Gruppe ZERO
• So absolut wie möglich - ein Neubeginn der Kunst nach 1945 (Last Update: 01.04.2015)
„Das ruhige Leben ist
verschwunden. Der Begriff der Geschwindigkeit ist konstant im Leben
des Menschen. [...] Der Mensch wird immer gefühlloser erstarrten
Bildern gegenüber, die keinen Sinn für Vitalität
verraten. Die unbeweglichen Bilder von früher befriedigen nicht
mehr die Wünsche des neuen Menschen, der geformt wird vom
Aktionsdrang und vom Zusammenleben mit der Mechanik, was eine
beständige Dynamik erfordert. Die Ästhetik organischer
Bewegung ersetzt die ästhetische Kraftlosigkeit erstarrter Form.
Indem wir uns berufen auf diesen Wandel, der sich in der Natur des
Menschen vollzogen hat, und auf die geistigen und moralischen
Veränderungen in allen menschlichen Beziehungen und Tätigkeiten,
verzichten wir auf den Gebrauch bekannter Kunstformen und beginnen
die Entwicklung einer Kunst, die auf der Einheit von Zeit und Raum
beruht.“
Lucio Fontana. Weißes Manifest.
1946
„Die Kunst des Malens besteht für
mich darin, Freiheit zu schaffen für den Zustand der Urmaterie.
Ein gewöhnliches Bild, wie man es in seiner allgemeinen Materie
versteht, ist für mich wie ein Gefängnisfenster, dessen
Linien, Konturen, Formen und Komposition von den Gitterstangen
bestimmt werden. […] Die Farbe dagegen ist natürlichen
und menschlichen Maßes, sie badet in kosmischer Sensibilität.
[...] Die Farben sind die wahren Bewohner des Raumes, die Linie
dagegen tut nichts als durch den Raum zu reisen und ihn zu
durchlaufen. Sie durchläuft das Unendliche, während die
Farbe ist. Durch die Farbe spüre ich eine vollständige
Identifizierung mit dem Raum; ich bin wahrhaft frei!“
Yves Klein, Meine Stellung im Kampfe
zwischen Linie und Farbe. 1958
„Ein Bild ist nur gültig in
seiner Eigenschaft als totales Sein; es muss nichts sagen, nur sein;
zwei aufeinander abgestimmte Farben bilden schon ein Verhältnis,
das der Bedeutung der
einzigen, unbegrenzten, absolut dynamischen
Fläche fremd ist; die Unvollendbarkeit ist streng genommen
monochrom oder besser ohne jede Farbe (und wird nicht im Grunde auch
die Monochromie, da ihr jedes Farbverhältnis fehlt, farblos?).
Die künstlerische Problematik, die
sich der Komposition, der Form bedient, verliert hier jeden Wert: Im
totalen Raum haben Form, Farbe, Dimension keinen Sinn; der Künstler
hat seine vollständige Freiheit erobert [...].“
Piero Manzoni, Freie Dimension, 1960
„Die Vibration der Farbe ist
imstande, sich dem Betrachter wegen ihrer Kontinuität auf eine
leise und deswegen nachhaltige Weise mitzuteilen. Je reiner die Farbe
ist, desto sensibler wird sie die feinsten Schwingungen aufnehmen und
weitergeben können. Das körperhafte Formgebäude [...]
kann nun verabschiedet werden. An seine Stelle tritt der
artikulierende Rhythmus, der ‚Puls‘ der Farbe. Das Bild
wird zum Schwingungsfeld, zur Erscheinung reiner Energie. Es ist
nicht mehr vernagelt und versperrt, es ist offen, weit. Farbraum,
ganz nah und ganz fern zugleich.“
Otto Piene, Lichtballett (Malerei),
1960
„Die erste Bedingung der
Vibration der Farbe ist, dass sich etwas im Wechsel der chromatischen
Farbmodulation durchhält [...]. Ich gebe der Farbe eine
Vibration, d.h. ich gebe der Farbe eine Struktur [...]. Der
Überwindung der Vielfarbigkeit durch die Farbe selbst
entspricht, dass man die Komposition aufgibt zugunsten einer
einfachen Strukturzone [...]. [...] Die Exklusivität einer
vollständig gegenstandsfreien, dynamischen bildnerischen
Struktur, in astronomischer Entfernung zur Natur, wird zum Ausdruck
einer reinen Emotion; sie präsentiert sich als eine neue
Wirklichkeit, deren geheime Schönheit wir ahnen!“
Heinz Mack, Die neue dynamische
Struktur, 1958
„Das autonome Kunstwerk negiert
das alte Konzept künstlerischer Fiktion, ja es klagt die Gesetze
dieser Funktion an [...]. [...] da wir kein Interesse daran haben,
subjektive Reaktionen auf Fakten oder Gefühle auszudrücken,
[...] schließen wir jene Ausdrucksmittel (Farbe und
Komposition) aus, die nur zum beschränkten Diskurs der Metapher
und der Parabel taugen [...]. [...] Es wird vielmehr das einzige
Kriterium sein, das auf der Grundlage einer elementaren Einheit -
Linie, unendlich wiederholbarer Rhythmus, monochrome Oberfläche
– notwendig ist, um den Werken selbst die Konkretheit des
Unendlichen zu verleihen und sich dem verwandelnden Einfluss der Zeit
zu öffnen, jener einzig denkbaren Dimension, die Maß und
Rechtfertigung unseres geistigen Bedürfnisses ist.“
Enrico Castellani, Kontinuität und
Neues, 1960
„Ich wünsche mir, dass wir
solche unübersehbaren Naturräume aufsuchen, um den zweiten,
übersehbaren Raum, den Raum der Kunst, in ihnen zu
verwirklichen. Diesen artifiziellen Raum
nenne ich die Reservation
der Kunst, in dieser Reservation, die schließlich eine totale
sein wird, soll die Kunst eine neue Freiheit finden. Das
Sahara-Projekt soll diese Freiheit in Bewegung finden. [...] Die
totale Reservation der Kunst wird eine neue Freiheit sein; sie ist
ein Ausdruck der Zone ZERO, ein Ausdruck unserer grenzlosen
Erwartungen. [...] Nur wenn wir den Mut haben, die totale Reservation
zu venivirklichen, dürfen wir erwarten, dass das Schöne
eine neue Ausstrahlung über die Welt gewinnt.“
Heinz Mack, Das Sahara-Projekt, 1961
„Das Aufeinanderfolgen eines
Motivs, eines Dinges, eines Objektes, eines Teiles isolierter
Realität durch Wiederholung enthält außer Rhythmus
und Zeit zugleich durch das Prinzip der Wiederholung die Suggestion
der Abwesenheit von Zeit, der Zeitlosigkeit. Diese Antithetik infolge
des Elementes der Reihung erzeugt bei aller Monotonie zugleich die
größtmögliche Spannung.“
Jan J. Schoonhoven, 1964
„Ja, was mich immer interessiert
hat, ist die Transformation der Elemente, die Entmaterialisierung
festen Stoffes. Dies war natürlich bis zu einem gewissen Grad
immer interessant für Künstler, ich aber wollte den Prozess
der Transformation im Werk selbst sichtbar machen. Und so verwandelt
sich - während der Betrachtung - die reine Linie durch optische
Täuschung in reine Schwingung, der Stoff in Energie.“
Dialog zwischen ‚Jesus Rafael
Soto und Guy Brett, 1965
„Es bewegt sich alles. Stillstand
gibt es nicht. Lasst Euch nicht von überlebten Zeitbegriffen
beherrschen. [...] Widersteht den angstvollen Schwächeanfällen,
Bewegtes anzuhalten, Augenblicke zu versteinern und Lebendiges zu
töten. Gebt es auf, immer wieder ‚Werte‘
aufzustellen die doch in sich zusammenfallen. Seid frei, lebt! Hört
auf, die Zeit zu ‚malen‘. Lasst es sein, Kathedralen und
Pyramiden zu bauen, die zerbröckeln wie Zuckerwerk. Atmet tief,
lebt im Jetzt, lebt auf und in der Zeit. Für eine schöne
und absolute Wirklichkeit!“
Jean Tinguely, Für Statik, 1959
» „Ich will einen neuen
Raum bauen, einen Raum ohne Anfang und Ende, in dem alles lebt und
zum Leben aufgefordert wird, der gleichzeitig ruhig und laut,
unbewegt und bewegt ist. […] Wenn Sie einen Spiegel gegen
einen Spiegel halten, finden Sie einen Raum ohne Ende und Grenzen,
einen Raum mit unbeschränkten Möglichkeiten, einen neuen
metaphysischen Raum."
Christian Megert. Ein neuer Raum, 1961
Otto Piene. Lichtraum.
„Die sog. bemalte Fläche
existiert nur in der Einbildung. Gewiss, die Leinwand, die der Maler
zu bearbeiten hat, besitzt eine bestimmte materielle Tiefendimension,
die aber keinen anderen Wert hat, als einen Anhaltspunkt zu liefern
für den imaginären Raum, den der Maler darstellen will.
Ideell und wirklich ist diese Rückseite für den Maler nicht
vorhanden. Und sollte sich für ihn einmal die Möglichkeit
ergeben, dem Betrachter unvermittelt malerische Qualitäten
vorzuführen, so würde er sofort auf Vorder- und Rückseiten
verzichten.“
Jef Verheyen. Die einzige Dimension.
1960
„Die Reinheit des Lichts, die die
reine Farbe schafft, die wiederum Ausdruck der Reinheit des Lichts
ist, erfasst den ganzen Menschen mit ihrem Kontinuum des Flutens, des
rhythmischen Hin- und Herströmens zwischen Bild und Betrachter,
das unter bestimmten formalen Bedingungen zum zwingenden Pulsschlag,
zu einer totalen Vibration wird. [...] Die Energie des Lichts
verwandelt sich auf rätselhafte Weise über dem Felde des
Bildes in vitale Energie des Sehenden.“
Otto Piene, Über die Reinheit des
Lichts, 1958
„Ich hatte nun ein Material, das
in den wirklichen Raum eindringt - nicht in den illusionistischen
Raum, der durch die Leinwand sichtbar wird. Und dieses Material, wie
den Nagel, der in den Raum, in dem wir leben, hineinragt, so dass die
Wirklichkeit, die sich in diesem Raum befindet, sich darin
artikuliert durch Licht und Schatten, habe ich versucht, immer weiter
zu entwickeln.“
Günther Uecker im Interview mit
Freddy de Vree, 1972
„Die Mechanik als
Gestaltungsmittel bietet uns großartige Möglichkeiten,
ästhetische Informationen zu realisieren. Die Originalität
bleibt wirksam, weil kein lmitationswert entsteht, wodurch das
schöpferische Moment im Bewegungsprozess erhalten bleibt. Den
Ablauf einer Bewegung sichtbar zu machen als Zustand einer
Lebendigkeit, an der der Mensch teilnimmt in schöpferischer
Wiederholung, in Monotonie, ist in der Tat eine erregende Aktion
[...]. Ich benutze mechanische Mittel, um die subjektive Geste zu
überwinden, zu objektivieren, eine Situation der Freiheit zu
schaffen.“
Günther Uecker, Die Mechanik als
Gestaltungsmittel, 1960
„Durch das Rot habe ich das
Gefühl, mich mit dem Feuer zu identifizieren, mit diesem Feuer,
das ich besitzen möchte und das ich mir tatsächlich [...]
aneignen sollte, indem ich mein erstes Feuerbild erfand.“
Hernard Aubertin, Triumphierendes
Feuer, 1969
„Die Energie des Lichts
verwandelt sich auf rätselhafte Weise über dem Felde des
Bildes in vitale Energie des Sehenden. Die Mittel sind gefunden, der
Malerei unter Beibehaltung ihrer Disziplin kraft des Lichtes so viel
übersetzte Sinnlichkeit zu geben, dass sie aus der rationalen
Deutbarkeit des Zeichenhaften in den Bereich der malerischen
Schönheit tritt, in der der Weg des Geistes über die Sinne
führt. Sie wird strahlende Fülle gewinnen, ihr Leuchten
wird den Menschen treffen. Die Reinheit des Lichts wird sie
befähigen, reine Empfindungen zu wecken.“
Otto Piene, Über die Reinheit des
Lichts, 1958
„Ich gebe nichts mehr, aber ich
gebe es: ein kleiner Teil der Wirklichkeit, tastbar, sichtbar, in
welcher die Totalität erkennbar ist: die Wirklichkeit, die wir
immer in ihren Bestandteilen erfahren. Mein Objektivieren ist also
weder eine Abstraktion noch eine Meinung, sondern will eine
Offenheit, eine Freiheit, eine Wahrheit geben im Bestehenden.“
Herman de Vries, Objektivität und
Wirklichkeit, 1963
„Das Licht ist nicht nur an den
Raumausschnitt Bühne oder die Fläche der Leinwand am Ende
eines langen Raumes, in dessen Dunkel der Betrachter sitzt, gebunden.
Es kann die meisten Orte des Raumes erreichen. Dadurch gewinnt der
Erlebende den Eindruck, der Mittelpunkt des Geschehens zu sein, es
‚geht durch ihn hindurch‘, erfühlt sich als Teil des
Lichts.“
Otto Piene, Lichtballett, 1960
„4 3 2 1 ZERO. Gold und Silber,
Schall und Rauch. Wanderzirkus ZERO.“
Heinz Mack, Otto Piene und Günther
Uecker, Zero der neue Idealismus, 1963
„Zero ist die Stille. Zero ist
der Anfang. Zero ist rund. Zero dreht sich. Zero ist der Mond. Die
Sonne ist Zero. [...] Der Himmel über Zero. Die Nacht - . [...]
dynamo dynamo dynamo. [...] Zero ist die Stille. Zero ist der Anfang.
Zero ist rund. Zero ist Zero.“
Heinz Mack, Otto Piene und Günther
Uecker, Zero der neue Idealismus, 1963
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