zusammenhang auch mal nicht darum, dass bereits auf dieser Ebene „bewertet“ wird.
Wäre an dieser Stelle Schluss, hätten wir die schönste Streiterei am Stammtisch darüber, was eine Rose sei. Denn In dem Urteil: Die Rose ist rot verbinden wir ein „Subjekt“ als etwas Einzelnes mit einem Prädikat als etwas Allgemeinem. Diese Verbindung von Einzelnem und Allgemeinem wird mit der Kopula „ist“ festgehalten, die aber bis hierher auf eine abstrakte Weise gesetzt ist und die in einer rein äußerlichen und von einander getrennten Weise existiert. Rot prädiziert so manches. Und nicht jede Rose ist eine Rose.
Formallogisch haben wir etwas verstanden, was in dem Urteil „S ist P“ ausgedrückt ist und behauptet (meint), dieses Einzelne ist das Allgemeine. Der Streit am Stammtisch zeigt aber, dass diese Verbindung selbst noch keine feste, keine, jeden überzeugende Verbindung ist. Wie kommen wir also von einem noch „subjektiven“ Denken zu einem, das geteilt werden kann?
Die Voraussetzung in Hegels Logik ist die,
dass die Dinge selbst ein Urteil sind, d.h. „sie
sind Einzelne, welche eine Allgemeinheit oder innere Natur in sich
sind, oder ein Allgemeines, das vereinzelt ist“8.
Nicht wir urteilen, sondern wir erkennen den inneren Wesenskern des
Einzelnen als etwas Allgemeines. Bei Hegel klingt das so:
„Alle
Dinge sind eine Gattung (ihre Bestimmung und Zweck) in einer
einzelnen Wirklichkeit von einer besonderen Beschaffenheit; und ihre
Endlichkeit ist, dass das Besondere derselben dem Allgemeinen gemäß
sein kann oder auch nicht.“9.
Nun ist damit aber sogleich ersichtlich, dass diese Einheit des Einzelnen mit dem Allgemeinen im Urteil lediglich gesetzt, aber nicht bewiesen ist. Jedenfalls nicht in einem Schlussverfahren bewiesen, welches mehr und anderes beeinhaltet als die bloße numerische Versammlung des Einzelnen. Ein Insulaner z.B.wäre leicht zu dem Urteil gekommen: alle Menschen wohnen in Hütten. Was unterscheidet dieses Urteil von eine Schluss, wie Hegel das meint?
Da Hegels Logik keine traditionelle formale Logik ist, in der Schlüsse auf subjektive Weise gezogen werden, müssen wir den Unterschied zwischen Urteil und Schluss im Begriff selbst finden, als „das Einzelne bezieht sich durch seine Beschaffenheit auf sein Allgemeines, d.h. auf seinen Begriff“10. Und, obwohl jedes Urteil nach Qualität, Quantität, Relation und Modalität bestimmt werden kann, bleibt die Struktur des Urteils aber identisch, indem nur unterschiedlichen Formen dieser „Dialektik“ des Begriffs, dieser Dialektik des Allgemeinen, Besonderen und Einzelnen bestehen.
Wenn dem so ist, dann ist das Urteil auch begründet im Sinne (subjektiv und objektiv) wahr und dann ist auch der „Schluß () deswegen der wesentliche Grund alles Wahren“11. Die Einheit des Begriffs in der Dialektik beschreibt Hegel so: …“ so daß seine (Begriff) allgemeine Natur durch die Besonderheit sich äußerliche Realität gibt und hierdurch und als negative Reflexion-in-sich sich zum Einzelnen macht. Oder umgekehrt, das Wirkliche ist ein Einzelnes, das durch die Besonderheit sich in die Allgemeinheit erhebt und sich identisch mit sich selbst macht“12.
Der Schluss ist die Gestalt der Wahrheit
Der Schluss ist die Gestalt der Wahrheit. So lautet der Schluss, den man aus der Lektüre der Hegelschen Logik ziehen kann. Die Hegelsche Dialektik will die totale, also die absolute Einheit von Denken und Sein. Das war sein Anspruch an die Philosophie, wohl wissend, dass sie diesen Zustand nie erreichen kann. Denn Hegels Logik ist in Wahrheit kein System, sondern ein Prozess, der Prozess der Dialektik des Begriffs selbst. Nun könnten wir festhalten, dass Hegel ja selbst nur daran glauben kann, dass alle Urteile sich zu Schlüssen finalisieren, am besten über apodiktische Urteile, die gewissermaßen die perfekten Übergänge zum Schluß bilden.13
Unser Wissen wäre nicht mehr verschieden von der Vernunft, denn alles, was man überhaupt wissen kann, wäre notwendig gewiss und zugleich damit ein Gesetzesurteil der Vernunft, also mithin bejahend und allgemein. Blieben wir auf der Ebene von Urteilen, dann hätten wir diesen göttlichen Zustand zumindest partiell, also hier und da in den Einzelwissenschaften erreicht, was, zugegebenermaßen ein winziger Widerspruch sein mag. Ein stärkeres Urteil als: Alle Massen ziehen sich an, gibt es ja kaum und vom dritten Satz der Thermodynamik wollen wir gar nicht erst sprechen.
Apodiktisch sind solche Urteile allemal, in dem das Einzelne und das Allgemeine sowohl die Stelle des Prädikats als auch die des Subjekts und des Objekts – und auch dieselben reziprok verschränkt – einnehmen und also der Übergang zur Identität von Subjektivität zur Objektivität gelungen scheint. Leider bleibt es bei Hegel’s Monitum, dass hier das „Objekt“ Masse lediglich gesetzt ist und damit keineswegs einen „Vernunftgegenstand“ bezeichnet. So einnehmend die „Verstandesurteile“ auch sein mögen, so sehr es auch stimmt, dass alle sinnvollen Aussagen die Gestalt von Urteilen haben, so ist das Urteil aber noch lange nicht die Gestalt der Wahrheit, wenn mehr, als eine endliche Wahrheit gemeint ist.
Trotzdem lohnt es sich in rationalitätskritischer Absicht hier noch etwas zu verweilen, nicht weil der Augenblick so schön ist, aber unser modernes Denken überwiegend als dieses Denken in endlichen Begriffen vonstatten geht und allein von daher mehr Aufmerksamkeit geboten zu sein scheint.
Wir haben gesehen, dass der Zufall aus dem System der Logik ausgeschlossen werden muss, wenn es um das Ziel geht, alles, was man wissen kann, auf Inhalt und Form eines wahren Wissens zu analysieren. In jedem wahrheitsverpflichteten logischen System scheint das so zu sein, und deshalb tut sich die Logik recht schwer sogar mit Urteilen der Quantität. Wir kennen alle das Beispiel: Alle Menschen sind sterblich, womit wir scheinbar wenig logische Probleme haben, diesen Satz allgemein gültig als wahr zu bewerten. Schwieriger wird es mit den Sätzen: Einige Menschen sind einbeinig. Einige Menschen sind aber auch zweibeinig. Wir wissen nicht, wie groß die Gruppen sind und wer jeweils dazu zu zählen ist. Ergo, das Urteil ist zufällig und also lässt sich auch aus einem partikularen (zufälligen) Urteil nichts mit notwendiger Bestimmtheit schließen, also wer und wieviele Menschen demnächst mit einem oder zwei Beinen rumlaufen.
Das Dumme obendrein ist, dass nicht einer der beiden Gruppen, wobei Gruppe schon eine falsche Bezeichnung ist, sondern beide, also wenn es um die Beine der Menschen geht, alle Menschen aus der Logik herausfallen. Dann sucht man Hilfe bei anderen Formen der Logik, etwa der Verneinung, der Disjunktion und der assertorischen Urteile: Alle Menschen haben weder ein Bein noch zwei Beine, aber was soll dann dieser Unsinn? Wo bleiben die Beine?
Das Problem ist auf dieser Ebene nicht zu lösen, denn Urteile allein helfen hier nicht. Das Problem wird also zwangsläufig auf der Ebene des Schlusses selbst versucht. Da alles mit Begriffen anfängt, schauen wir auch jetzt dorthin. Nach Kant beinhaltet ein Urteil auf der Grundlage von Begriffen mehrere Vorstellungen: „Das Urteil ist die Vorstellung der Einheit des Bewusstseins verschiedener Vorstellungen, oder die Vorstellung des Verhältnisses derselben, so fern sie einen Begriff ausmachen.“
Wenn es also darum geht, eine systematische, wahrheitsbasierte Argumentation zu ermöglichen, dann müssen wir Urteile aus Urteilen ableiten, neue miteinander logisch verknüpfen und finden dann, dass ein Schluss die Ableitung eines Urteils aus mindestens einem weiteren Urteil, meistens aber aus mehreren anderen Urteilen ist und man kann durchaus sagen, dass, insofern ein Schluss einen Begriff begründet, der Schluss die entwickelte Gestalt des Begriffs ist. Dies gilt für alle Formen der Schlussfolgerung, stellt aber die Philosophie vor nicht unerhebliche Probleme.
Wir kennen den wohl wichtigsten und nachhaltigsten Satz: Ich denke, also bin ich von Descartes, der die Form einer unmittelbaren Schlussfolgerung hat. Nur leider ist der Satz unwahr und Descartes hat nach vielen Mühen und steten Weigerungen spät seinen Grundsatz der Identitätsphilosophie korrigiert und versucht, ihn zu einer unmittelbaren Wahrheit zu stilisieren in der Form: Ich bin denkend. Na ja. Selbst wenn unmittelbare Wahrheiten scheinbar sofort einleuchten, was sie ja meistens tun, haben ihre einleuchtenden Wahrheiten spätestens auf den zweiten Blick etwas Willkürliches.
Das hatte auch Hegel im Sinn, als er darauf bestand, dass alles Unmittelbare, sobald wir es als ein solches Unmittelbares erkennen – auch wenn wir nun meinen, es erkannt zu haben – immer schon etwas Vermittelndes beinhaltet, unser Denken selbst. Das Denken nur, geht nicht immer auf Wahrheit, eher seltener. Unser Satz: Ich bin, also denke ich, macht nur Sinn als eine Provokation, als eine Intention, die darauf zielt, über Descartes Satz neu nachzudenken.
Zurück zum Schluss. Nach Kant ist der unmittelbare Schluss nur erlaubt, wenn lediglich die Form des Urteils verändert wird, der Inhalt aber unverändert bleibt. Im Beispiel von Descartes‘ Satz der Identität kommt ein neuer Inhalt, nämlich das Sein des Ichs in die Konklusion, der nicht in der Prämisse enthalten ist und den Schluss somit falsch werden lässt.
Wir ahnen hier schon, wohin uns das führt. Ein Schluss ist notwendig verwiesen auf Urteile, die zu Begriffen synthetisierte Vorstellungen enthalten können. Die hier schon stattfindenden Abstraktionen können eine gewaltige Komplexitätsreduktion beinhalten, die selbst wiederum schwer zu erkennen (analysierbar) ist. Aber es sieht noch düsterer aus. Denn die dialektische Triade von Begriff, Urteil und Schluss entspricht nicht der „praktischen Tätigkeit“ des Denkens.
Von der theoretischen zur praktischen Erkenntnis
Schauen wir uns den Prozess der Schlussfolgerung aus Urteilen an, dann erkennen wir schnell einen theoretischen ‚Overflow‘. Neben den unmittelbaren Schlüssen reihen sich mittelbare ein, die Ableitungen eines Urteils aus einem anderen Urteil vermittels eines weiteren Urteils sind. Dabei verbinden wir Prämissen und verschiedene Arten von Begriffen z. B. Alle Deutschen sind verläßlich. Mein Nachbar ist ein Deutscher. Also ist mein Nachbar verläßlich. Wir sehen, das geht aber nicht so einfach, es stimmt auch nicht. Damit diese Art Schlussfolgerung überhaupt funktioniert, müssen Oberbegriff und Unterbegriff schon eine notwendige Beziehung zueinander haben, wie in dem oft zitierten Beispiel: Alle Athener sind sterblich. Sokrates ist ein Athener. Also ist Sokrates sterblich.
Durch den Mittelbegriff: Alle Athener und ein Athener in den beiden Prämissen wird der Oberbegriff: sterblich und der Unterbegriff: Sokrates in der Konklusion miteinander vermittelt zu einem neuen Urteil, in dem das Vermittelnde, der Mittelbegriff, verschwunden ist. Das Einzelne: Sokrates in seiner Besonderung Athener und seiner Allgemeinheit: sterblich wird aber nur dann wahr, wenn der Mittelbegriff: Alle Athener, ein Athener auch passt. Denn die richtige Schlussfolgerung (Konsequenz) ergibt sich nicht aus sich selbst, sondern aus der Kunst, geeignete Mittelbegriffe zu finden und dies ist nicht immer so leicht wie in diesem Fall.
Gleichwohl aber wird das obige Beispiel als ein paradigmatischer Fall eines kategorischen Vernunftschlusses angeführt, der auch als der wichtigste Schluss im menschlichen Denken angesehen wird. Dieser mittelbare Schluss wird auch seiner Form nach als die grundsätzliche Art und Weise des wissenschaftlichen Schliessens bestimmt und stellt das Paradebeispiel einer Deduktion dar. Sie ist der einzige Schluss, in dem sich die Schlussfolgerung (Konsequenz) mit Notwendigkeit ergibt. Seine Form ist: Einer allgemeinen 1. Prämisse, die kategorisch und allgemein sein muss, wird eine allgemeine, besondere oder einzelne 2. Prämisse untergeordnet. Dieser Schluss führt also vom Allgemeinen zum Besonderen zum Einzelnen. Hätte Sokrates Migrationshintergrund und doppelte Staatsbürgerschaft, wäre die Sache schon erheblich viel schwerer. Allein das soll nur zeigen, wie wir bereits an anderer Stelle im Zusammenhang mit den Universalien das taten, wie schwierig solche Schlüsse sind.
Wissenschaftliches Denken präferiert natürlich
Schlussfolgerungen, die sich notwendig ergeben vor allen anderen.
Aber nach Hegel ist die Bezeichnung: Vernunftschluss unrichtig und
wir meinen auch unbrauchbar. Mittelbegriffe mögen sich ja noch
finden lassen in naturwissenschaftlichen Zusammenhängen, nicht
aber in „vernünftigen“. Denn sieht man genauer hin,
dann erkennt man, dass im Urteil das Subjekt nur abstrakt identisch
ist mit seiner Bestimmung, dem Prädikat.
Diese Stufe ist bei
Hegel die Stufe des Urteils, deren inhärente Bestimmungen
Abstraktionen sind und die erst im Schluss konkret werden.
Solange
das Prädikat nur ein abstrakt Allgemeines ist, ist es noch kein
Begriff14,
weiß Hegel und ganz in diesem Sinne können wir festhalten,
dass auf der Ebene des Urteils die abstrakten Bestimmungen, insofern
der Prozess des Denkens da ja noch nicht abgeschlossen ist, die
Bestimmungen noch nicht konkret identisch sind. Denn erst im Schluss
vollendet sich nach Hegel die Bestimmung zur wahren Identität
von Subjekt und Objekt.15
Dieses „noch nicht“ bildet den Übergang vom Abstrakten zum Konkreten in Hegels Logik. Wenn wirkliche Einheit von Subjektivem und Objektivem besteht, spricht er von der höchsten Form des Begriffs und das ist die Idee16. Die aber ist nichts Festes: „…die Idee ist selbst die Dialektik, welche ewig das mit sich Identische von dem Differenten, das Subjektive von dem Objektiven, das Endliche von dem Unendlichen, die Seele von dem Leibe, ab- und unterscheidet und nur insofern ewige Schöpfung, ewige Lebendigkeit und ewiger Geist ist.“17.
Hier wird deutlich, was Hegel im Begriff der Idee einschließt. Die Idee ist ein Vorgang (Tätigkeit) im Denken, in dem das Leben in der Einseitigkeit der Subjektivität und der Einseitigkeit der Objektivität nicht nur aufgehoben, repräsentiert ist18. An einem Beispiel19 entwickelt Hegel einmal mehr seine typische philosophische Argumentation. Das nur-Lebendige wird negiert durch das Erkennende und das nur theoretisch Erkennende wird durch die praktische Erkenntnis überwunden.
Und so schließt nicht zufällig der Absatz: Das Leben im Kapitel zur Lehre des Begriffs mit der „praktischen Tätigkeit der Idee“, die er als „Trieb des Wissens nach Wahrheit, Erkennen als solches, die theoretische, – dieses der Trieb des Guten zur Vollbringung desselben, das Wollen, die praktische Tätigkeit der Idee“20 gedacht ist. Sie entspringt also dem Wollen, keinem willkürlichen Wollen, zufälligen Einfällen, sondern aus dem erkannten Wesen der Welt. Wenn dem so ist, dann ist die Welt vernünftig und das vernünftige Wollen, also der Übergang von der theoretischen zur praktischen Erkenntnis zum vernünftigen Handeln ist Teil der Vernunft der Welt.21
Anmerkungen:
1 vgl. Hegel, Enzyklopädie I, S. 96. § 28
2 Hegel, Enzyklopädie I, S. 97, § 30
3 ebenda
4 ebd. S. 137 § 52 Zusatz
5 Hegel, Wissenschaft der Logik II, S. 351
6 ebenda, S. 352
7 Hegel, Enzyklopädie I, S. 318, § 167 Zusatz
8 Hegel, Enzyklopädie I, S. 318f., § 167
9 Hegel, Enzyklopädie I, S. 331, § 179
10 Hegel, Enzyklopädie I, S. 333, § 181 Zusatz
11 Hegel, Enzyklopädie I, S. 332
12 ebenda
13 vgl. Hegel, Enzyklopädie I, S. 333
14 vgl. Hegel, Wissenschaft der Logik II, S. 268
15 Wir werden dieses "noch nicht" in der Philosophie von Ernst Bloch wieder finden. Das Blochsche "S ist noch nicht P" markiert wie wir meinen ebenso wie bei Hegel den Übergang vom abstrakten Urteil zum konkreten Schluß.
16 Hegel, Enzyklopädie I, S. 367, § 212
17 Hegel, Enzyklopädie I, S. 371, § 214
18 Hegel, Enzyklopädie I, S. 378 § 225
19 vgl. Hegel, Enzyklopädie I, S. 375-376, § 219
20 Hegel, Enzyklopädie I, S. 378 § 225
21 Wir haben an anderer Stelle den Zusammenhang mit Bloch schon erwähnt, als das "erkennende Fortbilden" (EM, S. 60) eben diese Dialektik ausdrückt.
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